BGH, Urt. 28.6.2018 - I ZR 221/16
Markenrechtliche Erschöpfung bei Mehrzahl von Marken auf Versandkarton des Wiederverkäufers
Autor: RA Michael Alber, von BOETTICHER Rechtsanwälte, Berlin
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 03/2019
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 03/2019
Verwendet ein Wiederverkäufer eine Mehrzahl von Marken auf dem Versandkarton, in dem sich Produkte befinden, die nicht mit einer dieser Marken gekennzeichnet sind, so liegt der für die Erschöpfung des Rechts an diesen Marken erforderliche konkrete Produktbezug vor, wenn der Verkehr angesichts des Versandkartons annimmt, der Wiederverkäufer vertreibe Produkte aller dort genannten Marken, sofern dies tatsächlich der Fall ist.Für das einer Erschöpfung des Markenrechts entgegenstehende berechtigte Interesse des Markeninhabers, sich der Werbung eines Wiederverkäufers zu widersetzen, kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die Form dieser Werbung in der Branche des Wiederverkäufers unüblich ist. Zu prüfen ist vielmehr, ob die konkrete Werbung die Herkunfts- oder Garantiefunktion der Marke berührt, ihre Unterscheidungskraft ausnutzt oder ihren Ruf beeinträchtigt.
BGH, Urt. v. 28.6.2018 - I ZR 221/16 „beauty for less”
Vorinstanz: OLG Stuttgart, Urt. v. 6.10.2016 - 2 U 31/16
VO (EG Nr. 207/2009) (GMV) Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a, Art. 13, Art. 22 Abs. 3; VO (EG Nr. 2017/1001) (UMV) Art. 9 Abs. 2 Buchst. a, Art. 15, Art. 25 Abs. 3
Zu Recht sei das OLG Stuttgart in seiner Entscheidung zu dem Ergebnis gelangt, dass im vorliegenden Fall von einer Verletzung der Klagemarken aufgrund Erschöpfung i.S.d. Artt. 15, 25 UMV nicht auszugehen sei. So liege hier entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin keine unternehmensbezogene Benutzung, sondern eine Benutzung für Waren durch konkrete Bezugnahme auf das jeweilige Originalprodukt i S d Art. 15 Abs. 1 UMV vor. Für die Abgrenzung beider Nutzungsarten sei die Wahrnehmung der jeweiligen Benutzung durch den Verkehr maßgeblich. Nehme der Verkehr das genutzte Zeichen in seiner konkreten Benutzung als Herkunftshinweis für ein beworbenes Produkt wahr, müsse er von einer Benutzung der Marke zumindest auch als Unterscheidungszeichen für Waren ausgehen. Diese Voraussetzung sei im hiesigen Fall gegeben: Angesichts des Abdrucks der unterschiedlichen Marken auf dem Versandkarton der Beklagten gehe der Verkehr davon aus, dass die Beklagte grundsätzlich Produkte der betroffenen Marken vertreibe. Die mit der Versandverpackung zugunsten des Unternehmens der Beklagten – in Form eines Hinweises auf die große Sortimentsbreite – erzielte Werbewirkung stehe dem nicht entgegen. Selbiges gilt auch für den Umstand, dass der Adressat der streitgegenständlichen Werbung sich zum Wahrnehmungszeitpunkt bereits für einen Kauf entschieden habe. Der Betreffende sei nämlich auch in seiner Eigenschaft als bereits bestehender Kunde weiterhin tauglicher Adressat von Werbehandlungen der Beklagten zwecks Förderung künftiger Bestellungen.
Dass eine Werbehandlung sich nicht auf ein bestimmtes Produkt oder gar konkretes Warenstück beziehe, sei unschädlich. Die Erschöpfung erstrecke sich auch auf das sog. markenrechtliche Ankündigungsrecht, wonach unter Verwendung der jeweiligen Marke werblich auf die mit der Marke gekennzeichneten Produkte hingewiesen werden dürfe, wobei es nicht erforderlich sei, dass der Werbende die betreffenden Produkte zu diesem Zeitpunkt bereits vorrätig habe (BGH, Urt. v. 17.7.2003 – I ZR 256/00 – Vier Ringe über Audi, GRUR 2003, 878,[879 f.]). Ein im Wiederverkauf von Waren unterschiedlicher Marken tätiges Unternehmen sei in der Praxis schließlich darauf angewiesen, den Verkehr über seine Geschäftstätigkeit mithilfe von Werbung zu allen im Angebot geführten Marken zu informieren. Die markenrechtliche Erschöpfung könne insoweit auch keinen konkretisierten Produktbezug voraussetzen.
