Cannabis als Medikament: Wie ist die Rechtslage?
05.09.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
© Bu - Anwalt-Suchservice Cannabis wird seit langem ein medizinischer Nutzen zugesprochen. In früheren Zeiten war es für Patienten praktisch unmöglich, eine Sondererlaubnis zum legalen Erwerb von Cannabis zu bekommen. Diese Regeln haben sich aber im März 2017 geändert. Mittlerweile ist auch der Selbstanbau im Rahmen der Teil-Legalisierung erlaubt.
Für Cannabis gibt es viele medizinische Anwendungsmöglichkeiten. Es hat einerseits eine brechreizlindernde und appetitanregende Wirkung. Dies kommt beispielsweise Patienten in der Krebstherapie zugute, die aufgrund einer Chemotherapie unter dauerndem Brechreiz leiden und kaum noch Nahrung aufnehmen können. Es wird auch zur Schmerztherapie verwendet, insbesondere bei chronischen Schmerzen und wenn ein Patient keine anderen Schmerzmittel mehr verträgt. Dabei wird es meist gegen Schmerzen eingesetzt, die ihre Ursache im Nervensystem haben. Dies sind zum Beispiel Schmerzen bei Krebspatienten nach einer Strahlentherapie oder Phantomschmerzen nach Amputationen. Bei Multipler Sklerose nutzt man es zur Unterdrückung von Spasmen, Lähmungen und Krämpfen. Die Pflanze wirkt entzündungshemmend und muskelentspannend. Verschrieben wird Cannabis in Form von Hanfblüten, aber auch in Kapseln, Tropfen, Öl oder Mundspray. Beispiele für aus Cannabis gewonnene Wirkstoffe sind Dronabinol und Nabilon.
Am 10. März 2017 wurden im Rahmen des “Gesetzes zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften" verschiedene Gesetze geändert. Darunter war auch eine Änderung der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung, die es Ärzten seitdem ermöglicht, Cannabis als Medikament zu verschreiben. Dieses erhält der Patient dann in der Apotheke. Der Anbau von medizinischem Hanf erfolgt unter kontrollierten Bedingungen durch lizensierte Produzenten. Die Kosten für das Cannabis-Medikament trägt die Krankenversicherung. Entfallen ist die früher notwendige Genehmigung durch die Bundesopiumstelle. Besondere Gesetze befassen sich mit dem Anbau und der Preisgestaltung.
Seit 1.4.2024 dürfen Volljährige in ihrer Wohnung bis zu drei Cannabispflanzen anbauen. Zu Hause dürfen bis zu 50 Gramm Cannabis in getrockneter Form aufbewahrt werden. Unterwegs dürfen bis zu 25 Gramm mitgeführt werden. Für den Konsum in der Öffentlichkeit gibt es Einschränkungen. Seit Juli 2024 sind auch sogenannte Cannabis-Anbauvereine zulässig, deren Gründung jedoch oft noch problematisch zu sein scheint.
Näheres erfahren Sie hier:
Cannabis-Legalisierung: Die häufigsten Fragen und Antworten
Gesetzlich Krankenversicherte haben gemäß § 31 Absatz 6 des Fünften Sozialgesetzbuches (SGB V) Anspruch auf Versorgung mit Cannabis, wenn sie unter einer schwerwiegenden Erkrankung leiden und
- andere Therapien nicht verfügbar sind, nicht anschlagen oder die Nebenwirkungen größer wären als bei einer Cannabis-Behandlung,
- eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine positive Entwicklung für den Krankheitsverlauf oder die Symptome besteht.
Meist wird Cannabis Personen verschrieben, die schwer krank sind. Dazu gehören Patienten, die wegen Multipler Sklerose ständig Schmerzen haben, oder Aids- und Krebspatienten mit permanenter Appetitlosigkeit und Übelkeit. Die Einnahme der Medikamente nehmen die Patienten selbst vor, unter ärztlicher Kontrolle.
