BVerfG, Urt. 19.5.2020 - 1 BvR 2835/17

Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung

Autor: RA Markus Rössel, LL.M. (Informationsrecht), Köln
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 07/2020
Jedenfalls der Schutz des Art. 10 Abs. 1 und des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG als Abwehrrechte gegenüber einer Telekommunikationsüberwachung erstreckt sich auch auf Ausländer im Ausland.

GG Art. 5 Abs. 1 Satz 2, Art. 10 Abs. 1, Art. 19 Abs. 1; BNDG §§ 6, 7, 10, 13, 14, 15, 19, 24

Das Problem

Eine Verfassungsbeschwerde überwiegend ausländischer Journalisten richtet sich gegen die Ermächtigungen des BND zur Überwachung von Ausländern im Ausland per sog. Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung (AAF), Übermittlung der Erkenntnisse und Kooperationen mit ausländischen Nachrichtendiensten. Der BND bedient sich neben allgemeinverfügbarer Quellen, (Satelliten-)Bildaufklärung und Informanten zu einem Drittel der AAF. Diese erfolgt durch eigene Vorrichtungen oder Ausleitungen von TK-Diensteanbietern durch Netzanordnungen des Bundeskanzleramts, die u.a. den weltweit wichtigsten Knotenpunkt DE-CIX in Frankfurt/M. umfassen. Darauf aufbauend greift der BND durch seine Ausleitungsanordnungen auf ca. 10 % der insg. zur Erfassung angeordneten Netzkapazität tatsächlich zu. Die Kommunikation mit Deutschen/Inländern wird durch metadatenbezogene Formalkriterien (z.B. IP-Adressen) und eine G10-Positivliste ausgesondert. Nach dieser sog. DAFIS-Filterung werden Verkehrsdaten für eine spätere Analyse pauschal gespeichert. Inhaltsdaten werden demgegenüber aus täglich ca. 270.000 TK-Vorgängen erst nach weiterer Ausfilterung mittels einer sechsstelligen Zahl zuvor festgelegter Suchmerkmale (Selektoren) gespeichert. Die ca. 50 % von Partnerdiensten ausgewählten Selektoren werden zuvor insb. auf rechtlich Zulässigkeit hin überprüft. Sie bestehen weit überwiegend aus formalen Begriffen (z.B. Anschlusskennungen) und i.Ü. aus inhaltlichen. Bei ca. 5 % der Begriffe stehen einzelne Personen im Fokus des Aufklärungsinteresses. Hieran schließt sich eine händische Auslese von täglich ca. 260 Datenverkehren an.

Die Entscheidung des Gerichts

Die angegriffenen Vorschriften des BNDG seien mit Art. 19 Abs. 1 Satz 2, 10 Abs. 1, 5 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbar, gälten jedoch bis zur Neuregelung, längstens bis zum 31.12.2021, fort.

Grundrechte von Ausländern im Ausland: Art. 1 Abs. 3 GG begründe als Reaktion auf die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft grds. eine umfassende Grundrechtsbindung deutscher Staatsgewalt ohne Einschränkung auf Staatsgebiet oder Staatsangehörigkeit Betroffener (vgl. Präambel sowie Art. 1 Abs. 2, 24, 25 GG). Art. 1 Abs. 2 GG bekenne sich zur universalistischen Einbindung der Grundrechte in internationale Menschenrechtsgewährleistungen. Sie wirkten als Abwehrrechte auch im Ausland nur gegenüber der deutschen Staatsgewalt, ohne das völkerrechtlich Interventionsverbot zu verletzen.

Bedeutungszunahme der Auslandsaufklärung: Im Zuge der heutigen Kommunikationsmöglichkeiten und damit verbunden der internationalisierten Handlungszusammenhänge hätten sich potentiell aus dem Ausland drohende Gefahren (z.B. Cyberangriffe, Menschenhandel, Geldwäsche und internationaler Terrorismus) sichtbar vervielfältigt. Mit den Entwicklungen der Informationstechnik sei es möglich, auch vom Inland aus in erheblichem Umfang Auslandskommunikation zu erfassen.