Einer von der markenrechtlichen Erschöpfung erfassten produktbezogenen Markenbenutzung stehe auch nicht entgegen, dass die Beklagte die Klagemarken – wie die Klägerin in ihrer Revision eingewandt hat – (auch) zur Kennzeichnung der im Versandkarton enthaltenen Waren anderer Unternehmen nutze. Eine solche Benutzung für die Waren anderer Unternehmen könne nämlich angesichts der abweichenden tatrichterlichen Würdigung seitens des Berufungsgerichts, die die Klägerin mit ihrer Revision inhaltlich nicht angegriffen habe, revisionsrechtlich nicht (mehr) festgestellt werden. Eine Beeinträchtigung berechtigter Interessen der Klägerin i.S.d. Art. 15 Abs. 2 UMV, die einer Erschöpfung gem. Art. 15 Abs. 1 UMV im konkreten Fall entgegenstehen könne, sei nicht ersichtlich. Unabhängig davon, dass die Klägerin die angebliche Unüblichkeit der Werbung der Beklagten nicht habe beweisen können, ließe sich alleine aus dem Vorliegen einer unüblichen Werbung ohnehin keine Beeinträchtigung der berechtigten Interessen des Markeninhabers gem. Art. 15 Abs. 2 UMV ableiten. Eine solche setze vielmehr voraus, dass erwiesen sei, dass die konkrete Art und Weise der Nutzung einer Marke in der Werbung deren Herkunfts- und Garantiefunktion tangiere, die Unterscheidungskraft ausnutze oder den Ruf der Marke beeinträchtige (EuGH, Urt. v. 8.7.2010 – C-558/08 – Portakabin/Primakabin, Rz. 79f.). Die Einschätzung des OLG Stuttgart, wonach keine dieser Fallgruppen vorliege, insbesondere in der falschen Schreibweise der Marke „Jean Paul Gaultier” keine wesentliche Beeinträchtigung gerade der klägerischen Interessen zu sehen sei, habe die Klägerin nicht in der revisionsrechtlich erforderlichen Weise anzugreifen vermocht.
BGH, Urt. v. 28.6.2018 - I ZR 221/16 „beauty for less”
Vorinstanz: OLG Stuttgart, Urt. v. 6.10.2016 - 2 U 31/16
VO (EG Nr. 207/2009) (GMV) Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a, Art. 13, Art. 22 Abs. 3; VO (EG Nr. 2017/1001) (UMV) Art. 9 Abs. 2 Buchst. a, Art. 15, Art. 25 Abs. 3
Problem
Die Beklagte ist im Onlinevertrieb von Parfümerie- und Kosmetikprodukten u.a. der Marken „JOOP” und „DAVIDOFF” tätig. Die Beklagte hat im Rahmen dieser Tätigkeit Bestellungen in einem Karton versandt, auf dem neben den Klagemarken auch zahlreiche weitere Marken anderer Hersteller und der Werbeslogan „beauty for less” abgedruckt waren. Für eine der weiteren Marken verwendete die Beklagte dabei eine falsche Schreibweise („Gautier” statt „Gaultier”). Gegen diese Nutzung der vorgenannten Marken ging die Klägerin als ausschließliche Nutzungsrechtsinhaberin zunächst außergerichtlich und im Anschluss gerichtlich – unter Geltendmachung von Unterlassungs?, Auskunfts?, Kostenerstattungs- und Schadensersatzfeststellungsansprüchen – vor. Ihrer Auffassung nach könne sich die Beklagte schon deshalb nicht auf eine markenrechtliche Erschöpfung berufen, da sie die Klagemarken nicht produktbezogen, sondern unternehmensbezogen benutzt habe. Jedenfalls aber seien durch die streitgegenständliche Werbenutzung berechtigte Interessen der Klägerin verletzt worden, da die Beklagte damit auf eine im relevanten Markt angeblich unübliche Werbung zurückgegriffen habe. Sowohl das LG als auch das OLG Stuttgart haben die Klage vollumfänglich zurückgewiesen.Lösung des Gerichts
