BGH, Urt. 25.7.2024 - I ZR 143/23

Keine Verpflichtung zur Aufschlüsselung eines Bewertungsdurchschnitts

Autor: RA Markus Rössel, LL.M. (Informationsrecht), Köln
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 10/2024
Bei der Werbung mit einer durchschnittlichen Sternebewertung von Kunden stellt die Aufschlüsselung nach den einzelnen Sterneklassen keine wesentliche Information i.S.v. § 5a Abs. 2 Satz 1 UWG a.F./§ 5a Abs. 1 UWG n.F. dar, wenn die Gesamtzahl und der Zeitraum der berücksichtigten Bewertungen angegeben sind.

UWG a.F. § 5a Abs. 2 Satz 1; UWG n.F. § 5a Abs. 1

Das Problem

Die Betreiberin einer Plattform zur Vermittlung von Immobilienmaklern warb damit, dass diese von ihren Kunden im Durchschnitt mit 4,7 von 5 Sternen bewertet wurden („Kundenbewertung ø 4,62/5.00“), ohne jedoch eine Aufschlüsselung nach den einzelnen Sterneklassen vorzunehmen. Ein Wettbewerbsverband, der sich bereits erstinstanzlich hinsichtlich notwendiger Angaben zu Gesamtzahl und Zeitraum der Bewertungen durchsetzen konnte, verfolgt mit seiner Revision das Verfahren hinsichtlich der Aufschlüsselung weiter.

Die Entscheidung des Gerichts

In der fehlenden Aufschlüsselung sei keine nach § 5a Abs. 2 Satz 1 UWG a.F., § 5a Abs. 1 UWG n.F. unlautere und nach § 3 Abs. 1 UWG unzulässige geschäftliche Handlung zu sehen, die einen Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG begründe (Rz. 6).

Maßgeblichkeit alter und neuer Rechtslage: Nach Durchführung der Internetwerbung sei § 5a UWG mit Wirkung zum 28.5.2022 geändert worden, ohne dass sich dies auswirke. § 5a Abs. 2 Satz 1 UWG a.F. und § 5a Abs. 1 UWG n.F. setzten Art. 7 Abs. 1 UGP-RL 2005/29/EG um. Danach gelte eine Geschäftspraxis als irreführend, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände und der Beschränkungen des Kommunikationsmediums wesentliche Informationen vorenthalte, die der Durchschnittsverbraucher je nach den Umständen benötige, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und die somit ihn mindestens zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlassen könne, die er sonst nicht getroffen hätte. Die in der Neufassung nicht mehr enthaltene Präzisierung „im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände“ sei richtlinienkonform gleichwohl zu berücksichtigen und ergebe sich auch aus der Einschränkung „nach den jeweiligen Umständen“ in § 5a Abs. 1 Nr. 1 UWG n.F. (Rz. 7–11 m.w.N.).

Unwesentlichkeit der Sterneaufschlüsselung: Bei der begehrten Aufschlüsselung handle es sich – jedenfalls in der hier zu beurteilenden Konstellation – nicht um eine „wesentliche Information“. Sie sei nicht schon allein deshalb wesentlich, weil sie für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers von Bedeutung sein könne, sondern nur dann, wenn ihre Angabe unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen vom Unternehmer erwartet werden könne und ihr für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers zudem ein erhebliches Gewicht zukomme. Dies richte sich nach dem Erwartungs- und Verständnishorizont des Durchschnittsverbrauchers (Rz. 12 ff. m.w.N.).

Geringer Informationsgewinn: Bei der Vermarktung im Internet spielten Kundenbewertungen eine bedeutende Rolle (vgl. Erwgrd. 47 der Omnibus-RL [EU] 2019/2161; BT-Drucks. 19/27873, 36). Zwar stelle die Sterneaufschlüsselung eine für den Verbraucher nützliche Information dar, weil sie auf einen Blick veranschauliche, ob die Einzelbewertungen insgesamt eher nah beieinanderlägen, wie stark sie variierten und ob es viele negative Bewertungen gebe. Auch bei einer guten Durchschnittszahl gebe es der Erfahrung nach in aller Regel einzelne sehr schlechte Bewertungen. Anhand der Angabe von Gesamtzahl und Zeitraum der berücksichtigten Bewertungen könne die Aussagekraft der Durchschnittsbewertung ausreichend beurteilt werden. Der Aufschlüsselung komme hingegen kein erhebliches Gewicht zu (Rz. 16 ff.).

Kein falscher Maßstab des Verkehrsverständnisses: Die Plattformbetreiberin habe mit der durchschnittlichen Sternebewertung von Immobilienmaklern in ihrer Gesamtheit durch verschiedene Maklerkunden geworben. Daher bestehe – anders als bei der Werbung mit Testsiegeln oder Prüfzeichen (vgl. BGH v. 15.4.2021 – I ZR 134/20 – Testsiegel auf Produktabbildung Rz. 14 f. m.w.N., MMR 2021, 629) – keine Situation, in der sich die bewerteten Dienstleistungen in das Umfeld anderer, durch dieselbe neutrale Stelle geprüfter Dienstleistungen einfügten. Auch stelle sich bei den in der durchschnittlichen Sternebewertung zusammengefassten Kundenbewertungen nicht die Frage, anhand welcher einheitlich feststehender Bewertungskriterien diese erfolgt seien. Das Bewertungsergebnis mache die Qualität der Leistung mit der anderer Leistungen nicht in objektivierter Weise vergleichbar (Rz. 21 ff.).

Ausreichender Rückschluss auf zuverlässige Leistung: Der angesprochene Verbraucher wisse, dass einer durchschnittlichen Sternebewertung in aller Regel unterschiedlich gute und schlechte Bewertungen zugrunde lägen, und er könne anhand von Gesamtzahl und Zeitraum der berücksichtigten Bewertungen auch ohne Kenntnis von der Verteilung ausreichend den Rückschluss auf eine zuverlässige bzw. konstante Leistung des Werbenden ziehen. Der begehrten Aufschlüsselung ließen sich die Bewertungsgründe nicht entnehmen. Eine Bewertungsbegründung der Kunden sei nicht abgegeben worden (Rz. 24–27).


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