Seit 1.4.2024 verordnen Ärzte medizinisches Cannabis per elektronischem Rezept. Seit der Teillegalisierung unterliegt die Verordnung von Cannabisarzneimitteln nicht mehr dem Betäubungsmittelgesetz, was die Verschreibung erleichtert. Eine Ausnahme gilt jedoch für das synthethische Cannabinoid Nabilon. Dieses unterliegt weiter dem Betäubungsmittelgesetz. Auch Nabilon kann ärztlich verordnet werden, hier ist jedoch ein besonderes BTM-Rezept mit zusätzlichen Angaben und genauen Dosierungsvorgaben erforderlich.
Medizinisches Cannabis gab es lange Zeit nur als Import aus dem Ausland, besonders aus den Niederlanden und Kanada. Solche Importe unterliegen der Kontrolle der Bundesopiumstelle. Mittlerweile gibt es drei Unternehmen, die in Deutschland Cannabis anbauen. Seit einiger Zeit ist dieses in den Apotheken erhältlich. Dabei wird der Anbau und der Handel streng reglementiert von der Cannabisagentur, einer Dienststelle des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).
Diese Agentur kauft das Cannabis, verkauft es ohne Gewinn an Hersteller von Medikamenten und legt auch einen Hersteller-Abgabepreis fest. Derzeit liegt dieser bei 4,30 Euro pro Gramm. Auf den Endpreis in den Apotheken hat die Agentur keinen Einfluss. Importe finden offenbar auch weiterhin statt.
Wer als Patient Cannabis auf Rezept bekommen möchte, muss zuerst bei der Krankenkasse einen Antrag auf Kostenübernahme stellen. Wenn dieser abgelehnt wird, kann man dagegen Widerspruch einlegen. Die Krankenkassen prüfen unter Mitwirkung ihres Medizinischen Dienstes, ob eine Verordnung von Cannabis gerechtfertigt ist. Abgelehnt werden soll diese nur im Ausnahmefall.
Zu den Voraussetzungen für eine Kostenübernahme gehört, dass Patient und Arzt bereit sind, an einer begleitenden Studie teilzunehmen, bei der in den nächsten Jahren untersucht werden soll, wie hoch der Nutzen von Cannabis als Medikament ist. Dabei werden die persönlichen Daten der Patienten anonymisiert.
Nach einem Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe kommt eine durch die gesetzliche Krankenkasse finanzierte Versorgung mit Cannabis-Medikamenten nur in Frage, wenn "wenn geeignete, allgemein anerkannte und dem medizinischen Standard entsprechende Behandlungsmethoden nicht mehr zur Verfügung stehen". Es müssen also alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sein. In dem Fall ging es um einen 27-jährigen Mann mit einem chronischen Schmerzsyndrom. Nachdem verschiedene Schmerzmittel nicht mehr halfen, hatte ihm ein Arzt ein Cannabis-Mundspray verordnet - durchaus mit Erfolg. Die Krankenkasse berief sich jedoch darauf, dass es auch andere Möglichkeiten gegeben hätte - etwa eine multimodale Therapie, ein aktivierendes Training, Reha-Behandlungen und eine psychotherapeutische Mitbehandlung. Das Gericht bestätigte die Ansicht der Kasse. Allerdings ist gegen das Urteil eine Berufung möglich (Urteil vom 27.1.2022, Az. S 15 KR 2520/20).
Am 10.11.2022 hat das Bundessozialgericht in vier Fällen entschieden, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit die Krankenkasse eine Verordnung von Cannabis billigen muss. Voraussetzung für eine Cannabistherapie ist zunächst eine schwerwiegende Erkrankung. Eine Erkrankung gilt als schwerwiegend, wenn sie lebensbedrohlich ist oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt.
