Der Mietspiegel – was muss ich darüber wissen?

24.07.2025, Redaktion Anwalt-Suchservice
Mietspiegel,Vergleichsmiete,Mieterhöhung,Mietwucher Mietspiegel sollen zuverlässiger werden - und bald gibt es mehr von ihnen. © Bu - Anwalt-Suchservice
Das Wichtigste in Kürze

1. Orientierung bei Miete: Ein Mietspiegel zeigt die ortsübliche Vergleichsmiete für Wohnungen ähnlicher Art, Größe, Ausstattung und Lage. Er dient als Grundlage für Mietverträge und Mieterhöhungen.

2. Rechtliche Bedeutung: Besonders der qualifizierte Mietspiegel hat Beweiskraft bei Streitigkeiten über die Miethöhe und muss regelmäßig von der Stadt bzw. Gemeinde aktualisiert werden.

3. Keine Gesetzeskraft: Vermieter und Gerichte müssen den Mietspiegel bei Mieterhöhungen berücksichtigen. Er ist eine wichtige Richtschnur im Mietrecht, aber hat keine Gesetzeskraft.
Eine der gesetzlich erlaubten Möglichkeiten der Mieterhöhung ist die Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete. Diese geht aus dem Mietspiegel der Gemeinde hervor. Darüber hinaus dient die ortsübliche Vergleichsmiete auch als Maßstab für die bis Ende 2029 verlängerte Mietpreisbremse. Danach darf die Miete bei einem Mieterwechsel in einer ausgewiesenen Gegend mit Wohnungsmangel die ortsübliche Vergleichsmiete nicht um mehr als zehn Prozent übersteigen. Man unterscheidet einfache und qualifizierte Mietspiegel. Beide sind im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt.

Was hat sich durch die Mietspiegel-Reform von 2022 geändert?


Lange waren Mietspiegel für Gemeinden keine Pflicht. Daher gab es dieses wichtige Werkzeug zur Überprüfung der zulässigen Höhe einer Miete in vielen Gemeinden überhaupt nicht. Obendrein zweifelten viele Gerichte Mietspiegel als zu ungenau oder zu unwissenschaftlich an. Daher hat 2022 eine Reform stattgefunden.

Das Mietspiegel-Reformgesetz ist seit 1. Juli 2022 in Kraft. Es hat die Regelungen über Mietspiegel im Bürgerlichen Gesetzbuch geändert. Nun sind Gemeinden mit über 50.000 Einwohnern dazu verpflichtet, einen Mietspiegel zu erstellen. Welche Behörde zuständig ist, regeln Landesgesetze. Gemeinden, die sich bei erstmaliger Erstellung für einen einfachen Mietspiegel entschieden haben, mussten diesen bis zum 1.1.2023 erstellen und veröffentlichen. Ein qualifizierter Mietspiegel musste bis zum 1.1.2024 vorliegen.

Für die Erstellung von qualifizierten Mietspiegeln wurden einheitliche, gesetzlich festgelegte Vorgaben eingeführt. So soll die ortsübliche Vergleichsmiete zuverlässiger ermittelt werden. Wurde ein Mietspiegel nach diesen Vorschriften erstellt, ist er gerichtlich nicht mehr so einfach angreifbar. Es gilt nämlich eine gesetzliche Vermutung, dass er nach wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt wurde. Letzteres setzt voraus, dass der Mietspiegel nicht nur von den zuständigen Behörden, sondern auch von den Interessenverbänden der Mieter und Vermieter anerkannt wurde.

Früher wurden die Daten für Mietspiegel auf Basis freiwilliger Umfragen gewonnen. Das Ergebnis hing davon ab, welche Mieter sich beteiligten. Dies hat sich geändert. Mieter und Vermieter sind nun verpflichtet, auf Anfrage Auskunft über die Höhe ihrer Miete, die Ausstattung sowie weitere Merkmale ihrer Wohnung zu geben. Die beteiligten Behörden haben mehr Befugnisse erhalten, um zuverlässigere Daten zu gewinnen. So dürfen sie Daten aus dem Melderegister nutzen, Daten aus der Grundsteuerverwaltung und Daten aus Gebäude- und Wohnungszählungen.

Die Reform beabsichtigte es auch, Mietern eine bessere Verteidigung gegen überzogene Mieterhöhungen zu gewähren. Eine rechtssicher festgestellte ortsübliche Vergleichsmiete soll dazu führen, dass der Mietspiegel seine Funktion als Argument gegen hohe Mieterhöhungen effektiver wahrnehmen kann.

Welche Kriterien für Wohnungen werden verwendet?


Ein Mietspiegel soll die ortsübliche Vergleichsmiete abbilden – und zwar für alle Arten von Wohnungen. Dafür werden die Wohnungen nach unterschiedlichen Kriterien sozusagen in Preisklassen eingeteilt. Berücksichtigt werden Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage. Einbezogen wird auch die energetische Ausstattung, also Heizung und Wärmedämmung. So lassen sich Durchschnittsmieten berechnen, zum Beispiel für ein Einfamilienhaus in der Vorstadt oder für eine Zweizimmerwohnung im Stadtzentrum. Bei der Zweizimmerwohnung kann man zum Beispiel auch zwischen einem ungedämmten Altbau und einer frisch sanierten Wohnung mit guter Wärmedämmung unterscheiden. In Mietspiegeln werden nur privat finanzierte Wohnungen berücksichtigt, weil es beim öffentlich geförderten "sozialen Wohnungsbau" keine freie Preisentwicklung gibt.

