BGH, Urt. 24.7.2018 - VI ZR 330/17
Keine Haftung des Suchmaschinenbetreibers für Persönlichkeitsrechtsverletzung
Autor: RA, FA IT-Recht Dr. Aegidius Vogt, Herberger Vogt von Schoeler, München – www.hvs-rechtsanwaelte.de
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 04/2019
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 04/2019
Suchmaschinenbetreiber treffen keine präventiven Kontrollpflichten. Vielmehr bedarf es eines konkreten Hinweises auf eine offensichtliche und auf den ersten Blick klar erkennbare Rechtsverletzung.
BGH, Urt. v. 24.7.2018 - VI ZR 330/17
Vorinstanz: OLG Köln, Urt. v. 10.8.2017 - 15 U 188/16
BDSG a.F. § 4 Abs. 1, § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2; BGB § 1004 Abs. 1 Satz 2 analog, § 823 Abs. 1, Abs. 2; GG Art. 1, Art. 2 Abs. 1
Keine unmittelbare Störerhaftung: Zunächst scheide eine Haftung der Betreiberin als unmittelbare Störerin aus, da es sich bei dem beanstandeten Bericht nicht um eigenen Inhalt der Betreiberin handle und sie sich diesen durch Aufnahme in den – automatisiert erstellten – Suchindex auch nicht zu eigen gemacht habe.
Allgemeine Grundsätze der mittelbaren Störerhaftung: Grundsätzlich hafte als mittelbarer Störer, wer in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Beeinträchtigung des Rechtsguts beitrage. Dabei könne als Beitrag auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern der potentielle Störer die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung habe. Die Haftung dürfe aber nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden. Sie setze daher die Verletzung von Verhaltenspflichten, insb. von Prüfpflichten, voraus. Deren Umfang bestimme sich danach, ob und inwieweit dem Dritten nach den Umständen des Einzelfalls eine Verhinderung der Verletzung zuzumuten sei (vgl. BGH v. 27.2.2018 – VI ZR 489/16, CR 2018, 657).
Grundsätze bei Suchmaschinenbetreibern: Nach dieser Rechtsprechung des Senats obliege dem Suchmaschinenbetreiber keine präventive Kontrollpflicht. Ihn würden erst dann spezifische Verhaltenspflichten treffen, wenn er durch einen konkreten Hinweis Kenntnis von einer offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Rechtsverletzung erlange.
Keine Schmähkritik: Ein solcher Rechtsverstoß könne u.a. bei Hassreden oder eindeutiger Schmähkritik gegeben sein, was für den Suchmaschinenbetreiber regelmäßig aber nur schwer erkennbar sei. Denn wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als Rahmenrecht liege dessen Reichweite nicht absolut fest, sondern müsse erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden. Dabei könne eine Schmähkritik nicht bereits bei überzogenen oder ausfälligen Äußerungen angenommen werden. Hinzutreten müsse eine das sachliche Anliegen der Äußerung völlig in den Hintergrund drängende persönliche Kränkung, deren abschließende Bewertung ohne verifizierbare Erkenntnisse zum sachlichen Hintergrund indes selten möglich sei. Entsprechendes gelte für herabsetzende Tatsachenbehauptungen oder Werturteile mit Tatsachenkern, wo es maßgeblich auf den Wahrheitsgehalt der behaupteten Tatsache ankomme. Hierzu habe der Suchmaschinenbetreiber aber typischerweise keine Erkenntnisse und könne Beanstandungen des Betroffenen folglich regelmäßig auch nicht validieren. Im Übrigen müssten sich Gewerbetreibende und Angehörige eines freien Berufs wertende, nicht mit unwahren Tatsachenbehauptungen verbundene Kritik an ihrer Leistung in der Regel auch dann gefallen lassen, wenn diese scharf formuliert sei (vgl. BGH v. 27.9.2016 – VI ZR 250/13, AfP 2017, 48).
Zulässige Erhebung und Übermittlung von Daten: Auch bei der datenschutzrechtlichen Bewertung im Rahmen des § 29 BDSG a.F. sei eine Abwägung der Grundrechtspositionen vorzunehmen, die auch hier zu keinem überwiegenden Interesse des Anwalts führe.