Fernmeldegeheimnis und Pressefreiheit: §§ 6 Abs. 1, 8, 14 Abs. 1 BNDG ermächtigten zur Erhebung und Übermittlung personenbezogener Daten durch heimliche TKÜ und beträfen damit das nach Art. 10 Abs. 1 GG geschützte Telekommunikationsgeheimnis. Ebenfalls berührten sie die als Journalisten tätigen Beschwerdeführer wegen der Überwachung der beruflichen Kommunikation etwa mit Informanten in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Damit sei nicht nur ein Eingriff gegenüber im Ausland lebenden ausländischen Staatsangehörigen, sondern trotz § 6 Abs. 4 BNDG auch ein Eingriff gegenüber Deutschen/Inländern verbunden, weil angesichts der unvollständigen Filterung nach derzeitigem Stand der Technik eine anschließende händische Sicherung erforderlich sei.

Formelle Verfassungswidrigkeit: Zwar könnten die angegriffenen Vorschriften auf eine hinreichende Kompetenzgrundlage für außen- und sicherheitspolitische Angelegenheiten gem. Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG gestützt werden, die die politische Information der Bundesregierung sowie die Gefahrenfrüherkennung umfasse, wenn diese eine hinreichend internationale Dimension aufwiesen (z.B. internationale Kriminalität, Cyberangriffe oder Terrorakte aufgrund internationaler Konfliktlagen). Sie verstießen jedoch gegen das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG.

Grundsätzliche Rechtfertigungsfähigkeit: Obwohl die strategische Fernmeldeüberwachung anlasslos ohne Eingriffsschwelle zu schweren Grundrechtseingriffen berechtige, könne sie durch das Ziel der Auslandsaufklärung bei hinreichend begrenzender Ausgestaltung vor Art. 10 Abs. 1 GG und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gerechtfertigt werden. In der Gefahrenfrüherkennung und der Versorgung mit der Regierung mit außen- und sicherheitspolitischen Informationen liege ein legitimes Ziel und die TKÜ sei hierfür trotz der Miterfassung irrelevanter Informationen geeignet und erforderlich.

Besonders erhöhtes Eingriffsgewicht: Die AAF werde anlasslos ohne objektive Eingriffsschwellen gegenüber jeder Person im Rahmen nur abstrakt vorgegebener Zwecke erlaubt. Heute würden immens große Datenströme und eine unübersehbare Zahl von elektronischen ubiquitären Formen auch spontaner oder höchst privater Kommunikation einschließlich des Austauschs von Bildern und Dokumenten erfasst. Zugleich reichten die Analysemöglichkeiten durch automatische Spracherkennung und Übersetzung weit. Die strategische TKÜ rücke durch ihre Möglichkeiten personenbezogener Überwachungen an die individuelle TKÜ heran. Schließlich ermöglichten Verkehrsdaten tiefgehende Einblicke ins Kommunikations- und Bewegungsverhalten.

Rechtfertigung der Schwellenlosigkeit: Im Verzicht auf konkretisierende Eingriffsschwellen liege eine Freistellung von einem Kernelement rechtsstaatlicher Anforderungen, das als Kontrollinstrument anhand objektiver begrenzender Kriterien für innerstaatlich tätige Sicherheitsbehörden schon für weniger eingriffsintensive Grundrechtseingriffe unverzichtbar sei. Bei der nachrichtendienstlichen Auslandsaufklärung, soweit diese auf allgemeine Informationssammlung oder auf Gefahrenfrüherkennung ziele, könne dem BND auch das nur durch die Zielsetzung begrenzte Instrument der strategischen TKÜ an die Hand geben werden.