Was ist ein einfacher Mietspiegel?


Der einfache Mietspiegel ist in § 558c BGB geregelt. Er wird erstellt oder anerkannt von der Gemeinde oder gemeinsam von Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter. Ein einfacher Mietspiegel kann sich auf das Gebiet einer Gemeinde beziehen, auf einen Teil davon oder einen Stadtteil, aber auch auf das Gebiet mehrerer Gemeinden. Alle zwei Jahre soll er aktualisiert werden, um die aktuelle Entwicklung zu zeigen. Daran hat die Reform von 2022 nichts geändert. Ansonsten gibt es keine strengen Vorgaben für einen einfachen Mietspiegel. Er muss lediglich die ortsübliche Vergleichsmiete ausweisen und die oben genannten Unterscheidungskriterien für Wohnungen berücksichtigen. Oft wird die Kaltmiete verwendet. Einfache Mietspiegel sind billiger und belasten das Budget kleinerer Gemeinden nicht so sehr. Sie haben jedoch im Rechtsstreit um Mieterhöhungen nur einen geringen Beweiswert.

Was ist ein qualifizierter Mietspiegel?


Ein qualifizierter Mietspiegel nach § 558d BGB muss nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt werden. Auch muss er von der nach Landesrecht zuständigen Behörde oder von Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter anerkannt werden.

Die genaueren Anforderungen an einen qualifizierten Mietspiegel regelt die bundesweit gültige Mietspiegelverordnung. Entspricht er diesen Anforderungen und wurde er von der zuständigen Behörde oder den Interessenverbänden anerkannt, wird per Gesetz vermutet, dass er wissenschaftlichen Grundsätzen entspricht. Es gibt also eine gesetzliche Vermutung für seine Richtigkeit.

Ein qualifizierter Mietspiegel ist im Abstand von zwei Jahren an die Marktentwicklung anzupassen. Alle vier Jahre muss er neu erstellt werden. Dies wurde bei der Reform von 2022 nicht geändert.

Ein qualifizierter Mietspiegel ist für die Gemeinde aufwändiger zu erstellen. Sein Beweiswert vor Gericht ist ungleich höher als der des einfachen Mietspiegels.

Wie aktuell sind die Zahlen?


Zwar werden Mietspiegel regelmäßig aktualisiert. In vielen Großstädten steigen die Mieten jedoch so schnell, dass die Mietspiegel nicht mehr Schritt halten können – zum Beispiel in München. Teilweise wird in solchen Städten bei Mietverträgen die bereits ausgestorben geglaubte Indexmiete vereinbart – damit ist die Höhe der Miete an die Entwicklung des Verbraucherpreisindex gebunden, der die Entwicklung der Lebenshaltungskosten widerspiegelt. Dann hat der Mietspiegel bei Mieterhöhungen keine Funktion mehr. Allerdings haben die Neuregelungen die Datenbasis deutlich verbessert.

Was ist, wenn der Mietspiegel veraltet ist?


Ist kein aktueller Mietspiegel verfügbar, kann ein Vermieter zur Begründung einer Mieterhöhung auch einen veralteten Mietspiegel nutzen oder auch den einer anderen, vergleichbaren Gemeinde. Kommt es jedoch zum Rechtsstreit über eine Mieterhöhung, kann der Mieter versuchen, diesen zu entkräften. Vor Gericht wird der Beweiswert veralteter Mietspiegel als geringer angesehen als der von aktuellen Zahlenwerken.

Zum Beispiel konnte laut Bundesgerichtshof für eine Wohnung in Backnang bei Stuttgart auch der einfache Mietspiegel der Nachbarstadt Schondorf verwendet werden. Beide Gemeinden haben einen S-Bahn-Anschluss und sind etwa gleich weit von Stuttgart entfernt. Hier wäre es unzulässig gewesen, den Mietspiegel der nächsten größeren Stadt, wie etwa Stuttgart, zu nutzen (Az. VIII ZR 99/09).

Welche Rolle spielt der Mietspiegel bei einer Mieterhöhung?


Bei einer Mieterhöhung zur ortsüblichen Vergleichsmiete können Vermieter den Mietspiegel zur Untermauerung der Vergleichsmiete nutzen. Wahlweise können sie dafür auch ein Sachverständigengutachten, einen Auszug aus einer Mietdatenbank oder die Miete von drei Vergleichswohnungen verwenden. Auch daran hat die Reform von 2022 nichts geändert. Wenn es jedoch einen aktuellen, qualifizierten Mietspiegel gibt, muss der Vermieter dessen Zahlen für die Wohnung mit angeben. Dies gilt auch, wenn er sich für ein anderes Begründungsmittel entschieden hat (§ 558a Abs. 3 BGB). Nähere Erläuterungen finden Sie hier:
Mieterhöhung, oh Schreck! 9 Punkte, wie Du Deine Rechte sicherst

Was gilt, wenn der Mietspiegel eine "von ... bis"-Angabe enthält?


