Autor: RA und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz Dr. Kristofer Bott, GvW Graf von Westphalen, Rechtsanwälte Steuerberater Partnerschaft mbB, Frankfurt/M.
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 12/2023
Zu den im Rahmen des § 12 S. 1, Alt. 2 BGB zu berücksichtigenden Interessen desjenigen, der einen fremden Namen an sich unbefugt nutzt, zählen nicht nur namens- und kennzeichenrechtlich geschützte, sondern sämtliche rechtlich geschützten Interessen (Abgrenzung zu BGH v. 6.11.2013 – I ZR 153/12 – sr.de).
BGB § 12 Das Problem
Ein Unternehmen nennt sich energy COLLECT GmbH & Co KG. Ein Geschäftsbereich des Unternehmens ist das Inkasso im Energiemarkt. Ein anderes Unternehmen, in derselben Branche tätig, heißt so ähnlich, on-collect solutions AG. Deren einziges Vorstandsmitglied hat lange, rund 10 Jahre vor Aufnahme der Geschäftstätigkeit der energy COLLECT GmbH & Co KG unter dieser Firma, zwei Domains mit deren kennzeichenmäßigem Bestandteil registriert: „energycollect.de“ und „energy-collect.de“. Die on-collect solutions AG nutzt diese Domains, um Eingaben mittels URL-Redirects auf die eigene Webseite um- und weiterzuleiten. energy COLLECT verlangt vom Domaininhaber die Löschung der Domains. Das Landgericht gibt der Klage statt (LG Mannheim, Urt. v. 28.5.2021 – 7 O 6/21), das Berufungsgericht bestätigt das Urteil (OLG Karlsruhe, Urt. v. 8.6.2022 – 6 U 163/21): Nach dem MarkenG kann zwar die Löschung einer Domain nicht verlangt werden. Der Anspruch, so die Instanzgerichte – deren Urteile leider, soweit ersichtlich, nicht veröffentlicht sind –, bestehe aber gem. § 12 BGB. Die Klägerin habe ein Namensrecht, die – wenn auch lange zuvor aufgenommene – Benutzung der Domains durch das Unternehmen des Beklagten und diesen selbst sei unbefugt, namensrechtlich relevante und schutzwürdige Interessen des Beklagten stünden nicht dagegen. Die Entscheidung des Gerichts
Der Bundesgerichtshof hebt das Berufungsurteil auf und verweist zurück: Das Berufungsgericht habe verkannt, dass bei der Prüfung von Ansprüchen aus § 12 BGB zugunsten des Beklagten nicht nur namens- und kennzeichenrechtliche, sondern sämtliche grundsätzlich schutzwerten Interessen zu berücksichtigen seien. Zwar stünde in der Tat der Klägerin ein Namensrecht an der Bezeichnung „energy collect“ zu, die vom Beklagten „unbefugt“ verwendet werde, was auch eine Zuordnungsverwirrung zur Folge habe. Die zusätzlich erforderliche Interessenabwägung dürfe aber, so der BGH, nicht schon deshalb zu Lasten des Beklagten ausfallen, weil dieser keine namens- oder kennzeichenrechtlich geschützten Interessen dargelegt habe. Die Benutzung zur Weiterleitung auf die eigene Webseite gebe dem Beklagten zwar kein Namens- oder Kennzeichenrecht, sei aber unter den Umständen des Falles durchaus legitim, insbesondere, weil bereits lange vor Benutzungsaufnahme der als Unternehmenskennzeichen geschützten Bezeichnung „energy COLLECT“ durch die Klägerin erfolgt. Die Klägerin hätte sich, so der BGH, einen Namen suchen können, für den entsprechende Domains verfügbar waren. Die vom Beklagten zur Verteidigung angeführten Umstände waren offenbar streitig, so dass das der BGH zurückverwiesen und das Berufungsgericht nun noch einmal über den Fall zu entscheiden hat.