Interesse an Auslandsaufklärung: Im Zuge der Entwicklung von Informationstechnik, Kommunikationsverhalten und grenzüberschreitender Verflechtung der Lebensbedingungen hätten Bedrohungen vom Ausland aus etwa durch vernetzte internationale Kriminalität (z.B. Geldwäsche, Menschenhandel Cyberattacken, Terrorismus und Kriegswaffenhandel) erheblich zugenommen. Somit gewinne deren Früherkennung durch Auslandsaufklärung auch für überragende verfassungsrechtliche Rechtsgüter der Sicherheit von Bund und Ländern sowie für Leib, Leben und Freiheit besondere Bedeutung.

Begrenzte Datenerhebung und -verarbeitung: Zur Begrenzung der Überwachung habe der Gesetzgeber zunächst einschränkende Maßgaben zum Volumen der für die jeweiligen Übertragungswege auszuleitenden Daten vorzugeben und sicherzustellen, dass das abgedeckte geographische Gebiet begrenzt bleibe.

Ausfilterung: Auf jeden Fall bedürfe es einer Aussonderung der von vornherein für eine anlasslose TKÜ nicht in Betracht kommenden Inlandskommunikation. Anschließend könne dann die strategische Überwachung einerseits auf die Überwachung der in § 5 G10 sog. internationalen Kommunikation (Inland-Ausland-Kommunikation) und anderseits die Überwachung der ein geringeres Eingriffsgewicht aufweisenden Ausland-Ausland-Kommunikation zielen.

Anforderungen an Filterprozesse: Wenn technisch unvermeidbar zunächst unterschiedslos alle Daten erfasst würden, müsse normenklar geregelt sein, dass die reine Inlandskommunikation und ggf. die Inland-Ausland-Kommunikation mit allen Mitteln nach dem jeweiligen Stand der Technik herausgefiltert und spurenlos gelöscht werden müsse, bevor eine manuelle Auswertung erfolge. Diese Auswertung führe nur dann nicht zur Löschung, wenn die Daten aus sich heraus eine unmittelbar bevorstehende konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person, für lebenswichtige Güter der Allgemeinheit oder für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes erkennen lassen würden. In Betracht kämen gefahrbezogene Zwecke, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung auf den Schutz hochrangiger Gemeinschaftsgüter gerichtet seien, deren Verletzung schwere Schäden für den äußeren und inneren Frieden oder die Rechtsgüter Einzelner zur Folge hätte.

Formalisierte Festlegung der TKÜ: Zum Ausgleich für die Anlasslosigkeit sei die strategische Überwachung an Verfahrensregelungen zu binden, die die Ausrichtung auf die jeweiligen Zwecke rationalisierend strukturierten und damit auch kontrollierbar machten. Erforderlich sei, dass die Festlegung die Maßnahme hinsichtlich der aufzuklärenden Art der Gefahr sowie des geographischen Fokus und Dauer näher konkretisiere. Für die Festlegung der Maßnahme selbst bedürfe es entsprechend einem Richtervorbehalt bei individualbezogener TKÜ einer gerichtsähnlichen Kontrolle, die nur in Eilfällen nachträglich stattfinden dürfe.

Regelung potentieller Überwachungsadressaten: Die gezielte anlasslose TKÜ von Deutschen sei wie für die Inland-Ausland-Aufklärung gem. § 5 Abs. 2 G10 auch für die AAF auszuschließen. Der Gesetzgeber könne etwa nach Präferenzregeln die Überwachung von Personen vorsehen, die als mögliche Gefahrenverursacher, qualifizierter Informant oder unbeteiligte Person in Betracht kämen. Gegenüber Personen, denen etwa als mögliche Gefahrenverursacher Folgemaßnahmen drohten, habe der Gesetzgeber wegen gesteigerter Wahrscheinlichkeit von belastenden Folgen eine gerichtsähnliche Vorabkontrolle der Verhältnismäßigkeit vorzusehen.

Grenzen für bevorratete Verkehrsdaten: Die für eine bevorratende Speicherung von Verkehrsdaten erfassten Datenströme müssten substantiell begrenzt bleiben und eine Höchstspeicherungsdauer von sechs Monaten dürfe nicht überschritten werden.

