BGH, Urt. 27.4.2022 - VIII ZR 304/21

Wohngemeinschaft: Wann müssen Vermieter dem Austausch von Mietern zustimmen?

Autor: RA FAMuWR FABau/ArchR Mathias Münch, BRL BOEGE ROHDE LUEBBEHUESEN, Berlin
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 07/2022
Allein aus der Vermietung an mehrere Personen und der erteilten Zustimmung zu einem Mieterwechsel ist nicht zu schließen, dass ein Anspruch auf Zustimmung zu weiteren Mieterwechseln vereinbart ist. Nur wenn die Parteien übereinstimmend davon ausgehen, dass sich die Zusammensetzung der Mieterschaft oft und in kurzen Zeitabständen ändert, und wenn absehbar ist, dass einzelne Mieter den Wohnraum nur für kurze Zeit benötigen, kann von einem vertraglich vereinbarten Recht zum Mieterwechsel ausgegangen werden.

BGB §§ 133, 157, 540, 553

Das Problem

2013 mieteten sechs Personen eine Wohnung in Berlin. Schon vor Vertragsunterzeichnung wurde einer der Mieter durch eine andere Person ausgetauscht. 2017 vereinbarten die Parteien, dass fünf der sechs Mieter aus dem Mietvertrag entlassen werden, einer der ursprünglichen Mieter in der Wohnung verbleibt und sechs weitere Mieter in den Vertrag eintreten. Wenig später wurde erneut ein Mieter ausgetauscht. 2019 verlangten die Mieter vom Vermieter die Zustimmung zum Austausch weiterer vier Personen. Die vier ausscheidenden Mieter waren bereits aus der Wohnung aus- und die vier neuen eingezogen.

Die Entscheidung des Gerichts

Nachdem das LG dem Vermieter Recht gegeben hatte, wies der BGH die Revision der Mieter zurück und verwarf zugleich das Argument, durch eine Vermietung an eine Wohngemeinschaft und/oder durch spätere Zustimmung zum Mieterwechsel habe der Vermieter sich auch für die Zukunft gebunden. Der BGH stellt fest, dass sich weder aus dem Mietvertrag noch aus etwaigen Nachträgen ausdrücklich ein Anspruch auf Zustimmung zu einem Mieterwechsel ergeben habe. Die Parteivereinbarungen seien nach den Umständen des Einzelfalls und nach §§ 133, 157 BGB auszulegen. Eine allgemein für alle Wohngemeinschaften geltende, schematische Betrachtung verbiete sich. Ein Recht zum Mieterwechsel ohne Zustimmung des Vermieters oder sogar eine antizipierte Zustimmung lägen zwar im Interesse der Mieter: Diese könnten das Mietverhältnis flexibel gestalten und ohne größeren Aufwand und ohne Kündigung den Mietvertrag mit einzelnen ihrer Mitglieder beenden. Dagegen habe ein einseitiges Recht zum Mieterwechsel ohne den Willen des Vermieters für diesen erhebliche Nachteile. So trage er das wirtschaftliche Risiko, wenn sich durch den Austausch von Mietern die Solvenz der Gemeinschaft insgesamt ändert. Außerdem werde die Dispositionsfreiheit des Vermieters an seiner eigenen Wohnung erheblich eingeschränkt und eine Neuvermietung und anderweitige Nutzung erschwert. Deshalb dürfe allein aus der Interessenlage der Mieter oder allein aus der Tatsache, dass an mehrere Personen vermietet wurde oder dass der Vermieter bereits einem Mieterwechsel zugestimmt hat, nicht geschlossen werden, dass es ihm auf die Person des Mieters nicht ankomme und er mit zukünftigen Mieterwechseln einverstanden sein werde.


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