BGH, Urt. 25.3.2021 - I ZR 37/20
Auch eine nachträgliche Genehmigung durch einen Lizenznehmer kann zur Erschöpfung der Markenrechte führen
Autor: Dr. Oliver Stöckel, FA für GewRS,von BOETTICHER Rechtsanwälte, München
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 08/2021
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 08/2021
„Inverkehrbringen“ i.S.d. § 24 Abs. 1 MarkenG an einen Dritten kann auch dann eintreten, wenn dieser die veräußerte Ware beim Erwerb bereits in Besitz hat und die Ware gesondert lagert, markiert und dadurch konkretisiert. Die Zustimmung zur Veräußerung, die zur Erschöpfung der Markenrechte führt, kann auch ein Lizenznehmer erteilen (nicht nur der Markeninhaber), und zwar als Einwilligung im Voraus oder als Genehmigung im Nachhinein.
MarkenG § 24 Abs. 1; UMV Art. 15 Abs. 1
Die von der Markeninhaberin wegen Markenverletzung verklagte Händlerin bezieht Wolle und Garne von der Lizenznehmerin dergestalt, dass sie die Produkte zwar von dieser kauft, allerdings nicht von ihr geliefert bekommt, weil sie die Produkte direkt importiert, einlagert und an Kunden weiterverkauft. Zwischen den Parteien ist streitig, ob bestimmte Verkäufe der Händlerin der Erschöpfung unterliegen. Die Händlerin hat Beweis dafür angeboten, dass die Lizenznehmerin ihr die Wolle nach den streitigen Verkäufen in Rechnung gestellt und die Verkäufe damit i.S.v. § 24 Abs. 1 MarkenG genehmigt habe.
Das LG hält den Beweis einer Zustimmung für nicht erbracht und verurteilt die Händlerin. Das Berufungsgericht meint, es sei nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an diese Tatsachenfeststellung des LG gebunden und weist die Berufung der Händlerin zurück.
Das OLG habe seine Pflichten nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO verkannt. Das Berufungsgericht sei nicht an die erstinstanzliche Beweiswürdigung gebunden, sondern müsse diese auch daraufhin überprüfen, ob eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass diese bei (erneuter) Beweiserhebung sich als unrichtig erweisen könnten. Die Berufungsinstanz sei eine (wenn auch eingeschränkte) Tatsacheninstanz, deren Aufgabe die Gewinnung einer fehlerfreien, überzeugenden und damit richtigen Entscheidung sei. Es dürfe die erstinstanzliche Entscheidung deshalb nicht nur auf Rechtsfehler überprüfen. Das Gericht habe deshalb den Vortrag zur Erschöpfung durch die Lizenznehmerin nicht übergehen dürfen. Dieser sei nämlich entscheidungserheblich:
„Inverkehrbringen“ und „Zustimmung“ i.S.d. § 24 Abs. 1 MarkenG bzw. Art. 15 Abs. 1 UMV seien unionsrechtlich determinierte und autonom auszulegende Begriffe (EuGH, Urt. v. 2011.2001 – verb. C-414/99 bis C-416/99 – Zino Davidoff und Levi Strauss, Rz.. 43, GRUR 2002, 156,; EuGH, Urt. v. 3.6.2010 – C-127/09 – Coty Prestige, Rz. 46 GRUR 2010, 723m.w.N.). Inverkehrbringen sei jede Handlung, die es dem Inhaber erlaubt, den wirtschaftlichen Wert seiner Marke zu realisieren (EuGH, Urt. v. 30.11.2004 – C-16/03 – Peak Holding, Rz. 40, GRUR 2005, 507), wobei ein Inverkehrbringen auch durch wirtschaftlich mit dem Markeninhaber verbundene Unternehmen wie Konzerngesellschaften, Lizenznehmer oder Alleinvertriebshändler erfolgen kann, die mit Zustimmung des Markeninhabers handeln (EuGH, Urt. v. 23.4.2009 – C-59/02 – Copad, Rz. 43 [46], GRUR 2009, 593; BGH, Urt. v. 3.2.2011 – I ZR 26/10 – Kuchenbesteck-Set, Rz. 17, GRUR 2011, 820).
Deshalb sei ein Inverkehrbringen auch ohne Lieferung des Lizenznehmers an die Händlerin möglich, weil auch der nachträgliche Verkauf bereits im Besitz der Händlerin befindlicher Ware den wirtschaftlichen Wert der Ware realisiere. Eine gesonderte Lagerung und Markierung der Ware, jedenfalls aber deren Auslieferung an den Kunden genüge dabei für die Konkretisierung auf bestimmte Waren, die für die Erschöpfung nötig ist.
Auch die Zustimmung sei gegeben, denn diese könne der Lizenznehmer gleichermaßen wie der Markeninhaber erteilen. Da eine zur Erschöpfung führende Zustimmung sowohl als Einwilligung im Voraus als auch als Genehmigung im Nachhinein möglich sei, könne der Lizenznehmer den Verkauf durch die Händlerin auch nachträglich genehmigen (wofür hier Beweis angeboten war, was die Instanzgerichte allerdings übergangen hatten). Dass dadurch bereits entstandenen Ansprüchen der Markeninhaberin die Grundlage entzogen werde, sei eine hinzunehmende Folge der (nachträglichen) Erschöpfung.