Schutz von Vertraulichkeitsbeziehungen: Der Schutz von Vertraulichkeitsbeziehungen insb. für Journalisten oder Rechtsanwälte folge schon aus den sich aus Art. 10 Abs. 1 GG abzuleitenden Verhältnismäßigkeitsanforderungen. Es sei sicherzustellen, dass das Eindringen in Vertraulichkeitsbeziehungen nur zur Aufklärung von schwerwiegenden Gefahren und besonders schweren Straftaten zulässig sei.

Kernbereichsschutz: Selbst überragende Interessen der Allgemeinheit könnten einen Eingriff in den nach Art. 10 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG absolut geschützten Bereich privater Lebensgestaltung nicht rechtfertigen. Geschützt sei insb. die nichtöffentliche Kommunikation mit Personen des höchstpersönlichen Vertrauens, die in der berechtigten Annahme geführt werde, nicht überwacht zu werden. Trotz Straftatenbezugs könnten Situationen, in denen Einzelnen gerade ermöglicht werden solle, ein Fehlverhalten einzugestehen (z.B. Psychotherapie, Strafverteidiger- oder Beichtgespräche), der höchstpersönlichen Privatsphäre unterfallen. Für die händische Datenauswertung sei gesetzlich sicherzustellen, dass die weitere Auswertung bei Kernbereichsrelevanz unverzüglich unterbrochen werden müsse.

Löschungs- und Aufbewahrungsprüfpflichten: Löschungsregelungen hätten normenklar sicherzustellen, dass die zunächst miterfassten Daten, die verfassungsrechtlich der inhaltlichen Sichtung entzogen seien, sofort gelöscht würden. Soweit Informationen in Blick auf eine weitere Verwendung länger gespeichert würden, seien hierfür entsprechende Regelungen zu schaffen. Dabei seien in engen Abständen Prüfpflichten vorzusehen, die verhinderten, dass Daten ohne Rechtfertigung gespeichert blieben.

Maßstäbe für die Datenübermittlung: Übermittlungen personenbezogener Daten seien nur zum Schutz besonderer gewichtiger Rechtsgüter gerechtfertigt und setzten als Übermittlungsschwelle eine konkretisierte Gefahrenlage oder einen hinreichend konkretisierten Tatverdacht voraus. Die Übermittlung personenbezogener Daten, mit der eine Behörde die von ihr erhobenen Daten einer anderen Stelle zugänglich mache, begründe einen eigenen Eingriff in das bei der ursprünglichen Datenerhebung bereits beeinträchtigte Grundrecht, der einer eigenen normenklaren und hinreichend bestimmten Rechtsgrundlage mit Warn- und Verdeutlichungsfunktion bedürfe.

Hypothetische Datenneuerhebung: Wenn schon die Datenerhebung weit im Gefahrenvorfeld keine Eingriffsschwellen voraussetze, erfordere dies verfassungsrechtlich im Gegenzug, dass hinreichend konkrete und qualifizierte Eingriffsschwellen wenigstens für die weitere Übermittlung der hieraus gezogenen Erkenntnisse gelten müssten. Weil den Sicherheitsbehörden eine anlasslose TKÜ innerstaatlich von vornherein nicht zur Verfügung gestellt werden dürfe, seien die Anforderungen eines herausragenden öffentlichen Interesses zugrunde zu legen, die für besonders schwere Maßnahmen wie Wohnraumüberwachung oder Online-Durchsuchung gälten.

Rechtsgüterschutz und Übermittlungsschwellen: Abzustellen sei bei der Gefahrenabwehr grundsätzlich unmittelbar auf Rechtsgüter selbst. Eine Übermittlung zu Zwecken der Strafverfolgung sei nur bei besonders schweren, durch Straftatenkataloge zu konkretisierender Straftaten gerechtfertigt. Für die Gefahrenabwehr bedürfe es einer hinreichend konkret absehbaren Gefahrenlage, so dass zumindest tatsächliche Anhaltspunkte für die Entstehung einer konkreten Gefahr für die Schutzgüter bestünden.

