BGH, Urt. 2.9.2020 - VIII ZR 35/19

Privilegierung geschiedener Eheleute nach § 577a Abs. 1a S. 2 BGB

Autor: RiAG Dr. jur. Dr. phil. Andrik Abramenko, Idstein-Walsdorf
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 12/2020
Die Veräußerung vermieteten Wohnraums an Eheleute unterfällt gem. § 577a Abs. 1a S. 2 BGB auch dann nicht der Sperrfrist des § 577a Abs. 1 BGB, wenn diese beim Erwerb bereits geschieden sind. Dies gilt auch für den Fall, dass nur einer von ihnen die Räumlichkeiten nutzen will.

BGB § 577a Abs. 1 u. 1a S. 2

Das Problem

Die Mietvertragsparteien streiten um die Räumung von Wohnraum. Der Vater der Kläger vermietete 2001 ein Einfamilienhaus an die Beklagte. Er veräußerte die Immobilie 2015 an die Kläger, die am 11.9.2015 in das Grundbuch eingetragen wurden. Zu diesem Zeitpunkt waren die Kläger noch miteinander verheiratet, lebten aber schon getrennt. Nach ihrer Scheidung am 1.7.2016 kündigten sie mit Schreiben vom 26.5.2017 das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs, weil die Klägerin mit ihrem neuen Lebensgefährten und den beiden minderjährigen Kindern dort einziehen wollte. Die Räumungsklage hatte in den Tatsacheninstanzen Erfolg, wobei das Berufungsgericht davon ausging, dass die Erwerber des Hauses gem. § 577a Abs. 1a S. 2 BGB privilegiert seien, weil sie zum Zeitpunkt des Erwerbs (noch) Familienangehörige gewesen seien. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Rechtsmittel blieb ohne Erfolg. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Kündigung wirksam ist, obwohl sie innerhalb der Sperrfrist des § 577a Abs. 1 BGB erfolgte. Denn die Kläger als Erwerber gehören als Ehegatten auch nach der Trennung noch zu dem nach § 577a Abs. 1a S. 2 BGB privilegierten Personenkreis, auf den die Sperrfrist nach §§ 577a Abs. 1a S. 1, Abs. 1 BGB nicht anzuwenden ist. Dabei kommt es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes und der überwiegenden Meinung im Schrifttum (etwa Hinz in NK/BGB, 3. Aufl. § 573 Rz. 39; Blank in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 14. Aufl. § 573 Rz. 55) nicht darauf an, ob sie bei Eintragung in das Grundbuch noch verheiratet waren. Denn Ehegatten gehören auch nach der Scheidung gem. § 577a Abs. 1a S. 2 BGB „derselben Familie“ an. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll nämlich bei der Bestimmung dieses Personenkreises auf die zu § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB ergangene Rechtsprechung zurückzugreifen sein (BT-Drucks. 17/10485, 26). Dies entspricht im Übrigen auch den Regelungen zum Zeugnisverweigerungsrecht in § 383 Abs. 1 Nr. 2 ZPO und § 52 Abs. 1 Nr. 2 StPO. Der Umstand, dass nicht beide Erwerber, sondern nur die Klägerin in die Liegenschaft einziehen wollen, ändert hieran nichts. Denn Anknüpfungspunkt des § 577a Abs. 1a S. 2 BGB ist nicht die gemeinsame Nutzung, sondern der gemeinsame Erwerb.


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