BGH, Urt. 2.5.2017 - VI ZR 262/16

Unzulässige Berichterstattung über Liebesbeziehung eines Prominenten

Autor: RA Christian-Oliver Moser, FA für Gewerblichen Rechtsschutz, Irle Moser Rechtsanwälte PartG, Berlin
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 08/2017
Bei der Berichterstattung über die geheim gehaltene Liebesbeziehung einer Person des öffentlichen Lebens kann deren Interesse am Schutz ihrer Persönlichkeit das Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiegen. Ein Anspruch gegenüber dem Erstveröffentlichenden auf Ersatz der durch ein presserechtliches Informationsschreiben entstandenen Kosten besteht grundsätzlich nicht.

BGH, Urt. v. 2.5.2017 - VI ZR 262/16

Vorinstanz: AG Tempelhof-Kreuzberg, Urt. v. 23.7.2015 - 8 C 108/15
Vorinstanz: LG Berlin, Urt. v. 3.5.2016 - 27 S 8/15

GG Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 5 Abs. 1; BGB § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2

Das Problem

Der prominente Musiker und Sänger T. macht gegenüber einem Medienunternehmen den Ersatz außergerichtlicher Anwaltskosten geltend. Zusätzlich verlangt er Ersatz der Kosten eines an Dritte gerichteten presserechtlichen Informationsschreibens. Das Medienunternehmen verlegt die B.-Zeitung und verantwortet das dazugehörige Online-Portal. Das Unternehmen hatte sowohl in der entsprechenden Print- als auch in der Online-Ausgabe am 11.8.2014 unter voller Namensnennung sowohl des T. als auch der K. Artikel über deren seit 2014 bestehende und von diesen geheim gehaltene Liebesbeziehung veröffentlicht. In diesen heißt es:

„Blonde Walle-Mähne, grüne Katzenaugen, Schmollmund – dieser blonde Engel ist jetzt der größte Hit von Popstar T. (29). B. erfuhr: Der Sänger (...) ist mit Dessous-Model K. (29) zusammen. Die zwei waren [Online-Ausgabe: turtelten] gerade im Mallorca-Urlaub. Was verbindet beide? Ein Freund zu B.: ‚Sie reisen gerne, lieben veganes Essen und Musik.‘ Die Münchnerin arbeitet seit Jahren erfolgreich als Model, war auf dem Titel der ‚Men’s Health‘, posierte fürs Wäschelabel ‚Hunkemöller‘. An ihre Wäsche darf jetzt aber nur noch der T.” (PRINT),

„B. verrät, wer die neue Flamme des Sängers ist und warum die Turteltauben so gut zueinander passen” (ONLINE),

„Immer wieder gab es Gerüchte um mögliche Freundinnen des Sängers, nun enthüllt T. seine wahre Liebe – und sie steht ihm verdammt gut.” (ONLINE),

„Frisch verliebt: Sänger T. und Model K.” (ONLINE),

sowie

„Sinnlich, sexy: Model K. macht Sänger T. glücklich” (PRINT).

Nach erfolgter anwaltlicher Abmahnung (zwei für den T. sowie zwei für K.) gibt das Medienunternehmen die geforderten strafbewehrten Unterlassungserklärungen hinsichtlich der vorgenannten Äußerungen ohne Anerkennung einer Rechtspflicht ab. Die geltend gemachten außergerichtlichen Kosten der Rechtsanwälte erstattet es jedoch nur zum Teil. Zudem veröffentlichen die anwaltlichen Vertreter des T. über ein Presseportal ein sog. „presserechtliches Informationsschreiben”, welches die Warnung an andere Redaktionen enthält, die streitgegenständliche Berichterstattung nicht zu übernehmen. Die geforderte Übernahme der Kosten für dieses Schreiben lehnt das Medienunternehmen ab.

Die Vorinstanzen hatten den Anspruch auf Ersatz der (restlichen) anwaltlichen Kosten für die Abmahnung bejaht und den Erstattungsanspruch hinsichtlich der Kosten des presserechtlichen Informationsschreibens verneint. Das LG hatte die Revision zu der Frage, ob das Medienunternehmen dem T. gegenüber dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet ist, zugelassen.

Die Entscheidung des Gerichts

Der BGH bestätigt in seinem Urteil die Einschätzung der Vorinstanzen.

