Das Berliner Testament – was versteht man darunter?
23.04.2025, Redaktion Anwalt-Suchservice

Das Wichtigste in Kürze
1. Vorrang des überlebenden Ehegatten: Beim Berliner Testament erbt zunächst der überlebende Ehepartner alles allein. Die Kinder erben erst, wenn beide Eltern verstorben sind.
2. Bindungswirkung nach dem ersten Todesfall: Nach dem Tod eines Ehepartners kann der überlebende Partner das Testament meist nicht mehr ändern. Es bleibt bindend.
3. Pflichtteilsanspruch der Kinder: Auch wenn Kinder zunächst enterbt sind, können sie beim Tod des ersten Elternteils ihren Pflichtteil einfordern. Dies lässt sich mit einer sogenannten Pflichtteils-Strafklausel verhindern.
1. Vorrang des überlebenden Ehegatten: Beim Berliner Testament erbt zunächst der überlebende Ehepartner alles allein. Die Kinder erben erst, wenn beide Eltern verstorben sind.
2. Bindungswirkung nach dem ersten Todesfall: Nach dem Tod eines Ehepartners kann der überlebende Partner das Testament meist nicht mehr ändern. Es bleibt bindend.
3. Pflichtteilsanspruch der Kinder: Auch wenn Kinder zunächst enterbt sind, können sie beim Tod des ersten Elternteils ihren Pflichtteil einfordern. Dies lässt sich mit einer sogenannten Pflichtteils-Strafklausel verhindern.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Wozu erstellt man ein Berliner Testament? Was bewirken Pflichtteils-Strafklauseln? Welche Formalien gelten beim Berliner Testament? Reicht die Bezeichnung als "Berliner Testament" aus? Was ist unter Einheits- und Trennungslösung zu verstehen? Was regelt eine Wiederverheiratungsklausel im Berliner Testament? Kann man ein Berliner Testament nachträglich ändern? Kann ein Berliner Testament widerrufen werden? Welche Vor- und Nachteile hat das Berliner Testament für die Erbschaftssteuer? Was kann bei internationalen Erbfällen Probleme bereiten? Problem: Kinder als Sozialleistungsbezieher Praxistipp zum Berliner Testament Wozu erstellt man ein Berliner Testament?
Der Hauptzweck dieser Art von Testament besteht darin, den Partner abzusichern. Sinnvoll ist dies besonders, wenn das Paar in einer gemeinsamen Immobilie wohnt. Denn: Wenn man seinen Nachlass per Testament oder über die gesetzliche Erbfolge an mehrere Erben vererbt, wird dieser nach Erbanteilen aufgeteilt. Gehört eine Immobilie zum Nachlass, muss diese meist verkauft werden, damit die einzelnen Erben ihren jeweiligen Erbanteil bekommen. Mit dem Berliner Testament wird zunächst der Ehepartner Erbe und kann in Haus oder Wohnung wohnen bleiben.
Dabei gibt es aber ein großes Problem: Die Kinder haben trotz Testament schon beim ersten Erbfall ein Anrecht auf ihren gesetzlichen Pflichtteil. Natürlich fordern sie diesen oft nicht ein, weil sie ja die Gewissheit der späteren Erbschaft haben. Oder weil sie den überlebenden Elternteil nicht aus seinem oder ihrem Haus werfen möchten. Es gibt jedoch immer wieder Ausnahmen. Und in Zeiten von Scheidungen, neuen Partnerschaften und Patchwork-Familien ist nicht gesagt, dass Verwandte immer rücksichtsvoll miteinander umgehen.
Was ein Pflichtteil ist, erfahren Sie hier:
Pflichtteilsrecht: Was ist mein Anteil am Erbe?
Was bewirken Pflichtteils-Strafklauseln?
Mit Hilfe besonderer Formulierungen kann man die Gefahr reduzieren, dass die Kinder schon zu Lebzeiten des zweiten Partners auf ihrem Pflichtteil bestehen und deshalb das Elternhaus verkauft werden muss, um diesen zu bezahlen.
