Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bei mehreren verschiedenen Krankheiten

Autor: RAin FAinArbR Annegret Müller-Mundt,Kanzlei Schwarzach, Schwarzach/Ndb.
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 09/2016
Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung ist auch dann auf sechs Wochen beschränkt, wenn während der Arbeitsunfähigkeit eine neue Krankheit auftritt, die ebenfalls zur Arbeitsunfähigkeit führt. Ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch entsteht nur, wenn die erste Arbeitsunfähigkeit bereits beendet war, bevor die neue Erkrankung zu einer weiteren Arbeitsunfähigkeit führt. Die Beweislast dafür trägt der Arbeitnehmer.

BAG, Urt. v. 25.5.2016 - 5 AZR 318/15

Vorinstanz: LAG Hamm - 16 Sa 1711/14

EFZG § 3 Abs. 1

Das Problem

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Er war vom 9.9. bis 20.10.2013 von seinem Hausarzt wegen einer Wirbelgelenkarthrose („lumbales Facettensyndrom”) arbeitsunfähig krankgeschrieben. Am 17.10.2013 suchte er seinen Hausarzt erneut auf, u.a. wegen zunehmender Schulterschmerzen. Eine (zusätzliche) Krankschreibung erfolgte an diesem Tag nicht. Am 21.10.2013 attestierte der Hausarzt dem Kläger wegen Schulterschmerzen mit einer Erstbescheinigung eine Arbeitsunfähigkeit bis zunächst 5.11.2013.

Die Beklagte leistete dem Kläger keine Entgeltfortzahlung für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit vom 21.10.2013 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.10.2013. Mit seiner hiergegen gerichteten Klage machte der Kläger geltend, dass er ab dem 21.10.2013 aufgrund einer neuen Krankheit arbeitsunfähig gewesen sei. Bis dahin habe eine ältere Schulterverletzung trotz gelegentlicher leichterer Beschwerden keine Arbeitsunfähigkeit verursacht. Am 21.10.2013 habe er sich dann aber die Schulter gestoßen und wegen starker Schmerzen nicht zur Arbeit gehen können.

Die Entscheidung des Gerichts

Der Kläger hat für die Zeit vom 21. bis zum 31.10.2013 keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

Nach dem Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls ist der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG auf sechs Wochen seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit beschränkt, wenn während einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit eine neue Krankheit auftritt, die ebenfalls zur Arbeitsunfähigkeit führt. Ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch entsteht dann nur, wenn die erste Arbeitsunfähigkeit bereits in dem Zeitpunkt beendet war, in dem die weitere Erkrankung zu einer erneuten Arbeitsverhinderung führt (BAG, Urt. v. 10.9.2014 – 10 AZR 651/12, MDR 2014, 1452 = ArbRB online).

Ob der krankhafte Zustand der Schulter des Klägers bereits vor dem 21.10.2013 die Arbeitsunfähigkeit des Klägers bedingt hat, ist zwischen den Parteien streitig geblieben und konnte durch die Vernehmung des behandelnden Arztes nicht geklärt werden. Dieses Beweisrisiko, nicht (mehr) feststellen zu können, ob die Arbeitsunfähigkeit infolge einer bestimmten Krankheit erst ab dem vom behandelnden Arzt attestierten Zeitpunkt bestanden hat oder schon während einer unmittelbar vorangehenden sechswöchigen Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer anderen Krankheit eingetreten ist, hat der Arbeitnehmer zu tragen.

Anders als im Fall der Fortsetzungserkrankung betrifft der Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls nicht eine vom Arbeitgeber einzuwendende Ausnahme, sondern eine der Voraussetzungen des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Die Darlegungs- und Beweislast für die Anspruchsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG trägt nach allgemeinen Grundsätzen der Arbeitnehmer (BAG, Urt. v. 13.7.2005 – 5 AZR 389/04, ArbRB 2005, 355 [Groeger], ArbRB online). Ebenso wie er für die Tatsache der Arbeitsunfähigkeit als solche beweispflichtig ist, trifft ihn auch für deren Beginn und Ende die objektive Beweislast.


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