Entschädigung bei Internetveröffentlichung
Autor: RA Dr. Aegidius Vogt, RAYERMANN Legal, München – www.rayermann.de
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 05/2014
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 05/2014
Eine Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch eine Internetveröffentlichung ist nicht generell höher oder niedriger zu bemessen als eine Entschädigung wegen eines Artikels in den Printmedien.
BGH, Urt. v. 17.12.2013 - VI ZR 211/12
Vorinstanz: OLG Dresden, Urt. v. 3.5.2012 - 4 U 1883/11
Vorinstanz: LG Leipzig, Urt. v. 11.11.2011 - 8 O 4330/08
GG Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 5 Abs. 1; EMRK Art. 8 Abs. 1, 10; BGB §§ 823 Abs. 1, 823 Abs. 2; StGB § 186
Persönlichkeitsrechtsverletzung: Die besagten Tatsachenbehauptungen verletzten den Betroffenen rechtswidrig in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Sie beeinträchtigten ihn in erheblichem Maße in seiner Ehre und sozialen Anerkennung und seien geeignet, sich abträglich auf sein Ansehen, insb. sein Bild in der Öffentlichkeit, auszuwirken. Die absolut geschützte Intimsphäre sei indes nicht betroffen, da Sexualstraftaten nicht in den unantastbaren Kernbereich fielen.
Interessenabwägung: Die Abwägung zwischen dem Interesse des Betroffenen am Schutz seiner Persönlichkeit und dem Interesse des Redakteurs bzw. Verlagshauses auf Meinungs- und Medienfreiheit gehe im Ergebnis zugunsten des Betroffenen aus. Bei Tatsachenbehauptungen hänge die Abwägung vom Wahrheitsgehalt ab. Von der Meinungs- und Medienfreiheit nicht mehr umfasst seien zwar nur bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen und solche, deren Unwahrheit im Zeitpunkt der Äußerung feststehe. Alle übrigen würden selbst dann den Grundrechtsschutz genießen, wenn sie sich später als unwahr herausstellten. Allerdings sei es aufgrund der über § 823 Abs. 2 BGB in das Zivilrecht transformierten Beweisregel des § 186 StGB Sache der in Anspruch Genommenen gewesen, die Wahrheit der Behauptungen nachzuweisen. Dieser Beweis sei nicht geführt worden.
Keine Verdachtsberichterstattung: Die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung kämen hier nicht zum Zuge, da den publizistischen Sorgfaltspflichten nicht im gebotenen Umfang nachgekommen worden sei. So seien weder hinreichend sorgfältige Recherchen über den Wahrheitsgehalt angestellt, noch ein ausreichender Versuch unternommen worden, dem Betroffenen vor Veröffentlichung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Angesichts der Schwere der Vorwürfe habe die Verpflichtung zu sorgfältigem Vorgehen in besonderem Maße bestanden.
Verantwortlichkeit: Obschon die beanstandeten Aussagen letztlich allein von der ehemaligen Mitarbeiterin des Betroffenen stammten, seien sowohl der Redakteur als auch das Verlagshaus uneingeschränkt für die Rechtsverletzung verantwortlich. Sie seien nicht lediglich als bloße Vermittler der Äußerungen aufgetreten, sondern hätten sich jene zu Eigen gemacht und damit eigene Behauptungen aufgestellt. Der Beitrag nehme zwar ausdrücklich Bezug auf Äußerungen der Mitarbeiterin und mache dies auch kenntlich. Allerdings werde nicht lediglich ein Sachverhalt referiert, ohne dessen Richtigkeit zu unterstellen. Vielmehr habe der Verfasser eine eigene Bewertung der Vorgänge vorgenommen und sich mit der Darstellung der Mitarbeiterin identifiziert.
Geldentschädigung: Ein Anspruch auf Geldentschädigung bestehe bei einer schuldhaften Persönlichkeitsrechtsverletzung, wenn es sich – wie hier – um einen schwerwiegenden Eingriff handle und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden könne. Für Letzteres seien bereits erwirkte Unterlassungstitel vor allem im Bereich des Internets nicht geeignet. Denn dort veröffentlichte Beiträge seien selbst dann für gewisse Zeit weiter zugänglich, wenn sie gelöscht würden. Bei der Bemessung der Höhe der Entschädigung sei auch das Ausmaß der Verbreitung der Veröffentlichung zu berücksichtigen. Allerdings führe eine Internetveröffentlichung nicht per se zu einer höheren Entschädigung als eine Veröffentlichung in Printmedien. So könne ein Artikel in einer weit verbreiteten Tageszeitung mit hoher Auflage das Ansehen des Betroffenen wesentlich nachhaltiger schädigen als eine Meldung auf einem wenig bekannten Internetportal.