Der BGH hat auch die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin zurückgewiesen.Zu Recht sei das OLG Stuttgart in seiner Entscheidung zu dem Ergebnis gelangt, dass im vorliegenden Fall von einer Verletzung der Klagemarken aufgrund Erschöpfung i.S.d. Artt. 15, 25 UMV nicht auszugehen sei. So liege hier entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin keine unternehmensbezogene Benutzung, sondern eine Benutzung für Waren durch konkrete Bezugnahme auf das jeweilige Originalprodukt i S d Art. 15 Abs. 1 UMV vor. Für die Abgrenzung beider Nutzungsarten sei die Wahrnehmung der jeweiligen Benutzung durch den Verkehr maßgeblich. Nehme der Verkehr das genutzte Zeichen in seiner konkreten Benutzung als Herkunftshinweis für ein beworbenes Produkt wahr, müsse er von einer Benutzung der Marke zumindest auch als Unterscheidungszeichen für Waren ausgehen. Diese Voraussetzung sei im hiesigen Fall gegeben: Angesichts des Abdrucks der unterschiedlichen Marken auf dem Versandkarton der Beklagten gehe der Verkehr davon aus, dass die Beklagte grundsätzlich Produkte der betroffenen Marken vertreibe. Die mit der Versandverpackung zugunsten des Unternehmens der Beklagten – in Form eines Hinweises auf die große Sortimentsbreite – erzielte Werbewirkung stehe dem nicht entgegen. Selbiges gilt auch für den Umstand, dass der Adressat der streitgegenständlichen Werbung sich zum Wahrnehmungszeitpunkt bereits für einen Kauf entschieden habe. Der Betreffende sei nämlich auch in seiner Eigenschaft als bereits bestehender Kunde weiterhin tauglicher Adressat von Werbehandlungen der Beklagten zwecks Förderung künftiger Bestellungen.
Dass eine Werbehandlung sich nicht auf ein bestimmtes Produkt oder gar konkretes Warenstück beziehe, sei unschädlich. Die Erschöpfung erstrecke sich auch auf das sog. markenrechtliche Ankündigungsrecht, wonach unter Verwendung der jeweiligen Marke werblich auf die mit der Marke gekennzeichneten Produkte hingewiesen werden dürfe, wobei es nicht erforderlich sei, dass der Werbende die betreffenden Produkte zu diesem Zeitpunkt bereits vorrätig habe (BGH, Urt. v. 17.7.2003 – I ZR 256/00 – Vier Ringe über Audi, GRUR 2003, 878,[879 f.]). Ein im Wiederverkauf von Waren unterschiedlicher Marken tätiges Unternehmen sei in der Praxis schließlich darauf angewiesen, den Verkehr über seine Geschäftstätigkeit mithilfe von Werbung zu allen im Angebot geführten Marken zu informieren. Die markenrechtliche Erschöpfung könne insoweit auch keinen konkretisierten Produktbezug voraussetzen.
Einer von der markenrechtlichen Erschöpfung erfassten produktbezogenen Markenbenutzung stehe auch nicht entgegen, dass die Beklagte die Klagemarken – wie die Klägerin in ihrer Revision eingewandt hat – (auch) zur Kennzeichnung der im Versandkarton enthaltenen Waren anderer Unternehmen nutze. Eine solche Benutzung für die Waren anderer Unternehmen könne nämlich angesichts der abweichenden tatrichterlichen Würdigung seitens des Berufungsgerichts, die die Klägerin mit ihrer Revision inhaltlich nicht angegriffen habe, revisionsrechtlich nicht (mehr) festgestellt werden. Eine Beeinträchtigung berechtigter Interessen der Klägerin i.S.d. Art. 15 Abs. 2 UMV, die einer Erschöpfung gem. Art. 15 Abs. 1 UMV im konkreten Fall entgegenstehen könne, sei nicht ersichtlich. Unabhängig davon, dass die Klägerin die angebliche Unüblichkeit der Werbung der Beklagten nicht habe beweisen können, ließe sich alleine aus dem Vorliegen einer unüblichen Werbung ohnehin keine Beeinträchtigung der berechtigten Interessen des Markeninhabers gem. Art. 15 Abs. 2 UMV ableiten. Eine solche setze vielmehr voraus, dass erwiesen sei, dass die konkrete Art und Weise der Nutzung einer Marke in der Werbung deren Herkunfts- und Garantiefunktion tangiere, die Unterscheidungskraft ausnutze oder den Ruf der Marke beeinträchtige (EuGH, Urt. v. 8.7.2010 – C-558/08 – Portakabin/Primakabin, Rz. 79f.). Die Einschätzung des OLG Stuttgart, wonach keine dieser Fallgruppen vorliege, insbesondere in der falschen Schreibweise der Marke „Jean Paul Gaultier” keine wesentliche Beeinträchtigung gerade der klägerischen Interessen zu sehen sei, habe die Klägerin nicht in der revisionsrechtlich erforderlichen Weise anzugreifen vermocht.