Dazu dienen sogenannte Pflichtteils-Strafklauseln im Testament. Damit legt man fest, dass ein Kind, das schon beim ersten Erbfall seinen Pflichtteil fordert, auch beim zweiten nur den Pflichtteil bekommt. Dies entspricht einer Enterbung.
Eine Steigerung davon ist die "Jastrowsche Formel". Dahinter steht die Erkenntnis, dass die Pflichtteile beider Erbfälle zusammen durchaus einen Betrag erreichen können, mit dem das enterbte Kind besser dasteht, als seine Geschwister, die geduldig auf den zweiten Erbfall gewartet haben. Mit Hilfe der "Jastrowschen Formel" erhöht man den Betrag, den das geduldige Kind erhält, mit Hilfe eines Vermächtnisses. Dies ist eine Einzelzuwendung per Testament, die rechtlich nicht als Erbschaft zählt. Gleichzeitig verringert man den Gesamtnachlass und somit den Pflichtteil des "ungeduldigen" Kindes. Hier handelt es sich um eine anspruchsvolle erbrechtliche Konstruktion, bei der anwaltliche Beratung dringend zu empfehlen ist.
Welche Formalien gelten beim Berliner Testament?
Wie jedes andere Testament kann man das Berliner Testament in notarieller Form oder als eigenhändiges Testament erstellen. Ein eigenhändiges Testament müssen Sie vollständig eigenhändig handschriftlich verfassen und unterzeichnen. Sonst ist es nicht wirksam! Auch Ort und Datum sollten nicht fehlen. Nach § 2267 BGB muss ein gemeinschaftliches eigenhändiges Testament von einem der beiden Ehegatten handschriftlich verfasst und von beiden unterschrieben werden. Dabei soll der Ehegatte, welcher das Testament nicht selbst geschrieben hat, angeben, zu welcher Zeit (Tag, Monat und Jahr) und an welchem Ort er das Testament unterschrieben hat.
Reicht die Bezeichnung als "Berliner Testament" aus?
Von allzu knappen Formulierungen sollte man als Testamentsverfasser eher Abstand nehmen. Es reicht als Erbeinsetzung nicht aus, wenn ein Ehegatte das Testament einfach alleine aufsetzt und darin schreibt, dass dafür die Regeln des "Berliner Testaments" gelten sollen. Eine solche Formulierung ist viel zu unbestimmt. Hier sind genauere inhaltliche Aussagen gefragt, damit jeder weiß, was im Einzelnen gemeint ist. Unentbehrlich ist natürlich die Unterschrift der Ehefrau mit Ort und Datum. Dies zeigt auch ein Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 22.7.2014 (Az. 15 W 98/14): Hier erbte die Ehefrau aus zweiter Ehe nichts, weil die Kinder aus erster Ehe mit Erfolg das Testament anfechten konnten. Und das nur wegen einer Formalie.
Was ist unter Einheits- und Trennungslösung zu verstehen?
Die Einheits- und die Trennungslösung sind die zwei Varianten des Berliner Testaments. Bei der Einheitslösung wird ein Ehegatte Alleinerbe des anderen. Stirbt dann der zweite Ehegatte, erben die Kinder von diesem.
Bei der Trennungslösung setzten sich beide Ehepartner gegenseitig zu sogenannten Vorerben ein und die Kinder zu ihren Nacherben.
Der wichtige Unterschied: Bei der Einheitslösung kann der überlebende Ehegatte oder Partner frei über das komplette Vermögen verfügen. Er oder sie kann also beispielsweise die Kinder auch enterben. Bei der Trennungslösung darf er dies nicht. Im Rahmen der Trennungslösung ist der überlebende Partner nämlich nur ein sogenannter Vorerbe und darf ausschließlich über sein ursprüngliches eigenes Vermögen selbst entscheiden. Jede Maßnahme, die das Erbe der Nacherben beeinträchtigt, ist nicht erlaubt und rechtlich unwirksam. Weitere Unterschiede zwischen Einheitslösung und Trennungslösung bestehen bei der Erbschaftssteuer.
