Erbschaft: Auch ohne Erbschein Zugriff auf das Bankkonto?
29.11.2021, Redaktion Anwalt-Suchservice
© - freepik Ein Trauerfall bringt viele Formalitäten mit sich, die die Angehörigen immer noch weiter belasten. In der Regel gehört dazu auch die Beantragung eines Erbscheins. Dabei handelt es sich um ein amtliches Dokument, welches bescheinigt, dass jemand tatsächlich Erbe ist. Auch mögliche Einschränkungen sind darin verzeichnet und bei mehreren Erben zusätzlich der Erbanteil der einzelnen Personen. Geldinstitute, Versicherungen und das Grundbuchamt verlangen häufig einen Erbschein als Nachweis, damit ein Erbe auf den Nachlass zugreifen kann. Andere Beweismittel werden durch den Erbschein überflüssig. Er löst außerdem eine Umkehr der Beweislast aus: Was darin steht, gilt so lange als korrekt, bis das Gegenteil bewiesen ist. Ein Erbschein ist jedoch auch nicht ganz billig.
Gesetzlich vorgeschrieben ist ein Erbschein nur bei der Änderung von Grundbucheintragungen nach Erbfällen. Auch dies gilt nur, soweit kein öffentliches bzw. notarielles Testament bzw. kein notarieller Erbvertrag vorliegen. Diese Dokumente reichen nämlich gemeinsam mit der Bescheinigung über die amtliche Testamentseröffnung für das Grundbuchamt aus. Bei Unklarheiten kann die Behörde jedoch zusätzlich einen Erbschein fordern. Eine Pflicht zur Vorlage eines Erbscheins kann sich allerdings grundsätzlich auch aus Verträgen ergeben – zum Beispiel aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Geldinstituten.
Wenn ein Erbe auf die Bankkonten und Wertpapierdepots des Erblassers zugreifen möchte, verlangen Banken und Sparkassen oft einen Erbschein. Der Grund ist einfach: Sie können selbst nicht wissen, ob der Betreffende tatsächlich ein echter Erbe ist oder ob es womöglich noch weitere Erben gibt, die Ansprüche geltend machen können. Lässt man einfach den ersten Erben, der vorbeikommt, alles Geld abheben, wird es zu Schadensersatzforderungen gegen die Bank kommen. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Geldinstitute enthielten lange auch entsprechende Regelungen. Ausnahmen gab es teilweise bei kleineren Beträgen. Aber: Mittlerweile gibt es mehrere Urteile des Bundesgerichtshofes, nach denen Banken und Sparkassen nicht mehr pauschal einen Erbschein verlangen dürfen.
Hat der Erblasser zu Lebzeiten jemandem eine Kontovollmacht "über den Tod hinaus" erteilt, hat die oder der Bevollmächtigte nach dem Todesfall Zugriff auf dessen Konten. In diesem Fall kann die Bank keinen Erbschein verlangen. Ausnahme: Es gibt konkrete Gründe, an der Berechtigung des Vollmachtinhabers zu zweifeln oder Hinweise auf einen versuchten Betrug. Dies hat der Bundesgerichtshof bereits am 25.10.1994 so entschieden (Az. XI ZR 239/93).
Die Vollmacht hat jedoch einen Haken: Wenn der Bevollmächtigte nicht mit dem Erben identisch ist, kann der Erbe die Vollmacht einfach widerrufen.
Beispiel: Der Lebensgefährte einer Verstorbenen besitzt eine Kontovollmacht über den Tod hinaus. Den Nachlass bildet hauptsächlich ein Bankguthaben. Laut Testament sollen aber auch die Kinder erben. Wenn diese befürchten, dass der Lebensgefährte das Geld abhebt und es vor Klärung der Verhältnisse ausgibt, können sie seine Vollmacht widerrufen.
Der Bundesgerichtshof hat 2013 die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Geldinstitute, nach denen für den Kontozugriff von Erben grundsätzlich ein Erbschein erforderlich war, für unwirksam erklärt (Urteil vom 8.10.2013, Az. XI ZR 401/12).
