BGH, Urt. 3.2.2021 - VIII ZR 68/19

Kündigungswiderspruch: Hohes Alter und langjährige Mietdauer alleine sind keine Härtegründe

Autor: RA FAMuWR Norbert Monschau, Anwaltkooperation Schneider | Monschau, Erftstadt, Köln, Neunkirchen
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 05/2021
1. Das hohe Alter eines Mieters begründet ohne weitere Feststellungen zu den sich hieraus ergebenden Folgen für den betroffenen Mieter im Falle eines erzwungenen Wohnungswechsels grundsätzlich noch keine Härte i.S.d. § 574 Abs. 1 S. 1 BGB.2. Eine langjährige Mietdauer lässt für sich genommen noch nicht auf eine tiefe Verwurzelung des Mieters am Ort der Mietsache schließen. Vielmehr hängt deren Entstehung maßgeblich von der individuellen Lebensführung des jeweiligen Mieters (Pflegen sozialer Kontakte in der Nachbarschaft etc.) ab.

BGB §§ 573 Abs. 2 Nr. 2, 574 Abs. 1 S. 1, 574a

Das Problem

Die Vermieterin kündigte der damals 83 Jahre alten Mieterin nach achtzehn Jahren die Mietwohnung in Berlin wegen Eigenbedarfs. Zur Begründung führte sie an, sie wolle während ihrer Aufenthalte in Berlin künftig nicht mehr – wie bisher – zusammen mit ihrem erwachsenen Sohn zur Miete, sondern stattdessen allein in der in ihrem Eigentum stehenden Wohnung leben. Die Mieterin widersprach der Kündigung und verwies auf ihr hohes Alter, ihren beeinträchtigten Gesundheitszustand, ihre langjährige Verwurzelung am Ort der Mietsache und ihre für die Beschaffung von Ersatzwohnraum zu beschränkten finanziellen Mittel. Vor dem AG und LG scheiterte die Räumungs- und Herausgabeklage der Vermieterin.

Die Entscheidung des Gerichts

Die Revision der Vermieterin hatte Erfolg. Das LG habe einen Anspruch der Mieterin auf Fortsetzung des Mietverhältnisses nach § 574 Abs. 1 S. 1, § 574a BGB allein wegen ihres fortgeschrittenen Alters zu Unrecht angenommen. Das hohe Lebensalter eines Mieters kann in Verbindung mit weiteren Umständen – im Einzelfall auch der auf einer langen Mietdauer beruhenden tiefen Verwurzelung des Mieters in seiner Umgebung – eine Härte begründen. Aber allein wegen des fortgeschrittenen Alters sei der Fortsetzungsanspruch der Mieterin nicht begründet. Das hohe Alter eines Menschen wirke sich je nach Persönlichkeit und körperlicher sowie psychischer Verfassung unterschiedlich aus. Erforderlich seien konkrete Feststellungen zu den altersbedingten Erschwernissen. Das gelte auch für die jahrzehntelange soziale Verwurzelung der Mieterin am Ort der Mietsache. Eine langjährige Mietdauer lasse für sich genommen noch nicht auf eine tiefe soziale Verwurzelung des Mieters am Ort der Mietsache schließen, hierzu müssen vielmehr die konkreten Umstände festgestellt werden. Dies hänge maßgeblich von der individuellen Lebensführung des jeweiligen Mieters ab, namentlich davon, ob er beispielsweise soziale Kontakte in der Nachbarschaft pflege, Einkäufe für den täglichen Lebensbedarf in der näheren Umgebung erledige, an kulturellen, sportlichen oder religiösen Veranstaltungen in der Nähe seiner Wohnung teilnehme und/oder medizinische oder andere Dienstleistungen in seiner Wohnumgebung in Anspruch nehme. Es fehlen auch Feststellungen zu den konkreten Folgen, die sich aus dem hohen Lebensalter der Mieterin und ihrer etwaigen sozialen Verwurzelung am bisherigen Wohnort im Falle eines erzwungenen Wohnungswechsels für sie ergeben, so z.B. eine Verschlechterung ihres gesundheitlichen Zustands infolge des Umzugs.


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