BGH, Urt. 2.3.2017 - I ZR 30/16
Fehlende Zeichenähnlichkeit wegen abweichenden Begriffsinhalts der Zeichen
Autor: RA Dr. Kay Oelschlägel, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Hamburg
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 07/2018
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 07/2018
Für die Beurteilung, ob eine Wortmarke oder deren Bestandteile die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen beschreiben, kommt es ausschließlich auf die Sicht des angesprochenen Verkehrs an. Eine Verwechslungsgefahr kann ausnahmsweise trotz klanglicher oder schriftbildlicher Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen wegen eines ohne weiteres erkennbaren eindeutigen abweichenden Begriffsinhaltes der Zeichen zu verneinen sein. Ein Sinngehalt, der sich erst nach analytischer Betrachtung ergibt, reicht hierfür jedoch nicht aus.
BGH, Urt. v. 2.3.2017 - I ZR 30/16
Vorinstanz: OLG Hamm, Urt. v. 15.12.2015 - I-4 U 77/15
Vorinstanz: LG Bielefeld, Urt. v. 6.3.2015 - 17 U 12/15
MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 2
Verwechslungsgefahr: Die Frage, ob eine Verwechslungsgefahr i.S.v. § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vorliege, sei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei bestehe eine Verwechslungsgefahr zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Identität oder der Ähnlichkeit der Zeichen und der Identität oder der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke. Die Klagemarke beziehe sich ebenso wie das Zeichen des Apothekers auf die Dienstleistungen eines Apothekers. Insoweit bestehe Identität.
Kennzeichnungskraft: Bei der Bestimmung der Kennzeichnungskraft der Klagemarke sei auf den Gesamteindruck des Zeichens abzustellen. Der Verkehr neige in der Regel nicht zu einer zergliedernden und analysierenden Betrachtung eines Zeichens. Marken, die für die angesprochenen Verkehrskreise erkennbar an beschreibende Angaben angelehnt seien, verfügten nur über eine geringe Kennzeichnungskraft.
Der Wortbestandteil der Klagemarke „Apotheke” sei rein beschreibend. Der Wortbestandteil „Medicon” der Klagemarke sei der deutschen Sprache fremd und daher ein Kunstwort. Auch verstehe der angesprochene Verkehrskreis das Zeichen nicht als Kombination der Wortbestandteile „Medi” und „con”. Für ein unterstelltes Verständnis des angesprochenen Verkehrs, dass dieser den Wortbestandteil „Medi” als Abkürzung des beschreibenden Begriffs „Medizin” verstehe und den Wortbestandteil „con” als Abkürzung des Begriffs „Consulting”, reiche es nicht aus, welche Bedeutung der Markeninhaber dem Markenwort beimesse. Maßgeblich sei ausschließlich die Sicht des angesprochenen Verkehrs. Der Durchschnittsverbraucher verstehe allerdings den Begriff „con” nicht als eine Abkürzung für den Begriff „Consulting”. Insofern könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Begriff „Medicon” ein rein beschreibender Begriff für medizinische Beratung sei und daher nur unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft besäße. Vielmehr sei von einer mindestens durchschnittlichen Kennzeichnungskraft des Begriffs „Medicon” auszugehen.
Zeichenähnlichkeit: Zu vergleichen seien die Kunstworte „Medicon” und MediCo”. Die Frage der Ähnlichkeit beider gegenüberstehender Zeichen sei nach deren Ähnlichkeit im Klang, im Schriftbild oder in der Bedeutung zu beurteilen. Für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit sei in der Regel bereits die Ähnlichkeit in einem dieser Wahrnehmungsbereiche ausreichend. Allerdings könne eine nach dem Bild und/oder nach dem Klang zu bejahende Verwechslungsgefahr ausnahmsweise zu verneinen sein, wenn zumindest einem der Zeichen ein klar erkennbarer eindeutiger Sinngehalt zukomme. Dies setze jedoch ein die Zeichen unterscheidenden, ohne weiteres erkennbaren, konkreten Begriffsinhalt voraus. Ein Sinngehalt, der sich erst nach analytischer Betrachtung ergebe, reiche nicht. Danach seien die Begriffe „Medicon” und „MediCo” zu vergleichen. Der Wortteil „Medi” sei trotz beschreibender Anklänge an die Begriffe „Medikamente” „Medizin” und „medizinisch” für die Dienstleistung eines Apothekers nicht glatt beschreibend.
Vorliegend sei eine schriftbildliche und eine klangliche Zeichenähnlichkeit gegeben, die nicht durch einen Unterschied im Sinngehalt aufgehoben werde. Vor diesem Hintergrund sei bei vorliegender schriftbildlicher und zumindest geringfügig klanglicher Ähnlichkeit der Streitzeichen von einer markenrechtlichen Verwechslungsgefahr auszugehen.