Dem Urteil zufolge stellen solche Klauseln eine unangemessene Benachteiligung des Kunden dar. Laut Gesetz sei nicht immer ein Erbschein vorzulegen. Stattdessen wären bei einigen Gelegenheiten, etwa der Grundbuchänderung, auch andere Beweismittel erlaubt.
Für den Bundesgerichtshof waren hier die Interessen des wahren Erben vorrangig vor der Absicherung der Bank. Man könne dem Erben nicht zumuten, ein eigentlich überflüssiges, Kosten verursachendes und zeitraubendes Erbscheinverfahren durchzuführen, nur um Zugriff auf sein Erbe zu bekommen. Die Bank habe ihm auch dann Zugriff zu gewähren, wenn er seine Erbschaft durch ein notarielles Testament bzw. einen notariellen Erbvertrag mit der Eröffnungsurkunde des Nachlassgerichts beweisen könne. Dies sei sicher genug. Gegenteilige AGB-Klauseln der Banken seien schlicht unwirksam.
Ein Erbschein kann auch bei Vorlage eines notariellen Testaments mit Eröffnungsurkunde gefordert werden, sofern aus dem Testament die Erbfolge nicht eindeutig hervorgeht oder wenn verschiedene Personen der Bank mehrere sich widersprechende Testamente vorlegen. Die Bank darf auf klaren Verhältnissen bestehen.
Auch ein eigenhändiges Testament galt lange als problematisch. Dabei handelt es sich um ein handschriftliches Testament, das zu Hause aufbewahrt wurde und nicht notariell beurkundet ist - ein sehr häufiger Fall. Die Banken beriefen sich oft darauf, dass sie nicht wissen konnten, ob das Testament wirklich echt sei.
Nach einem weiteren Urteil des Bundesgerichtshofes muss jedoch auch ein eigenhändiges Testament mit dem Vermerk des Nachlassgerichts über die Testamentseröffnung für die Bank ausreichen. Auch in diesem Fall kann das Geldinstitut also keinen Erbschein verlangen. Im konkreten Fall wurde die Bank zur Erstattung der Kosten für den Erbschein verurteilt. Allerdings muss die Erbfolge aus dem Testament klar hervorgehen.
Jeder testamentarische Erbe kann diesen Nachweis führen, denn jedes Testament muss beim Nachlassgericht abgeliefert werden und wird dann von diesem eröffnet (Urteil vom 5.4.2016, Az. XI ZR 440/15).
Beantragen muss man den Erbschein beim Nachlassgericht - einer Abteilung des örtlichen Amtsgerichts. Dieses verlangt dafür eine Gebühr. Deren Höhe ist vom Wert des Nachlasses abhängig. Eine weitere Gebühr fällt für die Beurkundung der eidesstattlichen Versicherung an, die der Erbe bei seinem Antrag abgeben muss. Mit ihr bestätigt er, über den Wert des Nachlasses wahre Angaben gemacht zu haben.
Beispiel: Bei einem Nachlasswert von 110.000 Euro fällt für den Erbschein allein eine Gebühr von 273 Euro an. Bei einem Nachlasswert von 200.000 Euro sind es bereits 435 Euro. Diese Gebühr verdoppelt sich jeweils durch die Beurkundung der eidesstattlichen Versicherung. Es würden also insgesamt 546 Euro und 870 Euro anfallen. Bei einem Nachlasswert von 290.000 Euro beträgt die Gesamtgebühr schon 1.170 Euro.
Weitere Informationen dazu lesen Sie in unserem Rechtstipp Wie beantragt man einen Erbschein?
Erben können auf einen teuren Erbschein sehr oft verzichten. Wollen die Banken dies nicht einsehen, kann ihnen die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes entgegengehalten werden. Bei einem Streit um erbrechtliche Fragen und Nachlassangelegenheiten lohnt es sich, einen Fachanwalt für Erbrecht hinzuzuziehen.
