Einsichtsfähigkeit eines Kindes bei Tauschbörsennutzung

Autor: RA Dr. Thomas Engels, LL.M., LEXEA Rechtsanwälte, Köln – www.lexea.de
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 07/2016
Ein normal entwickeltes zwölfjähriges Kind besitzt die notwenige Einsichtsfähigkeit zu erkennen, dass in der Nutzung von Internettauschbörsen ein rechtswidriges Verhalten liegt. Dies gilt insb. dann, wenn es von seinen Eltern über die Gefahren einer solchen Tauschbörsennutzung belehrt worden ist.

OLG Hamm, Urt. v. 28.1.2016 - I-4 U 75/15 (rkr.)

UrhG §§ 97, 97a

Das Problem

Die Nutzung von Tauschbörsen im Internet erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit. Diesbezügliche Streitfälle sind oft so gestaltet, dass ein Elternteil Anschlussinhaber ist, die Rechtsverletzung aber von im Haushalt lebenden Kindern begangen wurde. Das OLG Hamm hatte nun über die Frage zu entscheiden, wann Kinder für ihr Handeln in Anspruch genommen werden können.

Die Entscheidung des Gerichts

Ein normal entwickeltes zwölfjähriges Kind besitze die notwendige Einsichtsfähigkeit und könne auf Unterlassung, Schadensersatz und Freistellung von Anwaltskosten in Anspruch genommen werden.

Einsichtsfähigkeit: Kinder, die kurz vor der Vollendung des dreizehnten Lebensjahrs stünden, wüssten, dass im Internet „Raubkopien” von Softwareprodukten, insb. von Spielsoftware, kursierten und dass sie diese nicht herunterladen und erst recht nicht weiterverbreiten dürften. Im konkreten Fall gelte dies in besonderem Maße, weil das betroffene Kinde zuvor von seinen Eltern intensiv und konsequent über die mit Aktivitäten im Internet verbundenen Gefahren belehrt worden und ihm jedwede Beteiligung an Dateiaustauschaktivitäten im Internet ausdrücklich und einschränkungslos verboten worden seien. Es sei Kindern in dieser Altersgruppe auch möglich und zumutbar, sich im Internet so zu verhalten, dass Schädigungen urheberrechtlich geschützter Rechtspositionen vermieden würden. Hierbei komme es nicht auf die technischen Finessen bei der Funktionsweise von Tauschbörsen an, deren Inhalte nicht nur heruntergeladen, sondern gleichzeitig auch bereitgestellt würden. Denn schon das Herunterladen sei als rechtswidrig einzustufen.

Schadensersatz: Daher bestehe ein Schadensersatzanspruch gegen das Kind. Ein Betrag von 510 € für ein Computerspiel sei der Höhe nach nicht zu beanstanden.

Anwaltskosten: Auch bestehe eine Verpflichtung zur Freistellung von Anwaltskosten. Da hier die gesetzliche Begrenzung des Streitwerts nicht greife, weil diese keine Rückwirkung entfalte, sei auch ein Streitwert von 9.000 € nicht zu beanstanden.


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