BGH, Urt. v. 2.3.2017 - I ZR 30/16
Vorinstanz: OLG Hamm, Urt. v. 15.12.2015 - I-4 U 77/15
Vorinstanz: LG Bielefeld, Urt. v. 6.3.2015 - 17 U 12/15
MarkenG § 14 Abs. 2 Nr. 2
Das Problem
Ein Apotheker besitzt die Lizenz für die Marke „Medicon Apotheke”, für „medizinische Dienstleistungen, insbesondere Dienstleistungen eines Apothekers, Beratung in der Pharmazie”. Ein anderer Apotheker betreibt eine Apotheke unter der Bezeichnung „MediCo Apotheke” und unterhält unter der Domain „MediCo-Apotheke-p.” einen Internetauftritt, in dem die Bezeichnung „MediCo Apotheke” verwendet wird. Der Markenlizenzinhaber sieht in der Verwendung der Apothekenbezeichnung und der Domain des Apothekers eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen.Die Entscheidung des Gerichts
Der BGH hat der Revision des Markeninhabers stattgegeben, das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.Verwechslungsgefahr: Die Frage, ob eine Verwechslungsgefahr i.S.v. § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vorliege, sei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei bestehe eine Verwechslungsgefahr zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Identität oder der Ähnlichkeit der Zeichen und der Identität oder der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke. Die Klagemarke beziehe sich ebenso wie das Zeichen des Apothekers auf die Dienstleistungen eines Apothekers. Insoweit bestehe Identität.
Kennzeichnungskraft: Bei der Bestimmung der Kennzeichnungskraft der Klagemarke sei auf den Gesamteindruck des Zeichens abzustellen. Der Verkehr neige in der Regel nicht zu einer zergliedernden und analysierenden Betrachtung eines Zeichens. Marken, die für die angesprochenen Verkehrskreise erkennbar an beschreibende Angaben angelehnt seien, verfügten nur über eine geringe Kennzeichnungskraft.
Der Wortbestandteil der Klagemarke „Apotheke” sei rein beschreibend. Der Wortbestandteil „Medicon” der Klagemarke sei der deutschen Sprache fremd und daher ein Kunstwort. Auch verstehe der angesprochene Verkehrskreis das Zeichen nicht als Kombination der Wortbestandteile „Medi” und „con”. Für ein unterstelltes Verständnis des angesprochenen Verkehrs, dass dieser den Wortbestandteil „Medi” als Abkürzung des beschreibenden Begriffs „Medizin” verstehe und den Wortbestandteil „con” als Abkürzung des Begriffs „Consulting”, reiche es nicht aus, welche Bedeutung der Markeninhaber dem Markenwort beimesse. Maßgeblich sei ausschließlich die Sicht des angesprochenen Verkehrs. Der Durchschnittsverbraucher verstehe allerdings den Begriff „con” nicht als eine Abkürzung für den Begriff „Consulting”. Insofern könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Begriff „Medicon” ein rein beschreibender Begriff für medizinische Beratung sei und daher nur unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft besäße. Vielmehr sei von einer mindestens durchschnittlichen Kennzeichnungskraft des Begriffs „Medicon” auszugehen.
Zeichenähnlichkeit: Zu vergleichen seien die Kunstworte „Medicon” und MediCo”. Die Frage der Ähnlichkeit beider gegenüberstehender Zeichen sei nach deren Ähnlichkeit im Klang, im Schriftbild oder in der Bedeutung zu beurteilen. Für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit sei in der Regel bereits die Ähnlichkeit in einem dieser Wahrnehmungsbereiche ausreichend. Allerdings könne eine nach dem Bild und/oder nach dem Klang zu bejahende Verwechslungsgefahr ausnahmsweise zu verneinen sein, wenn zumindest einem der Zeichen ein klar erkennbarer eindeutiger Sinngehalt zukomme. Dies setze jedoch ein die Zeichen unterscheidenden, ohne weiteres erkennbaren, konkreten Begriffsinhalt voraus. Ein Sinngehalt, der sich erst nach analytischer Betrachtung ergebe, reiche nicht. Danach seien die Begriffe „Medicon” und „MediCo” zu vergleichen. Der Wortteil „Medi” sei trotz beschreibender Anklänge an die Begriffe „Medikamente” „Medizin” und „medizinisch” für die Dienstleistung eines Apothekers nicht glatt beschreibend.
Vorliegend sei eine schriftbildliche und eine klangliche Zeichenähnlichkeit gegeben, die nicht durch einen Unterschied im Sinngehalt aufgehoben werde. Vor diesem Hintergrund sei bei vorliegender schriftbildlicher und zumindest geringfügig klanglicher Ähnlichkeit der Streitzeichen von einer markenrechtlichen Verwechslungsgefahr auszugehen.