Viele Banken verlangen einen Erbschein als Nachweis der Erbenstellung, um den Erben Zugriff auf das Konto eines verstorbenen Angehörigen zu geben. Aber ist das überhaupt nötig?
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Wo ist der Erbschein vorgeschrieben? Wie ist das übliche Vorgehen bei Bankkonten? Bankkonto: Wann reicht eine Vollmacht? Wann ist ein Erbschein entbehrlich? Wann kann die Bank trotzdem einen Erbschein verlangen? Was gilt für ein eigenhändiges Testament? Was kostet ein Erbschein und wo beantragt man ihn? Praxistipp Wo ist der Erbschein vorgeschrieben?
Gesetzlich vorgeschrieben ist ein Erbschein nur bei der Änderung von Grundbucheintragungen nach Erbfällen. Auch dies gilt nur, soweit kein öffentliches bzw. notarielles Testament bzw. kein notarieller Erbvertrag vorliegen. Diese Dokumente reichen nämlich gemeinsam mit der Bescheinigung über die amtliche Testamentseröffnung für das Grundbuchamt aus. Bei Unklarheiten kann die Behörde jedoch zusätzlich einen Erbschein fordern. Eine Pflicht zur Vorlage eines Erbscheins kann sich allerdings grundsätzlich auch aus Verträgen ergeben – zum Beispiel aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Geldinstituten.
Wie ist das übliche Vorgehen bei Bankkonten?
Wenn ein Erbe auf die Bankkonten und Wertpapierdepots des Erblassers zugreifen möchte, verlangen Banken und Sparkassen oft einen Erbschein. Der Grund ist einfach: Sie können selbst nicht wissen, ob der Betreffende tatsächlich ein echter Erbe ist oder ob es womöglich noch weitere Erben gibt, die Ansprüche geltend machen können. Lässt man einfach den ersten Erben, der vorbeikommt, alles Geld abheben, wird es zu Schadensersatzforderungen gegen die Bank kommen. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Geldinstitute enthielten lange auch entsprechende Regelungen. Ausnahmen gab es teilweise bei kleineren Beträgen. Aber: Mittlerweile gibt es mehrere Urteile des Bundesgerichtshofes, nach denen Banken und Sparkassen nicht mehr pauschal einen Erbschein verlangen dürfen.
Bankkonto: Wann reicht eine Vollmacht?
Hat der Erblasser zu Lebzeiten jemandem eine Kontovollmacht "über den Tod hinaus" erteilt, hat die oder der Bevollmächtigte nach dem Todesfall Zugriff auf dessen Konten. In diesem Fall kann die Bank keinen Erbschein verlangen. Ausnahme: Es gibt konkrete Gründe, an der Berechtigung des Vollmachtinhabers zu zweifeln oder Hinweise auf einen versuchten Betrug. Dies hat der Bundesgerichtshof bereits am 25.10.1994 so entschieden (Az. XI ZR 239/93).
Die Vollmacht hat jedoch einen Haken: Wenn der Bevollmächtigte nicht mit dem Erben identisch ist, kann der Erbe die Vollmacht einfach widerrufen.
Beispiel: Der Lebensgefährte einer Verstorbenen besitzt eine Kontovollmacht über den Tod hinaus. Den Nachlass bildet hauptsächlich ein Bankguthaben. Laut Testament sollen aber auch die Kinder erben. Wenn diese befürchten, dass der Lebensgefährte das Geld abhebt und es vor Klärung der Verhältnisse ausgibt, können sie seine Vollmacht widerrufen.
Wann ist ein Erbschein entbehrlich?
Der Bundesgerichtshof hat 2013 die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Geldinstitute, nach denen für den Kontozugriff von Erben grundsätzlich ein Erbschein erforderlich war, für unwirksam erklärt (Urteil vom 8.10.2013, Az. XI ZR 401/12).