Wichtig ist, dass Sie beim Erstellen des Testaments klar regeln, welche Lösung Sie bevorzugen. Sonst kann es nach Ihrem Ableben passieren, dass ein Gericht versucht, per Auslegung herauszufinden, was Sie eigentlich bestimmen wollten. Das Ergebnis muss nicht in Ihrem Sinne sein. Auch hier ist anwaltliche Beratung zu empfehlen, denn Einheitslösung und Trennungslösung haben jeweils Vor- und Nachteile.
Was regelt eine Wiederverheiratungsklausel im Berliner Testament?
Manche Berliner Testamente enthalten eine sogenannte Wiederverheiratungsklausel. Damit soll der überlebende Ehegatte im Fall einer neuen Eheschließung oder Verpartnerung abgestraft werden. Zum Teil wird er für diesen Fall nur zum Vorerben gemacht, zum Teil auch gleich enterbt. Auch von dieser Klausel gibt es mehrere Varianten.
Unabhängig von der verwendeten Variante kann eine Wiederverheiratungsklausel eine Angriffsfläche für eine Anfechtung des Testaments bilden. Eine Anfechtung könnte man zum Beispiel mit einer Beeinträchtigung der durch Art. 6 Grundgesetz geschützten Eheschließungsfreiheit begründen, oder mit Sittenwidrigkeit. Es kommt natürlich immer auf die Formulierung im Testament an. Hier ist wieder fachkundige Beratung zu empfehlen.
Kann man ein Berliner Testament nachträglich ändern?
Ja, aber mit einer Einschränkung: Ein Berliner Testament kann grundsätzlich nur gemeinsam von beiden Ehepartnern geändert oder widerrufen werden – solange beide noch leben. Sobald einer der beiden stirbt, ist das Testament in der Regel bindend. Der überlebende Partner kann es dann nicht mehr einseitig ändern.
Eine Ausnahme besteht nur, wenn sich die Ehepartner im Testament ausdrücklich eine spätere Änderung vorbehalten haben. Wenn dieser Hinweis fehlt, bleibt das Testament nach dem Tod eines Partners, wie es ist. Dies gilt auch, wenn sich später etwas an der Familiensituation oder am Verhältnis zu den Kindern ändert.
Kann ein Berliner Testament widerrufen werden?
Auch in einem gemeinsamen Testament mag es einzelne Verfügungen geben, die nur ein Ehepartner einseitig tätigt. Diese kann er oder sie auch allein widerrufen. Bei sogenannten wechselbezüglichen Verfügungen, die auf Gegenseitigkeit beruhen, ist dies nur mit Einschränkungen möglich. Da es Sinn und Zweck des Berliner Testaments ist, dass sich beide Ehepartner gegenseitig als Alleinerben einsetzen, gibt es dabei häufig gar keine Verfügungen, die nicht wechselbezüglich sind.
Einschränkungen bedeutet: Eine auf Gegenseitigkeit beruhende Verfügung kann nur zu Lebzeiten des anderen widerrufen werden. Obendrein muss der Widerruf von einem Notar beurkundet werden (§ 2271 BGB). Der andere muss in nachweisbarer Form über den Widerruf informiert werden, zum Beispiel durch eine Zustellung per Gerichtsvollzieher. Ein Widerruf durch das einseitige Verfassen eines neuen Testaments ist nicht wirksam. Sobald der Ehepartner verstorben ist, ist ein Widerruf nicht mehr möglich. Allerdings kann der überlebende Ehegatte seine eigene testamentarische Verfügung aufheben, indem er das ausschlägt, was ihm der andere vererbt hat. Damit geht er selbst auch leer aus.