BGH, Urt. v. 17.12.2013 - VI ZR 211/12
Vorinstanz: OLG Dresden, Urt. v. 3.5.2012 - 4 U 1883/11
Vorinstanz: LG Leipzig, Urt. v. 11.11.2011 - 8 O 4330/08
GG Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 5 Abs. 1; EMRK Art. 8 Abs. 1, 10; BGB §§ 823 Abs. 1, 823 Abs. 2; StGB § 186
Das Problem:
Gegenstand der Entscheidung war ein Bericht im Zusammenhang mit der sog. Sächsischen Korruptionsaffäre, über die 2007 deutschlandweit von verschiedenen Medien berichtet wurde. Es ging dabei u.a. um den Verdacht, dass namhafte Personen mit Korruption und sexuellem Missbrauch Minderjähriger in Verbindung zu bringen seien. Der Betroffene wurde in einem Artikel, der auf dem Internetportal eines bekannten Verlagshauses erschien, als gewissen- und skrupelloser sowie pädophiler Täter dargestellt, der weder vor der Zerstörung der beruflichen Existenz einer langjährigen loyalen Mitarbeiterin, noch vor Ankündigungen von Straftaten zurückschreckt. Der Artikel beruhte maßgeblich auf den Angaben einer ehemaligen Mitarbeiterin des Betroffenen. Tatsächlich konnten die Vorwürfe gegen den Betroffenen nicht bewiesen werden. Dieser verlangte von dem Verlagshaus, dem Verfasser des Beitrags sowie der ehemaligen Mitarbeiterin u.a. eine Geldentschädigung wegen massiver Verletzung seines Persönlichkeitsrechts.Die Entscheidung des Gerichts:
Der BGH bestätigte das Urteil des OLG Dresden, das die drei Beteiligten u.a. zur gesamtschuldnerischen Zahlung einer Geldentschädigung verurteilt hatte, in weiten Teilen.Persönlichkeitsrechtsverletzung: Die besagten Tatsachenbehauptungen verletzten den Betroffenen rechtswidrig in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Sie beeinträchtigten ihn in erheblichem Maße in seiner Ehre und sozialen Anerkennung und seien geeignet, sich abträglich auf sein Ansehen, insb. sein Bild in der Öffentlichkeit, auszuwirken. Die absolut geschützte Intimsphäre sei indes nicht betroffen, da Sexualstraftaten nicht in den unantastbaren Kernbereich fielen.
Interessenabwägung: Die Abwägung zwischen dem Interesse des Betroffenen am Schutz seiner Persönlichkeit und dem Interesse des Redakteurs bzw. Verlagshauses auf Meinungs- und Medienfreiheit gehe im Ergebnis zugunsten des Betroffenen aus. Bei Tatsachenbehauptungen hänge die Abwägung vom Wahrheitsgehalt ab. Von der Meinungs- und Medienfreiheit nicht mehr umfasst seien zwar nur bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen und solche, deren Unwahrheit im Zeitpunkt der Äußerung feststehe. Alle übrigen würden selbst dann den Grundrechtsschutz genießen, wenn sie sich später als unwahr herausstellten. Allerdings sei es aufgrund der über § 823 Abs. 2 BGB in das Zivilrecht transformierten Beweisregel des § 186 StGB Sache der in Anspruch Genommenen gewesen, die Wahrheit der Behauptungen nachzuweisen. Dieser Beweis sei nicht geführt worden.
Keine Verdachtsberichterstattung: Die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung kämen hier nicht zum Zuge, da den publizistischen Sorgfaltspflichten nicht im gebotenen Umfang nachgekommen worden sei. So seien weder hinreichend sorgfältige Recherchen über den Wahrheitsgehalt angestellt, noch ein ausreichender Versuch unternommen worden, dem Betroffenen vor Veröffentlichung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Angesichts der Schwere der Vorwürfe habe die Verpflichtung zu sorgfältigem Vorgehen in besonderem Maße bestanden.
Verantwortlichkeit: Obschon die beanstandeten Aussagen letztlich allein von der ehemaligen Mitarbeiterin des Betroffenen stammten, seien sowohl der Redakteur als auch das Verlagshaus uneingeschränkt für die Rechtsverletzung verantwortlich. Sie seien nicht lediglich als bloße Vermittler der Äußerungen aufgetreten, sondern hätten sich jene zu Eigen gemacht und damit eigene Behauptungen aufgestellt. Der Beitrag nehme zwar ausdrücklich Bezug auf Äußerungen der Mitarbeiterin und mache dies auch kenntlich. Allerdings werde nicht lediglich ein Sachverhalt referiert, ohne dessen Richtigkeit zu unterstellen. Vielmehr habe der Verfasser eine eigene Bewertung der Vorgänge vorgenommen und sich mit der Darstellung der Mitarbeiterin identifiziert.
Geldentschädigung: Ein Anspruch auf Geldentschädigung bestehe bei einer schuldhaften Persönlichkeitsrechtsverletzung, wenn es sich – wie hier – um einen schwerwiegenden Eingriff handle und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden könne. Für Letzteres seien bereits erwirkte Unterlassungstitel vor allem im Bereich des Internets nicht geeignet. Denn dort veröffentlichte Beiträge seien selbst dann für gewisse Zeit weiter zugänglich, wenn sie gelöscht würden. Bei der Bemessung der Höhe der Entschädigung sei auch das Ausmaß der Verbreitung der Veröffentlichung zu berücksichtigen. Allerdings führe eine Internetveröffentlichung nicht per se zu einer höheren Entschädigung als eine Veröffentlichung in Printmedien. So könne ein Artikel in einer weit verbreiteten Tageszeitung mit hoher Auflage das Ansehen des Betroffenen wesentlich nachhaltiger schädigen als eine Meldung auf einem wenig bekannten Internetportal.