Darf Arbeitgeber wegen Straftaten außerhalb der Arbeit kündigen?

06.11.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
Straftaten,Arbeit,Kündigung,Arbeitnehmer Straftaten im privaten Bereich: Wann gibt es Ärger in der Arbeit? © Rh - Anwalt-Suchservice

Auch kleine Straftaten gegen den Arbeitgeber sind ein anerkannter Kündigungsgrund. Sie zerstören das Vertrauensverhältnis nachhaltig. Wie sieht es aber mit Straftaten außerhalb des Betriebes aus?

Viele Menschen werden auf irgendeine Weise straffällig. Und viele davon sind Arbeitnehmer. Zu einer Straftat kann es leichter kommen, als man denkt: Zum Beispiel im Straßenverkehr, bei einer Auseinandersetzung im privaten Umfeld oder auch online. Kann eine Straftat, die überhaupt nichts mit der Arbeit und dem Betrieb zu tun hat, womöglich das Arbeitsverhältnis gefährden? Darf zum Beispiel ein Spediteur seiner Sekretärin kündigen, weil sie im Kosmetikgeschäft eine Flasche Parfüm geklaut hat? Darf ein Maschinenbaubetrieb einem Buchalter kündigen, weil dieser bei Facebook gegen Ausländer gehetzt hat? Darf ein Supermarkt einem Kassierer kündigen, weil dieser Unfallflucht begangen hat?

Wann kann der Chef mir wegen meines Verhaltens kündigen?


Ein Arbeitgeber kann Arbeitnehmern bei erheblichen Verstößen gegen arbeitsvertragliche Pflichten kündigen, wenn diese nicht durch irgendetwas gerechtfertigt sind und wenn der Arbeitnehmer die Schuld trägt. Allerdings muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet werden. Häufig entscheiden die Arbeitsgerichte, dass eine Kündigung als allerletzte und härteste Maßnahme im jeweiligen Fall nicht in Frage kommt, da erst einmal eine Abmahnung ausgereicht hätte, damit der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin das eigene Verhalten ändert. Erst, wenn die Abmahnung nichts bringt, ist eine fristlose Kündigung wegen des Verhaltens von Arbeitnehmern möglich. Die Arbeitsgerichte nehmen in solchen Fällen auch immer eine Abwägung der berechtigten Interessen von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite vor.

Weiterführende Infos zur sogenannten verhaltensbedingten Kündigung lesen Sie hier.
Arbeitsrecht: Wann ist eine verhaltensbedingte Kündigung zulässig?

Welche Folgen drohen mir bei Straftaten gegen den Arbeitgeber?


Es ist allgemein bekannt und nachvollziehbar, dass Arbeitgeber keine Straftaten gegen sich oder den Betrieb dulden müssen. Vor den Arbeitsgerichten wird häufig über sogenannte Bagatelldiebstähle gestritten. Dann geht es darum, ob schon ein geklautes übrig gebliebenes Schinkenbrötchen oder etwas Strom für den Handyakku eine fristlose Kündigung begründen können. Die Arbeitsgerichte sehen grundsätzlich auch Taten mit geringem Schaden als erheblichen Vertrauensbruch gegenüber dem Chef an.

Welche privaten Straftaten können für Arbeitgeber ein Kündigungsgrund sein?


Auch so manche Straftaten, die außerhalb des Betriebs stattfinden, lassen Arbeitgeber an eine Kündigung denken. Oft ist dies bei Straftaten der Fall, die eine Wirkung nach außen haben, die moralisch besonders verwerflich sind oder die den Betrieb in einem schlechten Licht erscheinen lassen. Naturgemäß sorgen Hetzkommentare auf Facebook oder ein Zeitungsfoto des Arbeitnehmers, wie er bei einer Demo Steine auf Polizisten wirft, eher für Unmut bei Arbeitgebern, als Angelegenheiten, von denen die Öffentlichkeit nichts mitbekommt – wie die geklaute Flasche Parfüm.

Welche Pflichten habe ich als Arbeitnehmer außerhalb der Arbeit?


Trotz allen kann eine verhaltensbedingte Kündigung nur stattfinden, wenn das Fehlverhalten des Arbeitnehmers irgendeinen Bezug zu seinem Arbeitsverhältnis hat. Sonst fehlt es einfach an einem Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten.

Allerdings gehören zu den Pflichten von Arbeitnehmern nicht nur diejenigen, welche der Arbeitsvertrag ausdrücklich erwähnt – wie etwa das Erbringen der Arbeitsleistung. Beide Vertragspartner haben zusätzlich sogenannte Nebenpflichten, die nicht direkt erwähnt werden müssen. Dazu gehört die gegenseitige Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Vertragspartners. Dies ergibt sich aus § 241 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Daher muss der Arbeitnehmer alles unterlassen, was gegen die Interessen des Arbeitgebers verstößt - und zwar auch außerhalb von Arbeit und Betrieb.

Wann hat eine Straftat Bezug zum Arbeitsverhältnis?


Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass Arbeitnehmer ihre Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis so erfüllen und die Interessen des Arbeitgebers so wahren müssen, wie man es von ihnen in Anbetracht ihrer Stellung und Tätigkeit im Betrieb, ihrer eigenen Interessen und der Interessen der Kollegen "nach Treu und Glauben billigerweise" erwarten darf (Urteil vom 26.3.2009, Az. 2 AZR 953/07).

