Ehevertrag: Wer braucht ihn und was muss drinstehen?

25.10.2022, Redaktion Anwalt-Suchservice
Ehevertrag,Scheidung,Schulden,Unterhalt Ein Ehevertrag sollte sorgfältig formuliert werden. © Bu - Anwalt-Suchservice

Viele Ehewillige oder Ehepartner haben den Wunsch, rechtzeitig für den Fall einer möglichen Scheidung vorzusorgen. Eine sinnvolle Möglichkeit, die Verhältnisse nach der Ehe zu regeln, ist ein Ehevertrag.

Oft wird ein Ehevertrag als eine Möglichkeit angesehen, den finanziell besser gestellten Teil der Verbindung für den Fall der Scheidung abzusichern und vor allzu hohen Zahlungen zu schützen. Allerdings kann ein Ehevertrag auch ganz andere Funktionen haben. Hier geben wir einen Überblick.

Was versteht man unter einem Ehevertrag?


In einem Ehevertrag können die Ehepartner einverständlich von Anfang an vereinbaren, was passieren soll, falls es zu einer Scheidung kommt. Hauptsächlich regelt man damit finanzielle Angelegenheiten. Eine derartige Vereinbarung kann dabei helfen, teure, langjährige und nervenaufreibende Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. Ein Ehevertrag stellt jedoch auch oft eine Bewährungsprobe für die Beziehung dar. Häufig versteht ihn der Partner oder die Partnerin als eine Art Misstrauensvotum.

Im Bürgerlichen Gesetzbuch findet sich ein großer Katalog von Vorschriften zur Ehescheidung – zum Beispiel über den Unterhalt, den Zugewinnausgleich oder den Versorgungsausgleich. Ehepartner können die jeweiligen Ansprüche einklagen. Eine verbindliche, einverständliche Regelung kann jedoch oft sinnvoller sein – nicht nur, um späterem Streit vorzubeugen. Dies gilt um so mehr, als sich heutige Ehen oft von dem Modell der Ehe unterscheiden, das bei Erschaffung des Bürgerlichen Gesetzbuches aktuell war.

Kein Grund zur Sorge: Die Schulden des Partners


Der Anlass für Gespräche über einen Ehevertrag ist oft, dass sich ein Ehepartner Sorgen macht, für voreheliche Schulden des anderen Partners einstehen zu müssen. Diese Sorge ist jedoch meist unbegründet. Wenn nicht per Ehevertrag etwas anderes vereinbart wird, lebt das Paar im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Das bedeutet, dass der während der Ehe entstandene Zugewinn der Partner an ihrem jeweiligen Vermögen im Scheidungsfall ausgeglichen wird. Ein Einstehen für Altschulden des anderen gibt es nicht. Allerdings kann es in bestimmten Fällen zu einer Mithaftung des Ehepartners oder zu Folgen für mögliche Unterhaltsansprüche kommen.

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Ehe: Für welche Schulden haftet der Partner mit?

Der Klassiker: Unterschiedliches Finanzpolster


Der klassische Fall des Ehevertrages ist der, dass beide Partner mit vollkommen unterschiedlicher finanzieller Ausstattung in die Ehe gehen. Dann möchte vielleicht der wohlhabendere Teil ausschließen, dass die Ehe nur wegen des Geldes geschlossen wird. Oder, der weniger finanzstarke Teil möchte unliebsamen Verdächtigungen entgehen. Dann können mit einem Ehevertrag Unterhaltsansprüche nach der Scheidung (nicht: während der Trennung) zum Großteil ausgeschlossen werden.

Welche Besonderheiten gibt es bei Selbstständigen und Unternehmern?


Ein Ehevertrag empfiehlt sich oft für Selbstständige. Diese wählen häufig einen anderen Güterstand als die gesetzliche Zugewinngemeinschaft. Denn: Bei der Berechnung des Zugewinns der Ehegatten wird auch der Wert des von einem Partner gegründeten Unternehmens berücksichtigt. Um dann im Falle der Scheidung einen Zugewinnausgleich herbeizuführen und flüssiges Geld zu gewinnen, muss der Betrieb oft zerschlagen werden. So gerät jedoch die Existenz des Unternehmers in Gefahr.
In solchen Fällen bietet sich eine Gütertrennung an – oder eine verbindliche Regelung der Ausgleichsmodalitäten, wie beispielsweise eine Beschränkung der Höhe des Ausgleichsanspruchs oder von dessen Fälligkeitszeitpunkt, eine bestimmte Ausgleichsquote oder eine Einigung darüber, mit welchem Anfangsvermögen beide die Ehe eingehen.

Was gilt für Doppelverdiener ohne Kinder?


Sind beide Ehepartner berufstätig und gibt es keine Kinder, wünschen sich beide bei einer Trennung oft nur, die Ehe ohne große Komplikationen aufzulösen. Hier ist es nicht erforderlich, besondere finanzielle Ansprüche an den Partner zu stellen und diese in oft jahrelangen Prozessen durchzufechten. Schließlich verdient man ja selbst Geld. Ein Ehevertrag kann in einem solchen Fall genutzt werden, um gegenseitig auf Ansprüche zu verzichten.

Was ist bei internationalen Ehen zu beachten?