Dem Urteil zufolge stellen solche Klauseln eine unangemessene Benachteiligung des Kunden dar. Laut Gesetz sei nicht immer ein Erbschein vorzulegen. Stattdessen wären bei einigen Gelegenheiten, etwa der Grundbuchänderung, auch andere Beweismittel erlaubt.
Für den Bundesgerichtshof waren hier die Interessen des wahren Erben vorrangig vor der Absicherung der Bank. Man könne dem Erben nicht zumuten, ein eigentlich überflüssiges, Kosten verursachendes und zeitraubendes Erbscheinverfahren durchzuführen, nur um Zugriff auf sein Erbe zu bekommen. Die Bank habe ihm auch dann Zugriff zu gewähren, wenn er seine Erbschaft durch ein notarielles Testament bzw. einen notariellen Erbvertrag mit der Eröffnungsurkunde des Nachlassgerichts beweisen könne. Dies sei sicher genug. Gegenteilige AGB-Klauseln der Banken seien schlicht unwirksam.
Wann kann die Bank trotzdem einen Erbschein verlangen?
Ein Erbschein kann auch bei Vorlage eines notariellen Testaments mit Eröffnungsurkunde gefordert werden, sofern aus dem Testament die Erbfolge nicht eindeutig hervorgeht oder wenn verschiedene Personen der Bank mehrere sich widersprechende Testamente vorlegen. Die Bank darf auf klaren Verhältnissen bestehen.
Was gilt für ein eigenhändiges Testament?
Auch ein eigenhändiges Testament galt lange als problematisch. Dabei handelt es sich um ein handschriftliches Testament, das zu Hause aufbewahrt wurde und nicht notariell beurkundet ist - ein sehr häufiger Fall. Die Banken beriefen sich oft darauf, dass sie nicht wissen konnten, ob das Testament wirklich echt sei.
Nach einem weiteren Urteil des Bundesgerichtshofes muss jedoch auch ein eigenhändiges Testament mit dem Vermerk des Nachlassgerichts über die Testamentseröffnung für die Bank ausreichen. Auch in diesem Fall kann das Geldinstitut also keinen Erbschein verlangen. Im konkreten Fall wurde die Bank zur Erstattung der Kosten für den Erbschein verurteilt. Allerdings muss die Erbfolge aus dem Testament klar hervorgehen.
Jeder testamentarische Erbe kann diesen Nachweis führen, denn jedes Testament muss beim Nachlassgericht abgeliefert werden und wird dann von diesem eröffnet (Urteil vom 5.4.2016, Az. XI ZR 440/15).
Was kostet ein Erbschein und wo beantragt man ihn?
Beantragen muss man den Erbschein beim Nachlassgericht - einer Abteilung des örtlichen Amtsgerichts. Dieses verlangt dafür eine Gebühr. Deren Höhe ist vom Wert des Nachlasses abhängig. Eine weitere Gebühr fällt für die Beurkundung der eidesstattlichen Versicherung an, die der Erbe bei seinem Antrag abgeben muss. Mit ihr bestätigt er, über den Wert des Nachlasses wahre Angaben gemacht zu haben.
Beispiel: Bei einem Nachlasswert von 110.000 Euro fällt für den Erbschein allein eine Gebühr von 273 Euro an. Bei einem Nachlasswert von 200.000 Euro sind es bereits 435 Euro. Diese Gebühr verdoppelt sich jeweils durch die Beurkundung der eidesstattlichen Versicherung. Es würden also insgesamt 546 Euro und 870 Euro anfallen. Bei einem Nachlasswert von 290.000 Euro beträgt die Gesamtgebühr schon 1.170 Euro.
Weitere Informationen dazu lesen Sie in unserem Rechtstipp Wie beantragt man einen Erbschein?
Praxistipp
Erben können auf einen teuren Erbschein sehr oft verzichten. Wollen die Banken dies nicht einsehen, kann ihnen die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes entgegengehalten werden. Bei einem Streit um erbrechtliche Fragen und Nachlassangelegenheiten lohnt es sich, einen Fachanwalt für Erbrecht hinzuzuziehen.
(Ma)