MarkenG § 24 Abs. 1; UMV Art. 15 Abs. 1
Das Problem
Die Markeninhaberin verfügt über diverse Marken „myboshi“, geschützt für Wolle und Garne. Sie hat eine ausschließliche Lizenz zur Herstellung und zum Vertrieb von „myboshi“ Produkten an eine Lizenznehmerin erteilt.Die von der Markeninhaberin wegen Markenverletzung verklagte Händlerin bezieht Wolle und Garne von der Lizenznehmerin dergestalt, dass sie die Produkte zwar von dieser kauft, allerdings nicht von ihr geliefert bekommt, weil sie die Produkte direkt importiert, einlagert und an Kunden weiterverkauft. Zwischen den Parteien ist streitig, ob bestimmte Verkäufe der Händlerin der Erschöpfung unterliegen. Die Händlerin hat Beweis dafür angeboten, dass die Lizenznehmerin ihr die Wolle nach den streitigen Verkäufen in Rechnung gestellt und die Verkäufe damit i.S.v. § 24 Abs. 1 MarkenG genehmigt habe.
Das LG hält den Beweis einer Zustimmung für nicht erbracht und verurteilt die Händlerin. Das Berufungsgericht meint, es sei nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an diese Tatsachenfeststellung des LG gebunden und weist die Berufung der Händlerin zurück.
Die Entscheidung des Gerichts
Der BGH hob das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung an das Berufungsgericht zurück.Das OLG habe seine Pflichten nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO verkannt. Das Berufungsgericht sei nicht an die erstinstanzliche Beweiswürdigung gebunden, sondern müsse diese auch daraufhin überprüfen, ob eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass diese bei (erneuter) Beweiserhebung sich als unrichtig erweisen könnten. Die Berufungsinstanz sei eine (wenn auch eingeschränkte) Tatsacheninstanz, deren Aufgabe die Gewinnung einer fehlerfreien, überzeugenden und damit richtigen Entscheidung sei. Es dürfe die erstinstanzliche Entscheidung deshalb nicht nur auf Rechtsfehler überprüfen. Das Gericht habe deshalb den Vortrag zur Erschöpfung durch die Lizenznehmerin nicht übergehen dürfen. Dieser sei nämlich entscheidungserheblich:
„Inverkehrbringen“ und „Zustimmung“ i.S.d. § 24 Abs. 1 MarkenG bzw. Art. 15 Abs. 1 UMV seien unionsrechtlich determinierte und autonom auszulegende Begriffe (EuGH, Urt. v. 2011.2001 – verb. C-414/99 bis C-416/99 – Zino Davidoff und Levi Strauss, Rz.. 43, GRUR 2002, 156,; EuGH, Urt. v. 3.6.2010 – C-127/09 – Coty Prestige, Rz. 46 GRUR 2010, 723m.w.N.). Inverkehrbringen sei jede Handlung, die es dem Inhaber erlaubt, den wirtschaftlichen Wert seiner Marke zu realisieren (EuGH, Urt. v. 30.11.2004 – C-16/03 – Peak Holding, Rz. 40, GRUR 2005, 507), wobei ein Inverkehrbringen auch durch wirtschaftlich mit dem Markeninhaber verbundene Unternehmen wie Konzerngesellschaften, Lizenznehmer oder Alleinvertriebshändler erfolgen kann, die mit Zustimmung des Markeninhabers handeln (EuGH, Urt. v. 23.4.2009 – C-59/02 – Copad, Rz. 43 [46], GRUR 2009, 593; BGH, Urt. v. 3.2.2011 – I ZR 26/10 – Kuchenbesteck-Set, Rz. 17, GRUR 2011, 820).
Deshalb sei ein Inverkehrbringen auch ohne Lieferung des Lizenznehmers an die Händlerin möglich, weil auch der nachträgliche Verkauf bereits im Besitz der Händlerin befindlicher Ware den wirtschaftlichen Wert der Ware realisiere. Eine gesonderte Lagerung und Markierung der Ware, jedenfalls aber deren Auslieferung an den Kunden genüge dabei für die Konkretisierung auf bestimmte Waren, die für die Erschöpfung nötig ist.
Auch die Zustimmung sei gegeben, denn diese könne der Lizenznehmer gleichermaßen wie der Markeninhaber erteilen. Da eine zur Erschöpfung führende Zustimmung sowohl als Einwilligung im Voraus als auch als Genehmigung im Nachhinein möglich sei, könne der Lizenznehmer den Verkauf durch die Händlerin auch nachträglich genehmigen (wofür hier Beweis angeboten war, was die Instanzgerichte allerdings übergangen hatten). Dass dadurch bereits entstandenen Ansprüchen der Markeninhaberin die Grundlage entzogen werde, sei eine hinzunehmende Folge der (nachträglichen) Erschöpfung.