BGH, Urt. 9.1.2020 - IX ZR 61/19

Anwaltshaftung für Spekulationssteuer bei Nichteinschaltung eines Steuerberaters

Autor: Notar Dr. Jörn Heinemann, Neumarkt i.d.OPf.
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 04/2020
1. Berät ein Rechtsanwalt eine Mandantin im Zusammenhang mit einer Scheidungsfolgenvereinbarung, hat er sie auf die Notwendigkeit der Einschaltung eines Steuerberaters hinzuweisen, sofern sich bei sachgerechter Bearbeitung wegen der Übertragung von Grundeigentum eine steuerliche Belastung nach § 22 Nr. 2, § 23 EStG aufdrängen kann und er zu einer steuerrechtlichen Beratung nicht bereit oder imstande ist.2. Der durch eine fehlerhafte steuerliche Beratung verursachte Schaden umfasst die Kosten eines von dem Mandanten eingeholten Wertgutachtens, mit dessen Hilfe ein geringerer Verkehrswert eines für die Steuerfestsetzung maßgeblichen Grundstücks nachgewiesen und die Steuerlast verringert werden kann.3. Die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens gilt nicht, wenn der vernünftigerweise einzuschlagende Weg die Mitwirkung eines Dritten voraussetzt.

BGB § 249, § 675; ZPO § 278; EStG § 22 Nr. 2, § 23

Das Problem

Die Klägerin traf mit ihrem Ehemann eine notariell beurkundete Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung, in der sie sich verpflichtete, an diesen zur Abgeltung des Zugewinnausgleichs neben einer Zahlung von 40.000 € ein Mietshaus zu übereignen. Bei Abschluss der Vereinbarung wurde die Klägerin, die Eigentümerin eines weiteren Mietshauses ist, von dem Beklagten anwaltlich beraten. Gegen die Klägerin wurden wegen eines aus der Übertragung des Mietshauses erzielten Veräußerungsgewinns Steuern i.H.v. 40.272,27 € festgesetzt. Aufgrund eines 2.499 € kostenden Gutachtens wurde im Einspruchsverfahren die Steuer auf 19.006,50 € ermäßigt. Die steuerliche Belastung wäre vermeidbar gewesen, wenn die Klägerin das andere ihr gehörende Mietshaus, für das die Spekulationsfrist bereits abgelaufen war, ihrem Ehemann übereignet hätte. Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Erstattung des Steuerbetrags sowie der Kosten des Gutachtens. Nach Abweisung der Klage durch das Erstgericht hat das Berufungsgericht den Beklagten zur Zahlung von 13.663 € verurteilt. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.

Die Entscheidung des Gerichts

Der BGH bejaht grundsätzlich eine Pflichtverletzung des Rechtsanwalts. Dieser schuldet zwar im Rahmen eines familienrechtlichen Mandats, das auf Fragen des Zugewinnausgleichs beschränkt ist, keine steuerliche Beratung. Er muss aber auf ihm bekannte oder offenkundig drohende Gefahren für den Mandanten hinweisen, wenn der Mandant sich dieser Gefahren erkennbar nicht bewusst ist. Insbesondere muss der Anwalt bei ordnungsgemäßer Bearbeitung eines familienrechtlichen Mandats typischerweise auftretende steuerliche Fragestellungen erkennen. Hierzu gehört eben auch die im familienrechtlichen Schrifttum und in der allgemeinen Kommentarliteratur angesprochene Gefahr, dass die Übertragung eines Grundstücks an den Ehegatten unter Anrechnung auf den Zugewinnausgleich ein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft bilden kann.

Die Gutachtenkosten stellen einen ersatzfähigen Schaden dar, da sie als sachgerechte Aufwendungen der Rechtsverfolgung anzusehen sind, um den Schaden abzuwenden oder gering zu halten.

Dennoch verweist der BGH die Sache zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurück, da dieses nicht festgestellt hat, ob der Ehemann auch mit der (für die Klägerin steuerfreien) Übertragung des anderen Mietshauses einverstanden gewesen wäre. Die von der Rechtsprechung aufgestellte „Vermutung beratungsgerechten Verhaltens“ findet insoweit keine Anwendung. Die Bereitschaft eines Dritten, den beratungsgemäßen Weg mitzugehen, muss der Mandant zum damaligen Zeitpunkt darlegen und beweisen.


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