Datenübermittlung an die Bundesregierung: Bei ausschließlicher Regierungsinformation sei ein überragendes öffentliches Interesse auch unabhängig von konkretisierten Gefahrenlagen und gegenüber überwachten Personen anzuerkennen. Soweit nicht Personen in staatspolitischen Funktionen des Auslands in Frage stünden, gegenüber denen das öffentliche Interesse eine Überwachung grundsätzlich rechtfertigen könne, werde es auf personenbezogene Daten oft schon nicht ankommen, so dass diese ausgesondert werden müssten. Die Eingriffsintensität sei vermindert, weil durch die bloße politische Regierungsinformation keine Maßnahmen gegen Betroffene zu befürchten sei.

Erhebung zur Gefahrenfrüherkennung: Sollten Informationen aus einer Gefahrenfrüherkennung über die Bundesregierung oder über Landesregierungen an andere operativ tätige Stellen oder die innerstaatliche Verwaltung weitergeleitet werden, setze dies qualifizierten Rechtsgüterschutz und Eingriffsschwellen voraus. Erfolge eine Erhebung nicht zur Gefahrenfrüherkennung, sei eine Weiterleitung ausnahmsweise möglich, soweit die Daten eine unmittelbar bevorstehende Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit, für lebenswichtige Güter der Allgemeinheit oder für den Bestand oder die Sicherheit von Bundes oder Land erkennen ließen.

Datenübermittlung ins Ausland: Für Rechtsgüterschutz und Eingriffsschwellen dürfe der Eigenständigkeit ausländischer Rechtsordnungen Rechnung getragen werden. Notwendig sei für die erforderliche Rechtsstaatlichkeitsvergewisserung ein angemessenes materielles datenschutzrechtliches Niveau für den Umgang mit den übermittelten Daten im Empfängerstaat (Zweckbindung, Löschungspflichten, Kontrolle und Datensicherheit). Des Weiteren seien Auskunftsrechte erforderlich, um die Befürchtung einer Verletzung elementare rechtsstaatlicher Grundsätze ausschließen zu können.

Kooperationsoffenheit des Grundgesetzes: Als völkerrechtsfreundliche Ordnung (vgl. Präambel, Art. 1 Abs. 2, Art. 9 Abs. 2, Art. 16 Abs. 2 GG) sei das GG für Kooperationen zwischen Nachrichtendiensten offen, die zudem für die Gefahrenabwehr von großer Bedeutung seien.

Keine Inlandsüberwachung: Der Schutz vor Inlandsüberwachung und die Anforderungen an die AAF dürften nicht durch einen freien Ringtausch um ihre Wirkung gebracht werden. Zur Wahrung von Art. 10 Abs. 1 GG sei zunächst sicherzustellen, dass die TK-Daten von Deutschen/Inländern einschließlich der von Partnerdiensten übernommenen Suchbegriffe ausgefiltert und sonst bei einer erst späteren Identifizierung unverzüglich ausgesondert würden. Weiterhin müssten die Kooperationszwecke präzise und normenklar festgelegt und auf den Schutz hochrangiger Gemeinschaftsgüter beschränkt sein.

Anforderungen an fremde Selektoren: Hinsichtlich der von Partnerdiensten bestimmten Suchmerkmale bedürfe es zunächst einer Plausibilitätskontrolle des Überwachungszwecks. Aus Selektoren und von ihnen gefilterte Daten seien dann unter Verfolgungsdruck stehende Personen (z.B. Dissidenten, Whistleblower) oder solche aus Vertraulichkeitsbeziehungen auszusondern. Ausnahmsweise kämen nach händischer Prüfung Überwachungsmaßnahmen bei qualifiziertem Rechtsgüterschutz, Eingriffsschwellen, Plausibilisierung, Abwägung und gerichtsähnlicher Vorabkontrolle in Betracht.

