BGH, Urt. 27.7.2017 - I ZR 68/16

Konkretisierung der sekundären Darlegungslast bei Tauschbörsen

Autor: RA Markus Rössel, LL.M. (Informationsrecht), Köln
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 10/2017
Der Inhaber eines Internetanschlusses hat nachvollziehbar vorzutragen, welche Personen mit Rücksicht auf Nutzerverhalten, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, die fragliche Verletzungshandlung ohne Wissen und Zutun des Anschlussinhabers zu begehen.

BGH, Urt. v. 27.7.2017 - I ZR 68/16

Vorinstanz: LG Bochum, Urt. v. 19.2.2016 - I-5 S 81/15
Vorinstanz: AG Bochum, Urt. v. 28.5.2015 - 40 C 21/15

UrhG § 97 Abs. 2 Satz 1

Das Problem

Ein Ego-Shooter-Computerspiel wurde über einen Internetanschluss in einer Tauschbörse im Internet zum Herunterladen angeboten. Der Anschlussinhaber gab an, dass seine Ehefrau den mittels eines passwortgeschützten WPA2-Routers betriebenen Internetanschluss täglich für ihre berufliche Tätigkeit als Ärztin, für Emails, Onlinebanking, Nachrichtenseiten und Streaming wie „Youtube” benutzte. Seine Ehefrau habe ihre Täterschaft abgestritten. Auf den Computern im Haushalt habe sich das Spiel nicht befunden.

Die Entscheidung des Gerichts

Der Anschlussinhaber sei nicht zur Zahlung von Schadensersatz nach § 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG verpflichtet.

Sekundäre Darlegungslast: Der Anschlussinhaber habe ausreichend dargelegt, dass seine Ehefrau als Täterin in Betracht komme, weil sie den Internetanschluss eigenständig und regelmäßig u.a. zum Besuch von Streamingportalen genutzt habe. Er habe behauptet, seine Ehefrau befragt zu haben, die die Vornahme der beanstandeten Handlungen in Abrede gestellt habe. Er habe ferner darauf verwiesen, die im Haushalt vorhandenen Computer ergebnislos nach dem Computerspiel durchsucht zu haben. Dass er keinen näheren Vortrag dazu gehalten habe, was seine Ehefrau zu den behaupteten Tatzeitpunkten getan habe, wirke sich angesichts des bis zur Abmahnung verstrichenen Zeitraums von fast zwei Monaten nicht zu seinem Nachteil aus. Ihm sei nicht abzuverlangen, die Internetnutzung seiner Ehepartnerin einer Dokumentation zu unterwerfen (vgl. BGH v. 16.10.2016 – I ZR 154/15 – Afterlife, Rz. 26, ITRB 2017, 100).

Typische Spielnutzung: Die Behauptung, das Computerspiel werde nahezu ausnahmslos von nicht akademisch gebildeten Männern im Jugend- bis Erwachsenenalter gespielt, stehe selbst im Fall ihres Beweises der Feststellung des Berufungsgerichts, dass eine Täterschaft der Ehefrau auch mit Blick auf die Art des Computerspiels nicht ausscheide, nicht entgegen.

Keine Beweislastumkehr: Habe der Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast durch hinreichend konkreten Vortrag zur Möglichkeit der Täterschaft seiner Ehefrau genüge getan, verbleibe die Darlegungs- und Beweislast für die Täterschaft des Anschlussinhabers bei der Rechteinhaberin.

Beweisfälligkeit trotz Zeugnisverweigerung: Sie habe den ihr obliegenden Beweis nicht führen können, weil sich die auf ihren Antrag als Zeugin vernommene Ehefrau des Anschlussinhabers auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht gem. § 383 Abs. 1 Nr. 2 ZPO berufen habe. Dies könne nicht ausnahmsweise zu Lasten des Anschlussinhabers gewertet werden, weil es an konkreten anderweitigen Indizien für die Täterschaft fehle, die eine nachteilige Beweiswürdigung rechtfertigten (vgl. BGH v. 18.10.1993 – II ZR 255/92, NJW 1994, 197; BGH v. 12.7.1979 – 4 StR 291/79, NJW 1980, 794). Es liege auch keine zurechenbare Beweisvereitelung vor.


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