Erbschaft: Auch ohne Erbschein Zugriff auf das Bankkonto?
07.04.2025, Redaktion Anwalt-Suchservice

Das Wichtigste in Kürze
1. Banken dürfen sicher gehen: Die Bank kann auf einem Erbschein für den Kontozugriff bestehen, wenn es keine eindeutigen Nachweise für die Eigenschaft als Erbe gibt.
2. Erbschein ist nicht immer Pflicht: Ein Erbschein ist rechtlich nicht zwingend notwendig, wenn der oder die Erben ihre Berechtigung auch anderweitig glaubhaft machen können.
3. Anderweitige Glaubhaftmachung: Wer einen notariellen Erbvertrag, ein handschriftliches oder ein notarielles Testament mit gerichtlichem Eröffnungsprotokoll besitzt, benötigt keinen Erbschein für die Bank.
1. Banken dürfen sicher gehen: Die Bank kann auf einem Erbschein für den Kontozugriff bestehen, wenn es keine eindeutigen Nachweise für die Eigenschaft als Erbe gibt.
2. Erbschein ist nicht immer Pflicht: Ein Erbschein ist rechtlich nicht zwingend notwendig, wenn der oder die Erben ihre Berechtigung auch anderweitig glaubhaft machen können.
3. Anderweitige Glaubhaftmachung: Wer einen notariellen Erbvertrag, ein handschriftliches oder ein notarielles Testament mit gerichtlichem Eröffnungsprotokoll besitzt, benötigt keinen Erbschein für die Bank.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Wofür ist der Erbschein vorgeschrieben? Wie ist das übliche Vorgehen bei Bankkonten? Bankkonto: Wann reicht eine Vollmacht? Wann braucht man als Erbe keinen Erbschein? Wann kann die Bank heute noch einen Erbschein verlangen? Ersetzt ein eigenhändiges Testament den Erbschein? Was kostet ein Erbschein und wo beantragt man ihn? Praxistipp zu Erbschein und Bankkonto Wofür ist der Erbschein vorgeschrieben?
Gesetzlich vorgeschrieben ist ein Erbschein nur für die Änderung von Grundbucheintragungen nach Erbfällen. Also dann, wenn ein Erbe eine Immobilie auf seinen Namen als deren neuer Eigentümer im Grundbuch eintragen will. Auch dies gilt nur, wenn es kein öffentliches bzw. notarielles Testament bzw. keinen notariellen Erbvertrag gibt. Diese Dokumente reichen nämlich im Normalfall gemeinsam mit der Bescheinigung über die amtliche Testamentseröffnung für das Grundbuchamt aus. Die Behörde kann jedoch bei Unklarheiten trotzdem zusätzlich einen Erbschein verlangen. Grundsätzlich kann sich eine Pflicht zur Vorlage eines Erbscheins aber auch aus Verträgen ergeben – zum Beispiel aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Geldinstituten.
Wie ist das übliche Vorgehen bei Bankkonten?
Möchte ein Erbe auf die Bankkonten und Wertpapierdepots des Erblassers zugreifen, fordern Banken und Sparkassen oft einen Erbschein. Der Grund ist einfach: Sie selbst können ja gar nicht wissen, ob der oder die Betreffende tatsächlich ein echter Erbe ist oder ob es womöglich noch weitere Erben gibt, die Ansprüche geltend machen können. Wenn die Geldinstitute nun einfach den ersten Erben, der vorbeikommt, alles Geld abheben ließen, würde es vielleicht zu Schadensersatzforderungen gegen die Bank kommen. Daher schrieben die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Geldinstitute lange vor, dass nur durch einen Erbschein ausgewiesene Erben Zugriff auf die Konten von Verstorbenen bekommen durften. Ausnahmen gab es zum Teil bei kleineren Beträgen. Inzwischen gibt es jedoch mehrere Urteile des Bundesgerichtshofes, nach denen Banken und Sparkassen nicht mehr pauschal einen Erbschein verlangen dürfen.
Bankkonto: Wann reicht eine Vollmacht?
Wenn der Erblasser zu Lebzeiten jemandem eine Kontovollmacht "über den Tod hinaus" erteilt hat, hat die oder der Bevollmächtigte nach dem Todesfall Zugriff auf dessen Konten. Die Bank kann dann keinen Erbschein verlangen. Ausnahme: Es gibt konkrete Gründe, an der Berechtigung des Vollmachtinhabers zu zweifeln oder es gibt Hinweise auf einen versuchten Betrug. Der Bundesgerichtshof hat bereits vor vielen Jahren so entschieden (Urteil vom 25.10.1994, Az. XI ZR 239/93).
Allerdings hat die Vollmacht einen Haken: Ist der Bevollmächtigte nicht mit dem Erben identisch, kann der Erbe die Vollmacht einfach widerrufen.
Beispiel: Der Lebensgefährte einer Verstorbenen hat eine Kontovollmacht über den Tod hinaus. Der Nachlass besteht hauptsächlich aus einem Bankguthaben. Dem Testament zufolge sollen aber auch die Kinder erben. Befürchten nun die Kinder, dass der Lebensgefährte das Geld einfach abhebt und es vor Klärung der Verhältnisse ausgibt, können sie seine Vollmacht einfach widerrufen.