Cannabis darf dem Urteil zufolge auch verordnet werden, wenn noch andere Standardtherapien verfügbar wären. Voraussetzung ist jedoch, dass der behandelnde Arzt genau begründet, warum hier keine Standardtherapie zur Anwendung kommen kann. Der Arzt muss dazu das Krankheitsbild des Patienten genau dokumentieren. Die Therapiealternativen müssen geprüft und die Erfolgschancen und Risiken der verschiedenen Therapien sorgfältig gegeneinander abgewogen werden. Nimmt der Arzt eine solche umfangreiche Einschätzung vor, darf die Krankenkasse das Ergebnis nur noch daraufhin überprüfen, ob die Grundlagen für die ärztliche Entscheidung vollständig, nachvollziehbar und das Abwägungsergebnis nicht vollkommen unplausibel ist. Der Arzt muss ebenfalls im Einzelfall genau abwägen, ob eine Suchtmittelabhängigkeit der Behandlung entgegensteht.
Einen Anspruch auf Versorgung mit dem kostengünstigsten Mittel haben Patienten nur, wenn es mehrere gleich geeignete Mittel gibt (Urteile vom 10.11.2022, Az. B 1 KR 21/21 R, B 1 KR 28/21 R, B 1 KR 9/22 R, B 1 KR 19/22 R).
Statistiken des Bundesgesundheitsministeriums zufolge nahmen 2016 insgesamt 779 Menschen medizinisches Cannabis zu sich, 2017 waren es 1.061 und 2018 rechnete man mit etwa 5.000 (Zahlen inklusive Ausnahmegenehmigungen).
Im Jahr 2019 wurde gesetzlich krankenversicherten Patienten über 267.000 Mal Cannabis verschrieben (Anzahl der Rezepte, nicht der Patienten!). Dies ist eine Steigerung von 44 Prozent zum Vorjahr. 2020 waren es 320.000 Verordnungen.
Es kommt jedoch immer noch vor, dass der Antrag von Patienten auf Kostenübernahme durch die Krankenkasse abgelehnt wird. Dabei ist die Definition einer “schweren” Erkrankung häufig das Problem.
Am 11. Februar 2015 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass eine Hausdurchsuchung mit Beschlagnahme von Cannabispflanzen bei einem Schwerkranken, der eine behördliche Erlaubnis zum Cannabisbesitz zu Therapiezwecken hat, sich aber die entsprechenden cannabishaltigen Fertigpräparate nicht leisten könne, unverhältnismäßig und verfassungswidrig ist (Az. 2 BvR 1694/14). Die Verfassungsrichter beanstandeten insbesondere, dass das zuständige Amtsgericht bei der Anordnung dieser Maßnahmen keine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgenommen und auf eine einzelfallbezogene Begründung verzichtet hatte.
Die Entscheidungen einer Krankenkasse sind anfechtbar. Hier kann ein Fachanwalt für Medizinrecht betroffenen Patienten helfen, ihren Anspruch auf Kostenerstattung durchzusetzen. Beispielsweise kann der Anwalt ausreichend begründen, warum genau im jeweiligen Einzelfall eine ausreichend schwere Erkrankung vorliegt.
Das Wichtigste in Kürze
1. Grundsatz: Gesetzlich Krankenversicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Cannabis, wenn sie unter einer schwerwiegenden Erkrankung leiden. Eine Erkrankung gilt als schwerwiegend, wenn sie lebensbedrohlich ist oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt.
2. Letztes Mittel: Eine Behandlung mit Cannabis kommt grundsätzlich nur in Betracht, wenn geeignete, allgemein anerkannte und dem medizinischen Standard entsprechende Behandlungsmethoden nicht mehr zur Verfügung stehen.
3. Kostenübernahme: Wer als gesetzlich versicherter Patient Cannabis auf Rezept bekommen möchte, muss zunächst bei der Krankenkasse einen Antrag auf Kostenübernahme stellen. Gegen eine ablehnende Entscheidung sind Widerspruch und Klage möglich.
1. Grundsatz: Gesetzlich Krankenversicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Cannabis, wenn sie unter einer schwerwiegenden Erkrankung leiden. Eine Erkrankung gilt als schwerwiegend, wenn sie lebensbedrohlich ist oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt.