BGH, Urt. v. 24.7.2018 - VI ZR 330/17
Vorinstanz: OLG Köln, Urt. v. 10.8.2017 - 15 U 188/16
BDSG a.F. § 4 Abs. 1, § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2; BGB § 1004 Abs. 1 Satz 2 analog, § 823 Abs. 1, Abs. 2; GG Art. 1, Art. 2 Abs. 1
Das Problem
Bei Eingabe des Nachnamens eines Rechtsanwalts in der Suchmaschine Google wurde in der Suchergebnisliste ein Link auf eine Website angezeigt, die einen Bericht enthielt, der den Anwalt im Zusammenhang mit einem Gerichtsverfahren in schlechtem Licht erscheinen ließ („hilflos”, „dilettantischer Unfug” u.a.). Er forderte die Betreiberin der Suchmaschine unter Begründung seines Anliegens auf, den bei Eingabe seines Namens unter dem Link öffentlich zugänglich gemachten Beitrag aus dem Suchergebnis zu entfernen. Dies lehnte die Betreiberin ab, da aus ihrer Sicht kein offensichtlicher Rechtsverstoß festgestellt werden konnte.Die Entscheidung des Gerichts
Der BGH erkannte ebenfalls keine offensichtliche Rechtsverletzung und bestätigte damit das Urteil der Vorinstanz.Keine unmittelbare Störerhaftung: Zunächst scheide eine Haftung der Betreiberin als unmittelbare Störerin aus, da es sich bei dem beanstandeten Bericht nicht um eigenen Inhalt der Betreiberin handle und sie sich diesen durch Aufnahme in den – automatisiert erstellten – Suchindex auch nicht zu eigen gemacht habe.
Allgemeine Grundsätze der mittelbaren Störerhaftung: Grundsätzlich hafte als mittelbarer Störer, wer in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Beeinträchtigung des Rechtsguts beitrage. Dabei könne als Beitrag auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern der potentielle Störer die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung habe. Die Haftung dürfe aber nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden. Sie setze daher die Verletzung von Verhaltenspflichten, insb. von Prüfpflichten, voraus. Deren Umfang bestimme sich danach, ob und inwieweit dem Dritten nach den Umständen des Einzelfalls eine Verhinderung der Verletzung zuzumuten sei (vgl. BGH v. 27.2.2018 – VI ZR 489/16, CR 2018, 657).
Grundsätze bei Suchmaschinenbetreibern: Nach dieser Rechtsprechung des Senats obliege dem Suchmaschinenbetreiber keine präventive Kontrollpflicht. Ihn würden erst dann spezifische Verhaltenspflichten treffen, wenn er durch einen konkreten Hinweis Kenntnis von einer offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Rechtsverletzung erlange.
Keine Schmähkritik: Ein solcher Rechtsverstoß könne u.a. bei Hassreden oder eindeutiger Schmähkritik gegeben sein, was für den Suchmaschinenbetreiber regelmäßig aber nur schwer erkennbar sei. Denn wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als Rahmenrecht liege dessen Reichweite nicht absolut fest, sondern müsse erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden. Dabei könne eine Schmähkritik nicht bereits bei überzogenen oder ausfälligen Äußerungen angenommen werden. Hinzutreten müsse eine das sachliche Anliegen der Äußerung völlig in den Hintergrund drängende persönliche Kränkung, deren abschließende Bewertung ohne verifizierbare Erkenntnisse zum sachlichen Hintergrund indes selten möglich sei. Entsprechendes gelte für herabsetzende Tatsachenbehauptungen oder Werturteile mit Tatsachenkern, wo es maßgeblich auf den Wahrheitsgehalt der behaupteten Tatsache ankomme. Hierzu habe der Suchmaschinenbetreiber aber typischerweise keine Erkenntnisse und könne Beanstandungen des Betroffenen folglich regelmäßig auch nicht validieren. Im Übrigen müssten sich Gewerbetreibende und Angehörige eines freien Berufs wertende, nicht mit unwahren Tatsachenbehauptungen verbundene Kritik an ihrer Leistung in der Regel auch dann gefallen lassen, wenn diese scharf formuliert sei (vgl. BGH v. 27.9.2016 – VI ZR 250/13, AfP 2017, 48).
Zulässige Erhebung und Übermittlung von Daten: Auch bei der datenschutzrechtlichen Bewertung im Rahmen des § 29 BDSG a.F. sei eine Abwägung der Grundrechtspositionen vorzunehmen, die auch hier zu keinem überwiegenden Interesse des Anwalts führe.