Sinnvoll kann ein Ehevertrag auch sein, wenn die Ehepartner unterschiedlicher Nationalität sind oder im Ausland leben. Nach deutschem Recht ist zwar immer das Recht und Gesetz des Staates maßgeblich, in dem sich beide aufhalten oder in dem beide zuletzt zusammen gelebt haben. Dies wird in anderen Staaten jedoch auch anders gehandhabt. Wichtig ist daher, im Ehevertrag zu vereinbaren, welches nationale Recht für eine mögliche Scheidung und die Unterhaltsansprüche zur Anwendung kommen soll.

Kann ein Ehevertrag nachträglich geändert oder angefochten werden?


Einen Ehevertrag kann man nachträglich ändern. Voraussetzung ist, dass beide Partner mit den Änderungen einverstanden sind. Immerhin können sich die familiären Verhältnisse im Laufe der Zeit ändern – vielleicht durch ein Kind oder eine Änderung der beruflichen Situation. So können Anpassungen erforderlich werden.

Grundsätzlich ist auch eine Anfechtung des Ehevertrages möglich. Für eine Anfechtung von Verträgen gibt es mehrere anerkannte Gründe. Nun wird es bei einem Ehevertrag eher selten vorkommen, dass ein Partner den anderen durch arglistige Täuschung oder gar widerrechtliche Drohung zum Abschluss des Vertrages gebracht hat. Immer häufiger werden jedoch Eheverträge wegen Sittenwidrigkeit angefochten. § 138 des Bürgerlichen Gesetzbuches besagt, dass ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, nichtig ist. Demnach wäre ein solcher Ehevertrag als von Anfang an nichtig und als nicht abgeschlossen anzusehen. Diese "Nichtigkeit" tritt nicht von selbst ein: Eine solche Anfechtung muss ausdrücklich erklärt und begründet werden.

Wann ist ein Ehevertrag sittenwidrig?


Von Sittenwidrigkeit geht man häufig aus, wenn der Ehevertrag ein erhebliches finanzielles Ungleichgewicht zwischen den Ehepartnern schafft, wenn dieses nicht durch eine individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse gerechtfertigt ist und der Vertrag gleichzeitig Kernpunkte der gesetzlichen Scheidungsfolgen umgeht. Ehegatten dürfen zwar Regelungen über Unterhalt, Gütertrennung, Zugewinnausgleich und Versorgungsausgleich treffen. Wenn aber ein Ehegatte im Ehevertrag ganz auf Trennungsunterhalt oder Versorgungsausgleich verzichtet, womöglich noch bei vereinbarter Gütertrennung, ohne dass dafür irgendein Ausgleich eingeplant ist, liegt eine Sittenwidrigkeit nahe. Die Familiengerichte betrachten jeden Einzelfall sehr genau und unterziehen die Situation der Ehepartner einer Gesamtwürdigung.

Ein Indiz für Sittenwidrigkeit ist es auch, wenn ein Ehevertrag zu einem Zeitpunkt abgeschlossen wurde, zu dem sich der benachteiligte Ehepartner unter Druck gesetzt fühlen musste – zum Beispiel während der Schwangerschaft. Grundsätze dazu entwickelte der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 29.1.2014 (Az. XII ZB 303/13). Darin erklärte er einen Ehevertrag wegen Verzichts auf Trennungsunterhalt für sittenwidrig.

Ein Ehevertrag kann auch erst später sittenwidrig werden. Dies passiert zum Beispiel, weil sich die ehelichen Verhältnisse anders entwickeln als geplant (etwa das Doppelverdiener-Paar ungeplant Kinder bekommt und ein Ehepartner seinen Beruf aufgibt, um diese zu betreuen).

Unter Umständen kann ein Ehevertrag auch unwirksam sein, wenn er einen Verzicht auf Unterhaltsleistungen beinhaltet, der dazu führt, dass ein Ehepartner nach der Scheidung staatliche Sozialleistungen beanspruchen muss.

Chef heiratet Azubi: Ehevertrag wegen finanzieller Benachteiligung unwirksam


Für sittenwidrig erklärt wurde zum Beispiel ein Ehevertrag, den der Chef einer Tierarztpraxis mit seiner 20 Jahre jüngeren Auszubildenden geschlossen hatte. Diese erwartete ein Kind von ihm. Zugewinnausgleich, Versorgungsausgleich und nachehelicher Unterhalt waren in dem Vertrag ausgeschlossen. Allerdings ging es in diesem Fall nicht um eine Scheidung: Die Ehe verlief glücklich und das Paar bekam drei Kinder. Nach dem Tod des Mannes weigerte sich jedoch das Nachlassgericht, der Ehefrau den gewünschten Erbschein auszustellen, da der Ausschluss des Zugewinnausgleichs auch für den Todesfall galt. Das Oberlandesgericht Oldenburg erklärte den Ehevertrag jedoch wegen allzu großer Benachteiligung der Ehefrau für unwirksam (Beschluss vom 10.5.2017, Az. 3 W 21/17). So konnte die Frau dann doch noch den Erbschein erhalten.

Praxistipp zum Ehevertrag


Der Ehevertrag muss zwingend von einem Notar beurkundet werden. Es ist jedoch trotzdem sinnvoll, sich bei der Erstellung des Vertrages durch einen Fachanwalt für Familienrecht beraten zu lassen. Der Notar befasst sich eher mit der formellen Wirksamkeit der Vereinbarung, während der Rechtsanwalt für seinen Mandanten die beste Lösung zu erzielen sucht.

(Bu)


 Stephan Buch
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