BPatG, Beschl. 29.10.2019 - 27 W (pat) 5/18

Prüfung bösgläubiger Markenanmeldung – GERMAN COMIC CON

Autor: RA Dr. Geert Johann Seelig, Fachanwalt für gewerblichen RechtsschutzLuther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Hamburg
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 11/2020
Ist das Wortelement einer kombinierten Wort-/Bildmarke nicht unterscheidungskräftig, können grafische Ausgestaltungen des Gesamtzeichens die Schutzunfähigkeit überwinden, wenn sie die Marke im Gesamteindruck als Herkunftshinweis für den angesprochenen Verkehr erscheinen lassen. Um in dieser Weise schutzbegründend wirken zu können, müssen die betreffenden Bildbestandteile ein hinreichendes Gewicht innerhalb des Gesamtzeichens aufweisen. Eine Bösgläubigkeit i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG a.F. verlangt die Feststellung innerer Tatsachen. Diese können nur anhand objektiver Indizien angenommen werden.

MarkenG §§ 8 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 10 a.F.

Das Problem

Die Beschwerdeführerin und die Beschwerdegegnerin veranstalten Comic- Messen, sog. Comic- Conventions. Im Juni 2015 meldete die Beschwerdegegnerin die deutsche Wort-/Bildmarke „GERMAN COMIC CON“ für Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 18, 25, 35, 41 (u.a.: Druckereierzeugnisse, Leder und Bekleidung sowie Veranstaltungsdienstleistungen) an:

Die Beschwerdeführerin verlangt die Löschung dieser Marke u.a. wegen Verstoßes gegen § 8 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 10 a.F. MarkenG. Neben der fehlenden Unterscheidungskraft und einem bestehenden Freihaltebedürfnis, sei die Marke auch zu löschen, weil die Beschwerdegegnerin diese bösgläubig angemeldet habe. Zum einen, um einen schutzwürdigen Besitzstand der Beschwerdeführerin zu stören, und zum anderen zum zweckfremden Einsatz im Wettbewerb. Zwei Monate vor Anmeldung durch die Beschwerdegegnerin hatte die F GmbH die Wortmarke „COMIC CON GERMANY“ sowohl beim DPMA als auch beim EUIPO u.a. für Dienstleistungen aus dem Bereich Veranstaltungen bzw. Ausstellungen angemeldet. Im Dezember 2015 wurden beide Anmeldungen zurückgewiesen, da der Bezeichnung jegliche Unterscheidungskraft fehle und insoweit ein Freihaltebedürfnis bestehe. Noch davor (im Juli 2015) hatte die F GmbH der Beschwerdeführerin alle Rechte und Pflichten an ihrer Markenanmeldung übertragen. Im Dezember 2015 veranstaltete die Beschwerdegegnerin ihre erste Comic Convention unter der Bezeichnung „German Comic Con“. Die Beschwerdeführerin veranstaltete ihre erste Convention namens „Comic Con Germany“ erst im Juni 2016. Der Löschungsantrag der Beschwerdeführerin blieb vor dem DPMA erfolglos. Die Marke sei wegen ihrer grafischen Bestandteile unterscheidungskräftig, es bestehe kein Freihaltebedürfnis und auch eine bösgläubige Anmeldung liege nicht vor. Es sei kein schutzwürdiger Besitzstand der Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Anmeldung festzustellen und es fehle an einer bösgläubigen Absicht.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Gericht wies die Beschwerde der Beschwerdeführerin zurück.

Bestehen von Unterscheidungskraft im Anmeldezeitpunkt: Unterscheidungskraft sei die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen. Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft seien die beanspruchten Waren und Dienstleistungen und die Auffassung des angesprochenen Verkehrskreises. Dieser nehme eine Marke so wahr, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtung zu unterziehen. Bei einem als Marke angemeldeten Wort-/Bildzeichen könnten bildliche oder grafische Ausgestaltungen des Gesamtzeichens bzw. weitere separate Bildelemente die Schutzunfähigkeit des Wortelementes überwinden, wenn die bildliche Ausgestaltung zu einem Gesamteindruck der kombinierten Wort-/Bildmarke führe, in dem die angesprochenen Kreise einen Herkunftshinweis erblickten. Diesen Anforderungen werde die angegriffene Marke gerecht. Zwar fehle dem Wortbestandteil für einen Großteil der eingetragenen Waren und Dienstleistungen die erforderliche Unterscheidungskraft, da sie als rein inhalts- bzw. themenbezogene Angabe aufgefasst werde, allerdings verfüge die Marke als Gesamtheit über hinreichende Unterscheidungskraft.

