BVerfG, Beschl. 10.10.2016 - 1 BvR 2136/14
Verfassungsbeschwerde gegen Leistungsschutzrecht der Presseverleger unzulässig
Autor: Rechtsanwalt Prof. Dr. Elmar Schuhmacher, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht LLS Lungerich Lenz Schuhmacher, Köln
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 01/2017
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 01/2017
Die Betreiber von Suchmaschinen können sich nicht im Wege der sofortigen Verfassungsbeschwerde gegen das 2013 eingeführte Leistungsschutzrechts für Presseverleger wenden. Es ist ihnen vielmehr zuzumuten, vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde zunächst den fachgerichtlichen Rechtsweg zu beschreiten.
BVerfG, Beschl. v. 10.10.2016 - 1 BvR 2136/14
GG Art. 3 Abs. 1, 5 Abs. 1, 12 Abs. 1; BVerfGG § 90 Abs. 2; UrhG §§ 87f, 87g; VGG § 92 Abs. 1 Nr. 1
Grundsatz der Subsidiarität: Dieser in § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zum Ausdruck kommende Grundsatz erfordere, dass ein Beschwerdeführer vor Erhebung einer Verfassungsbeschwerde alle zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreife, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern. Daher sei eine Verfassungsbeschwerde unzulässig, wenn in zumutbarer Weise Rechtsschutz durch die Anrufung der Fachgerichte erlangt werden könne.
Fachgerichtlicher Rechtsschutz: Es sei den Suchmaschinenbetreibern möglich und zumutbar, hier zunächst diesen fachgerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Er stehe ihnen im Hinblick auf Fragen der Reichweite des Leistungsschutzrechts, der vorgesehenen Ausnahmen sowie zur Höhe der Vergütung für die Nutzung von Presseerzeugnissen ebenso zur Verfügung, wie auch bei Wahrnehmung des Rechts durch die VG Media die beim DPMA eingerichtete Schiedsstelle (§ 92 Abs. 1 Nr. 1 VGG) angerufen werden könne. Angesichts der Auslegungsfähigkeit und -bedürftigkeit der angegriffenen Rechtsnormen, sei eine fachgerichtliche Klärung des Inhalts der einfachgesetzlichen Regelungen vor einer verfassungsgerichtlichen Beurteilung angezeigt. Für die Berücksichtigung der Grundrechtspositionen sei dabei ausreichend Raum.
Auslegungsspielräume: Solche würden sich insbesondere bei den Fragen ergeben, was unter einem „Presseerzeugnis” zu verstehen sei und wann „kleinste Textausschnitte” vorlägen, die nicht vom Leistungsschutzrecht umfasst seien. Die Fachgerichte hätten dabei zu beachten, dass Suchmaschinen einem automatisierten Betrieb unterlägen, bei dem nicht ohne weiteres erkennbar sei, wann ein Presseerzeugnis vorliege. Bei der Auslegung und Anwendung der angegriffenen Rechtsnormen sei auch das Interesse von Suchmaschinenbetreibern zu berücksichtigen, Textausschnitte in einem Umfang nutzen zu dürfen, der dem Zweck von Suchmaschinen gerecht werde, Informationen im Internet einschließlich Online-Presseerzeugnisse auffindbar zu machen.
BVerfG, Beschl. v. 10.10.2016 - 1 BvR 2136/14
GG Art. 3 Abs. 1, 5 Abs. 1, 12 Abs. 1; BVerfGG § 90 Abs. 2; UrhG §§ 87f, 87g; VGG § 92 Abs. 1 Nr. 1
Das Problem
Auf Grundlage des Achten Gesetzes zur Änderung des UrhG vom 7.5.2013 (BGBl. I 2013, 1161) traten am 1.8.2013 die neuen Regelungen der §§ 87g und 87f UrhG in Kraft. Mit ihnen wurde das Leistungsschutzrecht für Presseverleger eingeführt. Kernelement der Regelungen ist das dem Presseverleger zugewiesene Recht, über die öffentliche Zugänglichmachung seiner Presseerzeugnisse für gewerbliche Zwecke zu bestimmen. Dieses Ausschließlichkeitsrecht gilt nur gegenüber gewerblichen Anbietern von Suchmaschinen oder Diensten, die Inhalte entsprechend aufbereiten („News-Aggregatoren”), und verbietet nicht die Übernahmen einzelner Wörter oder kleinster Textausschnitte. Ziel ist nach der Gesetzesbegründung ein verbesserter Schutz von Presseerzeugnissen im Internet gegenüber Suchmaschinenbetreibern und News-Aggregatoren, die für die eigene Wertschöpfung systematisch auf verlegerische Leistungen zugreifen und diese in einer Weise nutzten, die über die bloße Verlinkung hinausgeht. Gegen die Einführung dieses Leistungsschutzrechts wendet sich Yahoo, zu dessen angebotenen Diensten u.a. eine klassische Suchmaschine und eine spezielle Nachrichtensuche gehört, im Wege der Verfassungsbeschwerde. Sie rügen eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2, Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG und sehen auch die Informationsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG als verletzt an.Die Entscheidung des Gerichts
Das BVerfG nimmt die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an. Sie sei offensichtlich unzulässig und habe damit keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.Grundsatz der Subsidiarität: Dieser in § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zum Ausdruck kommende Grundsatz erfordere, dass ein Beschwerdeführer vor Erhebung einer Verfassungsbeschwerde alle zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreife, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern. Daher sei eine Verfassungsbeschwerde unzulässig, wenn in zumutbarer Weise Rechtsschutz durch die Anrufung der Fachgerichte erlangt werden könne.
Fachgerichtlicher Rechtsschutz: Es sei den Suchmaschinenbetreibern möglich und zumutbar, hier zunächst diesen fachgerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Er stehe ihnen im Hinblick auf Fragen der Reichweite des Leistungsschutzrechts, der vorgesehenen Ausnahmen sowie zur Höhe der Vergütung für die Nutzung von Presseerzeugnissen ebenso zur Verfügung, wie auch bei Wahrnehmung des Rechts durch die VG Media die beim DPMA eingerichtete Schiedsstelle (§ 92 Abs. 1 Nr. 1 VGG) angerufen werden könne. Angesichts der Auslegungsfähigkeit und -bedürftigkeit der angegriffenen Rechtsnormen, sei eine fachgerichtliche Klärung des Inhalts der einfachgesetzlichen Regelungen vor einer verfassungsgerichtlichen Beurteilung angezeigt. Für die Berücksichtigung der Grundrechtspositionen sei dabei ausreichend Raum.
Auslegungsspielräume: Solche würden sich insbesondere bei den Fragen ergeben, was unter einem „Presseerzeugnis” zu verstehen sei und wann „kleinste Textausschnitte” vorlägen, die nicht vom Leistungsschutzrecht umfasst seien. Die Fachgerichte hätten dabei zu beachten, dass Suchmaschinen einem automatisierten Betrieb unterlägen, bei dem nicht ohne weiteres erkennbar sei, wann ein Presseerzeugnis vorliege. Bei der Auslegung und Anwendung der angegriffenen Rechtsnormen sei auch das Interesse von Suchmaschinenbetreibern zu berücksichtigen, Textausschnitte in einem Umfang nutzen zu dürfen, der dem Zweck von Suchmaschinen gerecht werde, Informationen im Internet einschließlich Online-Presseerzeugnisse auffindbar zu machen.