Demnach bestehe ein Anspruch des T. aus § 823 Abs. 1, § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB auf Ersatz der Kosten, die für die Durchsetzung seines Anspruchs auf Unterlassung aus § 1004 Abs. 1. Satz 1 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB, Art. 1 Abs. 1, Art 2 Abs. 1 GG erforderlich und zweckmäßig waren.

Inzident sei dabei prüfen, ob der geltend gemachte Unterlassungsanspruch bestand, insbesondere unter welchen Bedingungen das Interesse einer Person des öffentlichen Lebens am Schutz ihrer Privatsphäre das berechtigte Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiegen kann.

Bei der Offenlegung der geheim gehaltenen Liebesbeziehung und der Person der Lebensgefährtin handele es sich um einen Eingriff in die Privatsphäre des B. Eine Selbstöffnung der Privatsphäre bspw. durch Interviews zu diesem Thema oder gemeinsame öffentliche Auftritte im Vorfeld habe es nicht gegeben. Bei der streitgegenständlichen Berichterstattung handele es sich jedoch um einen dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG unterfallenden, wahren und zur Meinungsbildung bei Dritten geeigneten Tatsachenbericht.

In der folgenden Abwägung des Interesses des T. an seiner durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützten Persönlichkeit einerseits mit der durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Berichterstattung, sowie dem berechtigten Informationsinteresse der Öffentlichkeit anderseits, seimaßgeblich auf den Grad des berechtigten Informationsinteresses abzustellen. Demzufolge sei besagter Eingriff rechtswidrig. Der Senat orientiert er sich an den durch den EuGH geschaffenen Grundsätzen (Vgl. EGMR, NJW 2015, 1501 Tz. 54 – Axel Springer gegen Deutschland). Nach diesen sei in Bezug auf die Schutzwürdigkeit der Privatsphäre einer Person entsprechend ihrer Rolle in der Öffentlichkeit zwischen drei Personengruppen abzustufen. Politikern („personnes politiques”) werde ein geringerer Schutz zuteil als anderen in der Öffentlichkeit stehenden Personen („personnes publiques”), oder gar Privatpersonen („personne ordinaire”). Letztgenannte Gruppe genieße den stärksten Schutz ihre Privatsphäre. Zwar handele es sich bei T. um eine Person des öffentlichen Lebens („personne publique”) mit grundsätzlicher Leit- und Kontrastfunktion. Zudem sei der Eingriff vergleichsweise leicht. Dennoch handele es sich inhaltlich um keine bloße Belanglosigkeit, zumal durch den Satz „An ihre Wäsche darf jetzt aber nur noch der T.” ein Bezug zur Intimsphäre hergestellt werde. Das Medienunternehmen setze sich hierbei bewusst über deren gewollte Geheimhaltung hinweg („enthüllt”, „verrät”). Insgesamt diene die Berichterstattung nach Einschätzung des BGH überwiegend der Befriedigung der Neugier der Öffentlichkeit am Privatleben der Betroffenen, ohne diese ernsthaft und sachbezogen zu erörtern. Der Eingriff sei mithin nicht gerechtfertigt.

Ein Anspruch auf Ersatz der Kosten des presserechtlichen Informationsschreibens als vorbeugende Maßnahme bestehe hingegen nicht. Grund hierfür sei, dass das Schreiben nicht der Verhinderung oder Abwehr eines unmittelbar bevorstehenden konkreten Eingriffs diene, sondern vielmehr dem allgemeinen Schutz eines absoluten Rechtsguts. Als solches sei es der Sphäre des T. zuzuordnen, zumal kein Bezug zur konkreten Rechtsverletzung durch das Medienunternehmen bestehe. In deren Erstveröffentlichung sei lediglich sein Anlass zu sehen. Künftige befürchtete Störungen könnten nur dann Anknüpfungspunkt für einen deliktischen Schadensersatzanspruch sein, wenn ein Schadenereignis bereits derart konkret bevorstehe, dass die Abwehrmaßnahme als erstattungsfähige Abwehr eines gegenwärtigen Schadens anzusehen sei. Auch die Rechtsprechung in Bezug auf Folgeveröffentlichungen im Internet sei insoweit nicht übertragbar. Im Bereich der „Boulevardpresse” sei nicht grundsätzlich vom „automatischen Abschreiben” auszugehen.


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