Als Gesamtheit komme einer Wort-/Bildmarke, deren Wortelemente nicht unterscheidungskräftig sind, nur dann Unterscheidungskraft zu, wenn die Bildelemente charakteristische, prägnante Merkmale aufweisen: Dabei sei nicht nur die Art des Bildbestandteils selbst zu berücksichtigen, sondern auch die Größe, Stellung und das Gewicht innerhalb des Kombinationszeichens. Die grafischen Elemente müssten im Gesamterscheinungsbild in ausreichendem Maße hervortreten. Eine fehlende Unterscheidungskraft der Wortelemente könne nur durch ein prägnantes und eigenartiges Schriftbild bzw. charakteristische separate Bildelemente, welche sich aus der Masse üblicher werbemäßiger Gestaltungen abheben, aufgewogen werden. Es gelte der Grundsatz: Je stärker der Bildbestandteil aufgrund seiner relativen Größe bzw. seiner Anordnung im Gesamterscheinungsbild hervortrete, desto eher werde ihn der Betrachter als einen eigenständigen Herkunftshinweis wahrnehmen. Vorliegend würde aufgrund der Komplexität und der konkreten Anordnung und Ausgestaltung aller Wort- und Bildbestandteile ein prägnanter und eigenartiger Gesamteindruck entstehen, der bewirke, dass das Publikum in dem Gesamtzeichen einen eigenständigen Herkunftshinweis sieht. Insoweit komme es nicht darauf an, ob einzelne graphische Elemente oder das gewählte Bild über ein Internet-Angebot leicht zugänglich bzw. standardisiert sind. Denn bei der Beurteilung sei auf die Gesamtansicht abzustellen. Eine zergliedernde Betrachtungsweise einzelner Elemente sei unzulässig.

Es liege auch keine bösgläubige Anmeldung vor: Eine exakte Definition des Begriffs des Bösgläubigkeit i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG a.F. sei nicht möglich. Maßgeblich sei, ob der Anmelder ersichtlich einen zweckfremden Einsatz der Marke beabsichtige. Dabei handle der Anmelder nicht schon deshalb unlauter, weil er wisse, dass ein anderer dasselbe (oder ein verwechselbar ähnliches) Zeichen für dieselben Waren benutzt, ohne hierfür einen formalen Kennzeichenschutz erworben zu haben. Es müssten besondere Umstände hinzutreten. Solche könnten darin liegen, dass ein Zeichenanmelder in Kenntnis eines schutzwürdigen Besitzstandes des Vorbenutzers ohne sachlichen Grund die gleiche Bezeichnung in der Absicht anmeldet, für den Vorbenutzer den Gebrauch zu sperren. Der schutzwürdige Besitzstand des Vorbenutzers setze nicht notwendigerweise eine Marke voraus; er könne auch aus Marktpräsenz und Bekanntheit resultieren. Dasselbe gelte, wenn eine bloße Spekulationsmarke angemeldet werde, die nur den Zweck hat, Dritte zu behindern. Vorliegend komme eine bösgläubige Anmeldung unter keinem der genannten Gesichtspunkte in Betracht. Primäres Ziel sei die eigene wettbewerbliche Entfaltung der Anmelderin. Sie habe auch nicht böswillig fremden Besitzstand stören wollen. Es sei nicht dargelegt, dass die F GmbH, von der die Beschwerdeführerin den Besitzstand erworben hat, die Bezeichnung „Comic Con Germany“ wirklich zur Kennzeichnung ihres Geschäftsbetriebs benutzt hat. Die erste Comic-Messe unter dem Namen sei vielmehr erst ein Jahr nach der Anmeldung der angegriffenen Marke veranstaltet worden. Planungs- und Vorbereitungsmaßnahmen seien zur Schutzentstehung nicht ausreichend. Selbst bei unterstelltem Besitzstand, fehle es an der erforderlichen Bekanntheit. Außerdem seien die für eine Bösgläubigkeit erforderlichen inneren Tatsachen, namentlich die Absicht einen fremden Besitzstand zu stören bzw. ausschließlich andere zu behindern nicht gegeben. Das Vorliegen dieser inneren Tatsachen beurteile sich anhand einer objektiven Würdigung aller Umstände. Diese sprächen vorliegend für einen anfänglichen Benutzungswillen der Beschwerdegegnerin.


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