Häufig geben Mietspiegel die ortsübliche Vergleichsmiete für eine bestimmte Wohnungsart als "Spanne" an. Die neue Miete muss dann gemäß § 558a Absatz 4 BGB innerhalb dieser Spanne liegen. Der Vermieter braucht nicht den Minimalwert der Spanne zu verwenden.

Welche Mieten werden für den Mietspiegel verwendet?


Die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete regelt § 558 Abs. 2 BGB. Sie wird gebildet "aus den üblichen Entgelten, die in der Gemeinde oder einer vergleichbaren Gemeinde für Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage einschließlich der energetischen Ausstattung und Beschaffenheit" in den letzten sechs Jahren vereinbart oder geändert wurden. Dabei zählen Erhöhungen der Betriebskosten nicht mit.

Berücksichtigt werden also nur die Mieten, welche innerhalb der letzten sechs Jahre vor dem Stichtag des jeweiligen Mietspiegels entweder
- beim Abschluss eines neuen Mietvertrages vereinbart wurden oder
- bei einer bereits vermieteten Wohnung erhöht wurden.

Bei den Neuvertragsmieten werden auch befristete Mietverhältnisse und neu abgeschlossene Staffel- oder Indexmietverträge einbezogen.

Bei den Bestandsmieten berücksichtigt man auch Mietverhältnisse, bei denen sich die Miete innerhalb der Sechsjahresfrist infolge einer Staffel- oder Indexmietvereinbarung geändert hat. Einbezogen werden auch Mieterhöhungen wegen Modernisierungen.

Nicht verwendet werden Mieten, die in den letzten sechs Jahren gleich geblieben sind, weil der Vermieter die Miete nicht erhöht hat. Viele günstige Mietverhältnisse werden dadurch von vornherein aus der Betrachtung ausgeklammert, sodass sich unter Umständen ein schiefes Bild ergibt: Die regelmäßige Mieterhöhung wird als Normalfall angesehen, an dem sich die Durchschnittswerte orientieren. Außer acht gelassen wird, dass es auch Vermieter gibt, die nicht von jeder gesetzlichen Möglichkeit der Mieterhöhung Gebrauch machen.

Der Mietspiegel nennt in der Regel die Nettokaltmiete und nicht die Miete inklusive Betriebs- und Heizkosten.

Ist der Berliner Mietspiegel von 2021 unwirksam?


Das Amtsgericht Spandau erklärte Anfang 2022 den Berliner Mietspiegel von 2021 für unwirksam. Der Grund: Der Mietspiegel 2021 sei kein qualifizierter Mietspiegel, weil er nicht neu erstellt worden sei. Vielmehr handle es sich um eine Fortschreibung des Mietspiegels von 2019 – der wiederum selbst eine Fortschreibung des zwei Jahre zuvor ermittelten Mietspiegels gewesen sei. Es sei jedoch nur eine einmalige Fortschreibung erlaubt. Das Gericht wollte das Zahlenwerk nicht einmal als einfachen Mietspiegel anerkennen (AG Berlin-Spandau, Urteil vom 10.1.2022, Az. 6 C 395/21).
Die Amtsgerichte in den Berliner Bezirken Neukölln und Lichtenberg haben in ähnlichen Fällen anders entschieden und den Mietspiegel 2021 als wirksam angesehen.

Kann man den Mietspiegel nutzen, um Mietwucher zu begründen?


Ein Mietspiegel kann von Mietern auch dazu verwendet werden, dem Vermieter einen Mietwucher nachzuweisen. Dies ist bei Wohnräumen der Fall, wenn die Miete mehr als 50 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt. Gleichzeitig muss eine Zwangslage des Mieters vorliegen, welche der Vermieter zur Erzielung einer überhöhten Miete ausgenutzt hat. In solchen Extremfällen macht sich der Vermieter nach § 291 des Strafgesetzbuches (StGB) strafbar. Der Mieter kann eine Reduzierung der Miete auf die ortsübliche Vergleichsmiete sowie Schadensersatz fordern.

Ist die Miete um mehr als 20 Prozent höher als die ortsübliche Vergleichsmiete in den letzten vier Jahren, handelt es sich um eine Mietpreisüberhöhung nach § 5 Wirtschaftsstrafgesetz. Dies ist eine Ordnungswidrigkeit, welche mit einem Bußgeld bis 50.000 Euro geahndet werden kann.

Praxistipp zum Mietspiegel


Mieter können bei Mieterhöhungen anhand des Mietspiegels ihrer Gemeinde prüfen, ob die Erhöhung angemessen war. Kommt es zum Streit mit dem Vermieter, kann Sie ein Fachanwalt für Mietrecht kompetent beraten.

(Bu)


 Stephan Buch
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