BGH, Urt. 26.1.2023 - I ZR 56/19
Zur Verwirkung von markenrechtlichen Ansprüchen
Autor: Rechtsanwalt Sebastian Trost, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz sowie Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, LST Schuhmacher & Partner, Köln
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 04/2023
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 04/2023
Eine erfolglose Abmahnung ist zur Abwendung einer markenrechtlichen Verwirkung nur geeignet, sofern der Anspruchssteller anschließend innerhalb einer angemessenen Zeit behördliche oder gerichtliche Rechtsbehelfe ergreift. Die Einreichung einer Klage unterbricht die Frist für den Eintritt der Verwirkung durch Duldung nicht, wenn die Klage nicht den formalen Anforderungen genügt und die Mängel aufgrund mangelnder Sorgfalt des Anspruchsstellers nicht rechtzeitig behoben werden. Die Verwirkung erstreckt sich auf sämtliche gleichartigen Benutzungsformen während des Duldungszeitraumes und schließt alle markenrechtlichen Folge- und Nebenansprüche mit ein.
Verordnung (EG) Nr. 207/2009 Art. 8, 54, 110, 111; Richtlinie 2008/95/EG Art. 9; MarkenG §§ 21, 125b
Das LG Nürnberg-Fürth (LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 9.12.2015 – 4 HKO 10266/12) und das OLG Nürnberg (OLG Nürnberg, Urt. v. 5.2.2019 – 3 U 24/16) hielten die Klageansprüche in dieser konkreten Konstellation für verwirkt. Im Revisionsverfahren legte der BGH dem EuGH zunächst mehrere Fragen zu den Anforderungen an die Beendigung der Duldung einer Markenverletzung zur Vorabentscheidung vor (BGH, Beschl. v. 23.7.2020 – I ZR 56/19, MDR 2020, 1457 = WRP 2020, 1449 – HEITEC II), die der EuGH mit Urteil v. 19.5.2022 – C-466/20, WRP 2022, 840 – HEITEC, s. Anm. Bott, IPRB 2022, 181 f.) beantwortete.
Nach Ansicht des Senates habe die Klägerin die Benutzung der angegriffenen Zeichen über einen Zeitraum von fünf aufeinander folgenden Jahren geduldet, ohne rechtzeitig ausreichende Maßnahmen zur Unterbindung der Zeichenbenutzung zu ergreifen. Grundsätzlich wäre die Einreichung einer Klage nach der erfolglosen Abmahnung zwar geeignet gewesen, den Duldungszeitraum zu beenden. Allerdings hätte der Rechtsbehelf dafür den eindeutigen Willen der Klägerin widerspiegeln müssen, sich der angegriffenen Zeichenbenutzung ernsthaft zu widersetzen. Im vorliegenden Fall hätten an dieser Absicht Zweifel wegen den zunächst fehlenden Zustellungserfordernissen der Klage bestanden. Unter diesen Umständen habe der Eintritt einer Verwirkung erst durch die Behebung der formalen Mängel verhindert werden können. Die Klägerin habe die Mängel aufgrund mangelnder Sorgfalt jedoch erst verspätet nach Ablauf der Frist für den Eintritt der Verwirkung durch Duldung behoben. Nach Ansicht des Senats erfasse die damit eingetretene Verwirkung sämtliche gleichartigen Benutzungsformen innerhalb des Duldungszeitrahmens und erstrecke sich auch auf die markenrechtlichen Folgeansprüche.
Verordnung (EG) Nr. 207/2009 Art. 8, 54, 110, 111; Richtlinie 2008/95/EG Art. 9; MarkenG §§ 21, 125b
Das Problem
Die Klägerin firmiert seit dem Jahre 1984 mit dem Bestandteil „HEITEC“ und ist Inhaberin der im März 1998 angemeldeten Unionswortmarke „HEITEC“. Die Beklagte wurde im April 2003 unter der Firma „HEITECH Promotion GmbH“ in das Handelsregister eingetragen und nutzt diese seither. Sie ist u.a. Inhaberin der im Februar 2008 angemeldeten und seit dem Mai 2009 genutzten Unions-Wort-Bildmarke „HEITECH“. Die Klägerin erfuhr im Juli 2008 von der Anmeldung dieser Unionsmarke und mahnte die Beklagte im April 2009 wegen der Verwendung des Unternehmenskennzeichens und der Marke „HEITECH“ erfolglos ab. In ihrer Antwort vom 6.5.2009 schlug die Beklagte lediglich den Abschluss einer Abgrenzungs- und Vorrechtsvereinbarung vor. Am 31.12.2012 reichte die Klägerin per Fax eine Klage wegen markenrechtlicher Unterlassungs- und Annexansprüche gegen die Beklagte ein. Die Klage wurde erst am 23.5.2014 zugestellt, u.a. wegen einer verzögerten Zahlung der Gerichtskosten sowie einer fehlenden Einreichung der Originale der Klageschrift.Das LG Nürnberg-Fürth (LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 9.12.2015 – 4 HKO 10266/12) und das OLG Nürnberg (OLG Nürnberg, Urt. v. 5.2.2019 – 3 U 24/16) hielten die Klageansprüche in dieser konkreten Konstellation für verwirkt. Im Revisionsverfahren legte der BGH dem EuGH zunächst mehrere Fragen zu den Anforderungen an die Beendigung der Duldung einer Markenverletzung zur Vorabentscheidung vor (BGH, Beschl. v. 23.7.2020 – I ZR 56/19, MDR 2020, 1457 = WRP 2020, 1449 – HEITEC II), die der EuGH mit Urteil v. 19.5.2022 – C-466/20, WRP 2022, 840 – HEITEC, s. Anm. Bott, IPRB 2022, 181 f.) beantwortete.
Die Entscheidung des Gerichtes
Die Revision bleibt erfolglos. Der BGH kommt wie die Vorinstanzen zu dem Ergebnis, dass die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche verwirkt seien.Nach Ansicht des Senates habe die Klägerin die Benutzung der angegriffenen Zeichen über einen Zeitraum von fünf aufeinander folgenden Jahren geduldet, ohne rechtzeitig ausreichende Maßnahmen zur Unterbindung der Zeichenbenutzung zu ergreifen. Grundsätzlich wäre die Einreichung einer Klage nach der erfolglosen Abmahnung zwar geeignet gewesen, den Duldungszeitraum zu beenden. Allerdings hätte der Rechtsbehelf dafür den eindeutigen Willen der Klägerin widerspiegeln müssen, sich der angegriffenen Zeichenbenutzung ernsthaft zu widersetzen. Im vorliegenden Fall hätten an dieser Absicht Zweifel wegen den zunächst fehlenden Zustellungserfordernissen der Klage bestanden. Unter diesen Umständen habe der Eintritt einer Verwirkung erst durch die Behebung der formalen Mängel verhindert werden können. Die Klägerin habe die Mängel aufgrund mangelnder Sorgfalt jedoch erst verspätet nach Ablauf der Frist für den Eintritt der Verwirkung durch Duldung behoben. Nach Ansicht des Senats erfasse die damit eingetretene Verwirkung sämtliche gleichartigen Benutzungsformen innerhalb des Duldungszeitrahmens und erstrecke sich auch auf die markenrechtlichen Folgeansprüche.