Von einer Verletzung dieser Pflichten geht man aus, wenn eine Straftat einen Bezug entweder zu den arbeitsvertraglichen Pflichten oder zur Tätigkeit des Mitarbeiters hat und dadurch die berechtigten Interessen des Chefs oder anderer Arbeitnehmer im Betrieb verletzt werden. Dies kann dann der Fall sein, wenn eine Straftat zwar außerhalb der Arbeit begangen wurde, der Arbeitnehmer dafür jedoch Betriebsmittel oder betriebliche Einrichtungen benutzt hat (Firmenwagen, Telefonanschluss, Werkzeug).

Welche Folgen haben Straftaten, die den Ruf des Arbeitgebers schädigen?


Ein Bezug von privaten Straftaten des Arbeitnehmers zum Arbeitsverhältnis kann sich auch dadurch ergeben, dass diese dem guten Ruf des Arbeitgebers schaden. So urteilte das Bundesarbeitsgericht im Fall eines städtischen Straßenbauers, der nebenberuflich als Zuhälter tätig gewesen war. Seine Anklage wegen Zuhälterei, Menschenhandel und Körperverletzung hatte für großes Medieninteresse gesorgt. Daraufhin hatte ihm die Stadt als Arbeitgeber gekündigt. Das Gericht sah diese Kündigung als rechtmäßig an. Angestellte im öffentlichen Dienst hätten zwar heute hinsichtlich ihres privaten Verhaltens nicht mehr Pflichten, als Beschäftigte der Privatwirtschaft. In diesem Fall habe der Mann jedoch seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers erheblich verletzt (Urteil vom 28.10.2010, Az. 2 AZR 293/09).

Darf der Chef mir kündigen, wenn mir eine Haftstrafe droht?


Das Bundesarbeitsgericht hat sich auch mit der Frage beschäftigt, ob der Chef kündigen darf, wenn dem Arbeitnehmer wegen außerdienstlicher Straftaten eine mehrjährige Haftstrafe droht. In diesem Fall ging es um einen Industriemechaniker, der im November 2006 in Untersuchungshaft genommen worden war. Er blieb dort, bis er im Mai 2007 zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sieben Monaten verurteilt wurde. Damit wurde auch die Bewährung für eine frühere Strafe (ein Jahr und zehn Monate) widerrufen. Eine Prüfung der möglichen Verlegung in den offenen Vollzug sollte frühestens Ende 2008 stattfinden.

Sein Arbeitgeber kündigte ihm ordentlich mit Frist im Februar 2008. Die Kündigung wurde vom Bundesarbeitsgericht bestätigt. Grundsätzlich könne eine mehrjährige Haftstrafe ein Kündigungsgrund sein. Habe die Straftat keinen Bezug zum Arbeitsverhältnis, komme keine verhaltensbedingte, sondern eine personenbedingte Kündigung in Betracht. Dafür müsse der Arbeitgeber Gründe aus dem persönlichen Bereich des Beschäftigten vortragen (zum Beispiel auch langwierige Erkrankungen). Werde gegen den Beschäftigten eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verhängt, könne der Arbeitgeber ihm kündigen und seine Stelle neu besetzen (Urteil vom 24.3.2011, Az. 2 AZR 790/09).

Ist wegen Hetze auf Facebook eine Kündigung möglich?


Nach dem sächsischen Landesarbeitsgericht kann auch ausländerfeindliche Hetze auf Facebook ein Kündigungsgrund sein. Das Urteil betraf den Mitarbeiter eines städtischen Unternehmens. Dieser hatte zuerst als Straßenbahnfahrer und dann als Gleisbauarbeiter gearbeitet. In seinem Facebook-Profil hatte er ein Foto online gestellt, das ihn in seiner Dienstkleidung als Straßenbahnfahrer zeigte und seinen Arbeitgeber genannt. Allerdings postete er mit diesem Profil auch auf der Homepage einer als rechtsextremistisch angesehenen Partei ein Foto von einer Ziege, verbunden mit einem ausländerfeindlichen Spruch. Sein Arbeitgeber kündigte ihm fristlos.

Vor Gericht berief sich der Mann auf die Meinungsfreiheit und erklärte, dass er seinen Account längst gelöscht habe. Dies änderte nichts. Das Gericht sah Foto und Spruch zusammen als Schmähkritik an. Diese falle nicht mehr unter die Meinungsfreiheit und verletze die Menschenwürde. Sein Post sei eindeutig einem Mitarbeiter seines Arbeitgebers und damit des öffentlichen Dienstes zuzuordnen gewesen. Der Mann habe damit seinen Arbeitgeber in Verbindung mit Ausländerfeindlichkeit gebracht. Besonders der öffentliche Dienst habe jedoch ein Interesse daran, sich an das Grundgesetz zu halten. In diesem Fall habe es sich um eine schwere Pflichtverletzung gehandelt, die eine fristlose Kündigung rechtfertigte (Urteil vom 27.2.2018, Az. 1 Sa 515/17).

Praxistipp zur Kündigung wegen Straftaten


Arbeitnehmer sollten sich auch außerhalb der Arbeit darüber im Klaren sein, dass ihr Verhalten auf den Arbeitgeber zurückfallen kann. Kann eine Straftat den Arbeitgeber in Verruf bringen oder macht eine längere Haftstrafe die weitere Durchführung des Arbeitsvertrages unmöglich, darf auch bei außerdienstlichen Straftaten gekündigt werden. Rat und Hilfe finden Betroffene bei einem Fachanwalt für Arbeitsrecht.

(Wk)


 Günter Warkowski
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