Zusagen der Partnerdienste: Für die automatische Übermittlung nicht vollständig ausgewerteter Daten sei die gehaltvolle Zusage zu fordern, nicht länger als sechs Monate zu speichern und Datenverkehre unter Beteiligung von Deutschen/Inländern, bei Vertraulichkeitsbeziehungen oder Überschreitung für den BND geltender Ermittlungsgrenzen prinzipiell unverzüglich zu löschen.

Transparenzdefizite der Datenverarbeitung: Da die Auslandsaufklärung weithin auf Geheimhaltung verwiesen sei, könnten Auskunftsansprüche betroffener Personen in erheblichem Umfang beschränkt werden. Gegenüber Personen im Inland bedürfe es Benachrichtigungsregelungen insb. für den Fall, dass Kommunikation unter Beteiligung von Deutschen/Inländern erst i.R.d. manuellen Auswertung erkannt werde. Für Aktivitäten des BND hingegen, die unmittelbar ins Ausland hineinwirkten, bestehe zum Quellenschutz ein elementares Interesse daran, dass diese insgesamt unbemerkt blieben.

Objektivrechtliche Rechtskontrolle: Eine ausgebaute unabhängige objektivrechtliche Kontrolle schaffe einen Ausgleich für die bloß finale Anleitung und sehr begrenzte Auskunfts- und Benachrichtigungspflichten. Zum einen seien durch eine gerichtsähnliche Kontrolle vergleichbar dem Richtervorbehalt Spruchkörper vorzusehen, die mit Personen in gleichsam richterlich Unabhängigkeit besetzt seien und in formalisierten Verfahren abschließend mit Wirkung für Bundesregierung und BND zu wesentlichen Verfahrensschritten entschieden. Zum anderen sei eine unabhängige administrative Rechtskontrolle mit Beanstandungsrecht gegenüber dem gerichtsähnlichen Entscheidungsgremium einzurichten, der es möglich sei, eigeninitiativ stichprobenmäßig den gesamten Prozess zu prüfen.

Institutionelle Ausgestaltung: Zu gewährleisten sei eine kontinuierliche Kontrolle in institutioneller Eigenständigkeit (Budgetrecht, Personalhoheit, Weisungsfreiheit, hinreichend lange Bestellung). Möglich wäre die administrative Rechtskontrolle durch den BfDI und die Zusammenfassung mit der gerichtsähnlichen unter einem Dach. Beiden Kontrollinstanzen sei umfassend und jederzeit Zugang zu allen Unterlagen und Diensträumen einzuräumen und sie seien bei ihrer selbst organisierten Aufgabenerfüllung zu unterstützen.

Keine Beschränkung durch „Third Party Rule“: Es seien durch die Art der Ausgestaltung der Kontrollinstanzen sowie durch veränderte Absprachen mit den ausländischen Diensten die Bedingungen dafür zu schaffen, dass die mit der Rechtskontrolle betrauten Instanzen nicht mehr als „Dritte“ angesehen würden. Da die Geheimhaltung im parlamentarisch-politischen Umfeld faktischen Grenzen unterliege, dürfe die Unterrichtung des Parlamentarischen Kontrollgremiums i.S.v. Art. 45d GG auf eine abstrakte Form beschränkt werden.


Wussten Sie schon?

Werden Sie jetzt Teilnehmer beim Anwalt-Suchservice und Sie greifen jederzeit online auf die Zeitschrift „IT-Rechtsberater“ des renommierten juristischen Fachverlags Dr. Otto Schmidt, Köln, zu.

Die Zeitschrift ist speziell auf Praktiker zugeschnitten. Sie lesen aktuelle Urteilsbesprechungen inklusive speziellem Beraterhinweis sowie Fachaufsätze und Kurzbeiträge zum Thema IT-Recht und zwar 24/7, also wo und wann immer Sie wollen.

Infos zur Teilnahme