2. Letztes Mittel: Eine Behandlung mit Cannabis kommt grundsätzlich nur in Betracht, wenn geeignete, allgemein anerkannte und dem medizinischen Standard entsprechende Behandlungsmethoden nicht mehr zur Verfügung stehen.
3. Kostenübernahme: Wer als gesetzlich versicherter Patient Cannabis auf Rezept bekommen möchte, muss zunächst bei der Krankenkasse einen Antrag auf Kostenübernahme stellen. Gegen eine ablehnende Entscheidung sind Widerspruch und Klage möglich.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Wie wird Cannabis als Medikament eingesetzt? Wie ist die aktuelle Rechtslage? Wer bekommt Cannabis auf Rezept? Wo kommt das medizinische Cannabis her? Wie funktioniert die Kostenübernahme? Cannabis: Wann zahlt die Krankenkasse? Bundessozialgericht zu Cannabis auf Rezept Wie sieht die bisherige Praxis aus? Wann ist eine Beschlagnahme unzulässig? Praxistipp zu Cannabis auf Rezept Wie wird Cannabis als Medikament eingesetzt?
Für Cannabis gibt es viele medizinische Anwendungsmöglichkeiten. Es hat einerseits eine brechreizlindernde und appetitanregende Wirkung. Dies kommt beispielsweise Patienten in der Krebstherapie zugute, die aufgrund einer Chemotherapie unter dauerndem Brechreiz leiden und kaum noch Nahrung aufnehmen können. Es wird auch zur Schmerztherapie verwendet, insbesondere bei chronischen Schmerzen und wenn ein Patient keine anderen Schmerzmittel mehr verträgt. Dabei wird es meist gegen Schmerzen eingesetzt, die ihre Ursache im Nervensystem haben. Dies sind zum Beispiel Schmerzen bei Krebspatienten nach einer Strahlentherapie oder Phantomschmerzen nach Amputationen. Bei Multipler Sklerose nutzt man es zur Unterdrückung von Spasmen, Lähmungen und Krämpfen. Die Pflanze wirkt entzündungshemmend und muskelentspannend. Verschrieben wird Cannabis in Form von Hanfblüten, aber auch in Kapseln, Tropfen, Öl oder Mundspray. Beispiele für aus Cannabis gewonnene Wirkstoffe sind Dronabinol und Nabilon.
Wie ist die aktuelle Rechtslage?
Am 10. März 2017 wurden im Rahmen des “Gesetzes zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften" verschiedene Gesetze geändert. Darunter war auch eine Änderung der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung, die es Ärzten seitdem ermöglicht, Cannabis als Medikament zu verschreiben. Dieses erhält der Patient dann in der Apotheke. Der Anbau von medizinischem Hanf erfolgt unter kontrollierten Bedingungen durch lizensierte Produzenten. Die Kosten für das Cannabis-Medikament trägt die Krankenversicherung. Entfallen ist die früher notwendige Genehmigung durch die Bundesopiumstelle. Besondere Gesetze befassen sich mit dem Anbau und der Preisgestaltung.
Seit 1.4.2024 dürfen Volljährige in ihrer Wohnung bis zu drei Cannabispflanzen anbauen. Zu Hause dürfen bis zu 50 Gramm Cannabis in getrockneter Form aufbewahrt werden. Unterwegs dürfen bis zu 25 Gramm mitgeführt werden. Für den Konsum in der Öffentlichkeit gibt es Einschränkungen. Seit Juli 2024 sind auch sogenannte Cannabis-Anbauvereine zulässig, deren Gründung jedoch oft noch problematisch zu sein scheint.
Näheres erfahren Sie hier:
Cannabis-Legalisierung: Die häufigsten Fragen und Antworten
Wer bekommt Cannabis auf Rezept?
