Billigkeitsausschluss bei Ausgleichsansprüchen nach der Scheidung (hier: lange Trennungszeit)

Autor: RiOLG Andreas Wagner, Düsseldorf
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 04/2013
Der Erwerb eines Anrechts während einer langen Trennungszeit kann dessen Ausgleich im Versorgungsausgleich grob unbillig erscheinen lassen. Dies gilt bei Ausgleichsansprüchen nach der Scheidung (§§ 20 ff. VersAusglG) jedoch nicht, wenn die ebenfalls während der langen Trennungszeit erworbenen Anrechte des Ausgleichspflichtigen bereits dinglich ausgeglichen wurden.

BGH, Beschl. v. 19.9.2012 - XII ZB 649/11

Vorinstanz: OLG Schleswig, Beschl. v. 22.11.2011 - 15 UF 105/11

VersAusglG §§ 20, 27

Das Problem:

Die Ehe der Beteiligten wurde auf den im Oktober 2005 zugestellten Scheidungsantrag geschieden; der öffentlich-rechtliche Versorgungsausgleich (nach altem Recht) wurde zugunsten der Ehefrau durchgeführt. Hinsichtlich eines Anrechts, das die Ehefrau während der Ehezeit, aber nach der Trennung im Jahr 1994 in der irischen Sozialversicherung erworben hat, wurde der schuldrechtliche Ausgleich vorbehalten. Im vorliegenden Verfahren streiten die Beteiligten, die zwischenzeitlich aus ihren Anrechten laufende Versorgungen beziehen, um den schuldrechtlichen Ausgleich des Anrechts der Ehefrau in der irischen Sozialversicherung (zur Frage, ob die Anrechte aus der irischen Sozialversicherung dem Versorgungsausgleich unterfallen, s. FamRBint 2013, 29, beiliegend). Das Familiengericht hat die Ehefrau zur Zahlung einer schuldrechtlichen Ausgleichsrente verpflichtet. Hiergegen wendet sich die Ehefrau (u.a.) mit dem Einwand, dass der Ausgleich grob unbillig sei, weil sie bereits seit 1994 von ihrem früheren Ehemann getrennt lebe und das Anrecht nach der Trennung erworben habe. Die Beschwerde der Ehefrau blieb erfolglos.

Die Entscheidung des Gerichts:

Auch die Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg. Der BGH weist darauf hin, dass zwar der Ausschluss oder die Herabsetzung des Versorgungsausgleichs wegen grober Unbilligkeit geboten sein kann, wenn die der beiderseitigen Alterssicherung dienende Versorgungsgemeinschaft wegen einer langen Trennungszeit nicht mehr bestehe. Vorliegend komme eine Billigkeitskorrektur jedoch nicht in Betracht, weil die (schuldrechtlich) ausgleichspflichtige (frühere) Ehefrau aufgrund des zu ihren Gunsten durchgeführten öffentlich-rechtlichen Ausgleichs an den Anrechten, die ihr geschiedener Ehemann während der langen Trennungsdauer erworben habe, partizipiere. Bei dieser Sachlage begründe der schuldrechtliche Ausgleich keine unbillige Härte, sondern mildere die durch den einseitigen dinglichen Ausgleich entstandene Härte ab.


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