BPatG, Beschl. 10.1.2020 - 29 W (pat) 41/17

Handel mit Eigenware bzw. mit Waren des eigenen Lizenzgebers stellt keine Einzelhandelsdienstleistung im markenrechtlichen Sinne dar

Autor: RA Michael Alber, von BOETTICHER Rechtsanwälte, Berlin
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 07/2020
Der Schutzumfang der Einzelhandelsdienstleistungsmarke erstreckt sich nicht auf den (Online)Handel ausschließlich mit Eigenwaren bzw. mit Waren des eigenen Lizenzgebers. Die spezifische Tätigkeit des Einzelhändlers besteht vielmehr in der durch die Maßnahmen der Präsentation einschließlich Beratung bewirkten Erleichterung des Verkaufs von aus fremder Produktion stammenden Waren, nicht dem Verkauf selbst. Der Verkauf von Eigenware ist keine Dienstleistung im Sinne der Klasse 35; er wird vielmehr von der Warenmarke umfasst.

MarkenG a.F. § 66, § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 42 Abs. 1 und Abs. 2, § 43 Abs. 1, § 26; MarkenG n.F. § 158 Abs. 3 und Abs. 5 n.F.

Problem

Der Beschwerdeführer ist Inhaber der am 30.8.2013 u.a. für Einzelhandels‑, Versandhandels- und Onlineversandhandelsdienstleistungen der Klasse 35 in das Markenregister des DPMA eingetragenen Wort-/Bildmarke „Carrera“. Gegen diese Eintragung sind mehrere Widersprüche aus unterschiedlichen deutschen und Unionswortmarken erhoben worden, u.a. auch aus der beim DPMA eingetragenen Wortmarke „Carrera“, die ebenfalls in Klasse 35 Schutz für diverse Einzelhandels‑, Versandhandels- und/oder Online-Handelsdienstleistungen genießt. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens hat der Beschwerdeführer pauschal die Einrede der mangelnden Benutzung nach § 43 Abs. 1 MarkenG a.F. erhoben. Die Widersprechende hat daraufhin zahlreiche Glaubhaftmachungsmittel vorgelegt, aus der die Bewerbung und der Vertrieb von Waren der Widersprechenden unter der Marke durch eine Lizenznehmerin insb. über die Internetseite www.carrera.de hervorgehen. Die Markenabteilung des DPMA hat das als ausreichende Glaubhaftmachung i.S.d. § 43 Abs. 1 MarkenG a.F. bewertet und die Marke des Beschwerdeführers teilweise gelöscht, u.a. auch hinsichtlich der Einzelhandels‑, Versandhandels und Onlineversandhandelsdienstleistungen in Klasse 35. Unter anderem hiergegen richtet sich der Beschwerde des Beschwerdeführers.

Entscheidung des Gerichts

Das BPatG hat der Beschwerde des Beschwerdeführers teilweise abgeholfen und die Entscheidung der Markenabteilung insb. hinsichtlich der Löschung der Eintragung im Bereich der Einzelhandels‑, Versandhandels- und Onlineversandhandelsdienstleistungen der Klasse 35 Klasse aufgehoben.

Der auf die Wortmarke „Carrera“ gestützte Widerspruch sei insoweit aufgrund der vom Beschwerdeführer gem. § 43 Abs. 1 MarkenG a.F. erhobenen Einrede der mangelnden Benutzung zurückzuweisen. Die von der Widersprechenden im Widerspruchsverfahren vorgelegten Unterlagen zur Nutzung der Wortmarke für Angebote der Markenprodukte der Widersprechenden durch einen Lizenznehmer seien nicht zur Glaubhaftmachung einer rechtserhaltenden Benutzung für Einzelhandels‑, Versandhandels- und/oder Online-Handelsdienstleistungen der Klasse 35 geeignet.

So unterfalle der Handel mit Eigenmarken aus markenrechtlicher Sicht nicht dem Begriff der Einzelhandelsdienstleistungen. Das gelte auch dann, wenn der Handel durch einen Dritten erfolge, soweit dieser hinsichtlich der jeweiligen Warenmarken Lizenznehmer des Markenherstellers sei. Der Dienstleistungsbegriff des Art. 2 der RL 2008/95/EG setze nämlich stets eine Warenbeschaffung von Dritten voraus. Einzelhandelsdienstleistungen umfassten somit grundsätzlich nur solche Tätigkeiten, die von Einzelhändlern im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Vertrieb von Waren fremder Produktion erbracht würden. Der Schwerpunkt der Dienstleistung des Einzelhandels liege nicht im Verkauf der Waren selbst, sondern in der durch die Maßnahmen der Präsentation bewirkten Erleichterung der Auswahl des Verbrauchers unter verschiedenen Markenwaren. Demgegenüber dienten Leistungen im Zusammenhang mit dem Angebot der herstellereigenen Waren dazu, das eigens hergestellte Produkt als solches aufzuwerten und kämen als integraler Bestandteil des Verkaufs nicht als Einzelhandelsdienstleistung i.S.d. RL 2008/95/EG in Frage.

Der 29. Senat des BPatGhat in seiner Entscheidung die Rechtsbeschwerde beim BGH ausdrücklich zugelassen. Begründet hat er dies unter Hinweis auf das Gebot der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung aufgrund der gegenläufigen Parallelentscheidung des 28. Senats des BPatG die infolge der von der Widersprechenden auch hier vorgelegten Glaubhaftmachungsmittel ausdrücklich von einer rechtserhaltenden Nutzung der Wortmarke „Carrera“ für Einzelhandels‑, Versandhandels und Onlineversandhandelsdienstleistungen in Klasse 35 ausgegangen ist (BPatG, Beschl. v. 4.10.2019 – 28 W (pat) 3/19).


Wussten Sie schon?

Werden Sie jetzt Teilnehmer beim Anwalt-Suchservice und Sie greifen jederzeit online auf die Zeitschrift „IP-Rechtsberater“ des renommierten juristischen Fachverlags Dr. Otto Schmidt, Köln, zu.

Die Zeitschrift ist speziell auf Praktiker zugeschnitten. Sie lesen aktuelle Urteilsbesprechungen inklusive speziellem Beraterhinweis sowie Fachaufsätze und Kurzbeiträge zum Thema Urheber- / Medienrecht und zwar 24/7, also wo und wann immer Sie wollen.

Infos zur Teilnahme