Gesetzlich Krankenversicherte haben gemäß § 31 Absatz 6 des Fünften Sozialgesetzbuches (SGB V) Anspruch auf Versorgung mit Cannabis, wenn sie unter einer schwerwiegenden Erkrankung leiden und
- andere Therapien nicht verfügbar sind, nicht anschlagen oder die Nebenwirkungen größer wären als bei einer Cannabis-Behandlung,
- eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine positive Entwicklung für den Krankheitsverlauf oder die Symptome besteht.
Meist wird Cannabis Personen verschrieben, die schwer krank sind. Dazu gehören Patienten, die wegen Multipler Sklerose ständig Schmerzen haben, oder Aids- und Krebspatienten mit permanenter Appetitlosigkeit und Übelkeit. Die Einnahme der Medikamente nehmen die Patienten selbst vor, unter ärztlicher Kontrolle.
Seit 1.4.2024 verordnen Ärzte medizinisches Cannabis per elektronischem Rezept. Seit der Teillegalisierung unterliegt die Verordnung von Cannabisarzneimitteln nicht mehr dem Betäubungsmittelgesetz, was die Verschreibung erleichtert. Eine Ausnahme gilt jedoch für das synthethische Cannabinoid Nabilon. Dieses unterliegt weiter dem Betäubungsmittelgesetz. Auch Nabilon kann ärztlich verordnet werden, hier ist jedoch ein besonderes BTM-Rezept mit zusätzlichen Angaben und genauen Dosierungsvorgaben erforderlich.
Wo kommt das medizinische Cannabis her?
Medizinisches Cannabis gab es lange Zeit nur als Import aus dem Ausland, besonders aus den Niederlanden und Kanada. Solche Importe unterliegen der Kontrolle der Bundesopiumstelle. Mittlerweile gibt es drei Unternehmen, die in Deutschland Cannabis anbauen. Seit einiger Zeit ist dieses in den Apotheken erhältlich. Dabei wird der Anbau und der Handel streng reglementiert von der Cannabisagentur, einer Dienststelle des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).
Diese Agentur kauft das Cannabis, verkauft es ohne Gewinn an Hersteller von Medikamenten und legt auch einen Hersteller-Abgabepreis fest. Derzeit liegt dieser bei 4,30 Euro pro Gramm. Auf den Endpreis in den Apotheken hat die Agentur keinen Einfluss. Importe finden offenbar auch weiterhin statt.
Wie funktioniert die Kostenübernahme?
Wer als Patient Cannabis auf Rezept bekommen möchte, muss zuerst bei der Krankenkasse einen Antrag auf Kostenübernahme stellen. Wenn dieser abgelehnt wird, kann man dagegen Widerspruch einlegen. Die Krankenkassen prüfen unter Mitwirkung ihres Medizinischen Dienstes, ob eine Verordnung von Cannabis gerechtfertigt ist. Abgelehnt werden soll diese nur im Ausnahmefall.
Zu den Voraussetzungen für eine Kostenübernahme gehört, dass Patient und Arzt bereit sind, an einer begleitenden Studie teilzunehmen, bei der in den nächsten Jahren untersucht werden soll, wie hoch der Nutzen von Cannabis als Medikament ist. Dabei werden die persönlichen Daten der Patienten anonymisiert.
Cannabis: Wann zahlt die Krankenkasse?
Nach einem Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe kommt eine durch die gesetzliche Krankenkasse finanzierte Versorgung mit Cannabis-Medikamenten nur in Frage, wenn "wenn geeignete, allgemein anerkannte und dem medizinischen Standard entsprechende Behandlungsmethoden nicht mehr zur Verfügung stehen". Es müssen also alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sein. In dem Fall ging es um einen 27-jährigen Mann mit einem chronischen Schmerzsyndrom. Nachdem verschiedene Schmerzmittel nicht mehr halfen, hatte ihm ein Arzt ein Cannabis-Mundspray verordnet - durchaus mit Erfolg. Die Krankenkasse berief sich jedoch darauf, dass es auch andere Möglichkeiten gegeben hätte - etwa eine multimodale Therapie, ein aktivierendes Training, Reha-Behandlungen und eine psychotherapeutische Mitbehandlung. Das Gericht bestätigte die Ansicht der Kasse. Allerdings ist gegen das Urteil eine Berufung möglich (Urteil vom 27.1.2022, Az. S 15 KR 2520/20).