Beide Ehegatten gemeinsam können zu Lebzeiten ihr Berliner Testament widerrufen. Dies kann zum Beispiel geschehen, indem sie gemeinsam ein neues gemeinschaftliches Testament aufsetzen. Ehegatten, die einen solchen Schritt überlegen, sollten dies möglichst rechtzeitig und gemeinsam tun.
Welche Vor- und Nachteile hat das Berliner Testament für die Erbschaftssteuer?
Für den überlebenden Ehegatten hat das Berliner Testament einen klaren Vorteil: Wegen des hohen Freibetrags zwischen Ehegatten (bis zu 500.000 Euro), ist der ganze oder ein großer Teil des Erbes steuerfrei. Erst wenn die Kinder später vom überlebenden Ehegatten erben, fällt Erbschaftssteuer an.
Für die Kinder liegt darin ein Nachteil: Sie erben erst nach dem Tod beider Eltern und dann meist eine größere Summe auf einmal. Dadurch kann der Freibetrag für die Kinder (je Kind 400.000 Euro) überschritten werden. Dann wird mehr Erbschaftssteuer fällig, als wenn beide Elternteile direkt und getrennt vererbt hätten.
Kurz gesagt: Ein Berliner Testament ist gut für den Ehepartner, aber bei größeren Vermögen steuerlich ungünstig für die Kinder. Daher ist genau zu prüfen, ob diese Art der Erbregelung zur eigenen Familiensituation passt.
Was kann bei internationalen Erbfällen Probleme bereiten?
Seit 17.8.2015 gilt die Europäische Erbrechtsverordnung. Danach werden Erbschaftsangelegenheiten immer nach dem nationalen Recht des Staates geregelt, in dem der Erblasser zuletzt gelebt hat.
Dummerweise sind in mehreren europäischen Ländern gemeinschaftliche Testamente von Ehegatten vollkommen unzulässig und rechtlich unwirksam. Dies betrifft auch die beliebten Auswanderungsziele und Altersruhesitze Spanien, Italien und Frankreich.
Falls Sie also dort ihren Ruhestand verbringen und ein gemeinschaftliches Testament verfassen, ist dieses rechtlich ungültig. Damit kommt die ausländische gesetzliche Erbfolge zur Anwendung. Deren Regelungen unterscheiden sich jedoch von den deutschen, gerade bei Themen wie Ehegattenerbrecht und Pflichtteile für Kinder. Unerwünschte Ergebnisse sind vorprogrammiert. Und: Ihre Erben müssen sich mit spanischen oder französischen Behörden herumschlagen.
Vermeiden können Sie dieses Problem durch eine Rechtswahl im Testament. Dafür muss man handschriftlich und mit Unterschrift, Ort und Datum im Testament vermerken, dass auf das Testament und den Erbfall deutsches Recht angewendet werden soll.
Problem: Kinder als Sozialleistungsbezieher
Probleme kann es geben, wenn die schlussendlich erbenden Kinder Empfänger von Sozialleistungen sind. Das Sozialgericht Mainz hat entschieden, dass das Jobcenter einen Leistungsbezieher dazu zwingen kann, beim ersten Erbfall seiner Eltern vom überlebenden Elternteil seinen Pflichtteil einzufordern. Dies soll allerdings nur möglich sein, wenn im Nachlass ausreichend Geld vorhanden ist, damit der überlebende Elternteil zumindest während der nächsten paar Jahre nicht sein Haus verkaufen muss (Urteil vom 23.8.2016, Az. S 4 AS 921/15).
Praxistipp zum Berliner Testament
Bei einem Berliner Testament können viele komplexere Rechtsfragen auftauchen. Es sollte genau auf die persönliche Situation abgestimmt sein und empfiehlt sich nicht für jedes Paar. Daher ist bei seiner Erstellung eine Beratung durch einen Fachanwalt für Erbrecht zu empfehlen.
(Ma)