Bundessozialgericht zu Cannabis auf Rezept
Am 10.11.2022 hat das Bundessozialgericht in vier Fällen entschieden, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit die Krankenkasse eine Verordnung von Cannabis billigen muss. Voraussetzung für eine Cannabistherapie ist zunächst eine schwerwiegende Erkrankung. Eine Erkrankung gilt als schwerwiegend, wenn sie lebensbedrohlich ist oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt.
Cannabis darf dem Urteil zufolge auch verordnet werden, wenn noch andere Standardtherapien verfügbar wären. Voraussetzung ist jedoch, dass der behandelnde Arzt genau begründet, warum hier keine Standardtherapie zur Anwendung kommen kann. Der Arzt muss dazu das Krankheitsbild des Patienten genau dokumentieren. Die Therapiealternativen müssen geprüft und die Erfolgschancen und Risiken der verschiedenen Therapien sorgfältig gegeneinander abgewogen werden. Nimmt der Arzt eine solche umfangreiche Einschätzung vor, darf die Krankenkasse das Ergebnis nur noch daraufhin überprüfen, ob die Grundlagen für die ärztliche Entscheidung vollständig, nachvollziehbar und das Abwägungsergebnis nicht vollkommen unplausibel ist. Der Arzt muss ebenfalls im Einzelfall genau abwägen, ob eine Suchtmittelabhängigkeit der Behandlung entgegensteht.
Einen Anspruch auf Versorgung mit dem kostengünstigsten Mittel haben Patienten nur, wenn es mehrere gleich geeignete Mittel gibt (Urteile vom 10.11.2022, Az. B 1 KR 21/21 R, B 1 KR 28/21 R, B 1 KR 9/22 R, B 1 KR 19/22 R).
Wie sieht die bisherige Praxis aus?
Statistiken des Bundesgesundheitsministeriums zufolge nahmen 2016 insgesamt 779 Menschen medizinisches Cannabis zu sich, 2017 waren es 1.061 und 2018 rechnete man mit etwa 5.000 (Zahlen inklusive Ausnahmegenehmigungen).
Im Jahr 2019 wurde gesetzlich krankenversicherten Patienten über 267.000 Mal Cannabis verschrieben (Anzahl der Rezepte, nicht der Patienten!). Dies ist eine Steigerung von 44 Prozent zum Vorjahr. 2020 waren es 320.000 Verordnungen.
Es kommt jedoch immer noch vor, dass der Antrag von Patienten auf Kostenübernahme durch die Krankenkasse abgelehnt wird. Dabei ist die Definition einer “schweren” Erkrankung häufig das Problem.
Wann ist eine Beschlagnahme unzulässig?
Am 11. Februar 2015 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass eine Hausdurchsuchung mit Beschlagnahme von Cannabispflanzen bei einem Schwerkranken, der eine behördliche Erlaubnis zum Cannabisbesitz zu Therapiezwecken hat, sich aber die entsprechenden cannabishaltigen Fertigpräparate nicht leisten könne, unverhältnismäßig und verfassungswidrig ist (Az. 2 BvR 1694/14). Die Verfassungsrichter beanstandeten insbesondere, dass das zuständige Amtsgericht bei der Anordnung dieser Maßnahmen keine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgenommen und auf eine einzelfallbezogene Begründung verzichtet hatte.
Praxistipp zu Cannabis auf Rezept
Die Entscheidungen einer Krankenkasse sind anfechtbar. Hier kann ein Fachanwalt für Medizinrecht betroffenen Patienten helfen, ihren Anspruch auf Kostenerstattung durchzusetzen. Beispielsweise kann der Anwalt ausreichend begründen, warum genau im jeweiligen Einzelfall eine ausreichend schwere Erkrankung vorliegt.
(Ma)