Wann braucht man als Erbe keinen Erbschein?
2013 hat der Bundesgerichtshof die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Geldinstitute für unwirksam erklärt, nach denen für den Kontozugriff von Erben grundsätzlich ein Erbschein erforderlich war (Urteil vom 8.10.2013, Az. XI ZR 401/12).
Nach diesem Urteil sind solche Klauseln eine unangemessene Benachteiligung des Kunden. Das Gesetz schreibe nicht vor, dass immer ein Erbschein vorzulegen sei. Stattdessen seien bei einigen Gelegenheiten, etwa der Grundbuchänderung, auch andere Beweismittel erlaubt.
Der Bundesgerichtshof sah hier die Interessen des wahren Erben als vorrangig vor der Absicherung der Bank an. Es sei dem Erben nicht zuzumuten, ein eigentlich überflüssiges, Kosten verursachendes und zeitraubendes Erbscheinverfahren durchzuführen, nur um Zugriff auf sein Erbe zu erhalten. Die Bank müsse ihm auch dann Zugriff gewähren, wenn er seine Erbschaft durch ein notarielles Testament bzw. einen notariellen Erbvertrag mit der Eröffnungsurkunde des Nachlassgerichts beweisen könne. Dies sei sicher genug. Anderslautende AGB-Klauseln der Banken seien unwirksam.
Wann kann die Bank heute noch einen Erbschein verlangen?
Geldinstitute können jedoch ausnahmsweise auch bei Vorlage eines notariellen Testaments mit Eröffnungsurkunde einen Erbschein verlangen, wenn aus dem Testament die Erbfolge nicht eindeutig hervorgeht oder wenn verschiedene Personen der Bank mehrere sich widersprechende Testamente vorlegen. Denn: Die Bank darf auf klaren Verhältnissen bestehen.
Ersetzt ein eigenhändiges Testament den Erbschein?
Lange galt auch ein eigenhändiges Testament als problematisch. So nennt man ein ganz normales, handschriftliches Testament, das zu Hause aufbewahrt wurde und nicht notariell beurkundet ist – was sehr häufig vorkommt. Die Banken argumentierten oft damit, dass sie nicht wissen konnten, ob das Testament wirklich echt sei.
Der BGH hat sich jedoch erneut mit dem Thema befasst. In einem Fall von 2016 ging es um Kinder, die nach dem Tod ihrer beiden Elternteile der Sparkasse eine beglaubigte Abschrift des handgeschriebenen Testaments und des Eröffnungsprotokolls des Nachlassgerichts vorgelegt hatten, um Zugriff auf das Konto zu bekommen. Die Sparkasse lehnte dies ab und verlangte einen Erbschein, da sie nicht klar erkennen könne, wer Erbe sei.
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass auch ein eigenhändiges Testament mit dem Vermerk des Nachlassgerichts über die Testamentseröffnung für die Sparkasse ausreichen muss. Das Geldinstitut kann also auch in diesem Fall keinen Erbschein verlangen.
Folge war hier, dass die Sparkasse den Erben die Kosten für den Erbschein ersetzen musste. Dies waren 1.770 Euro. Wichtig: Die Erbfolge muss aus dem Erbschein klar hervorgehen!
Diesen Nachweis kann jeder testamentarische Erbe führen. Jedes Testament – auch ein selbst verfasstes, das zu Hause aufbewahrt wurde – muss beim Nachlassgericht abgeliefert werden und wird dann von diesem eröffnet (Urteil vom 5.4.2016, Az. XI ZR 440/15).
Was kostet ein Erbschein und wo beantragt man ihn?
Einen Erbschein beantragt man beim Nachlassgericht. Dies ist eine Abteilung des örtlichen Amtsgerichts. Das Gericht verlangt dafür eine Gebühr. Deren Höhe hängt vom Wert des Nachlasses ab. Eine weitere Gebühr wird für die Beurkundung der eidesstattlichen Versicherung fällig, die der Erbe bei seinem Antrag abgeben muss. So bestätigt er, wahre Angaben über den Wert des Nachlasses gemacht zu haben.
Beispiel: Liegt der Nachlasswert bei 110.000 Euro, fällt für den Erbschein eine Gebühr von 273 Euro an. Bei einem Nachlasswert von 200.000 Euro sind es 435 Euro. Diese Gebühr verdoppelt sich jeweils durch die Beurkundung der eidesstattlichen Versicherung. Insgesamt würden also 546 Euro und 870 Euro an Gebühren für den Erbschein anfallen. Bei einem Nachlasswert von 290.000 Euro kommt man schon auf eine Gesamtgebühr in Höhe von 1.170 Euro. Gehört eine Immobilie zum Nachlass, kann die Gebühr schnell sehr hoch ausfallen – und Erben haben nicht immer sofort flüssiges Geld auf dem Konto.
Weitere Informationen dazu lesen Sie in unserem Rechtstipp:
Wie beantragt man einen Erbschein?
Praxistipp zu Erbschein und Bankkonto
Oft können Erben auf einen teuren Erbschein verzichten. Wenn die Bank dies nicht einsehen will, kann ihr die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes entgegengehalten werden. Bei einem Streit um erbrechtliche Fragen und Nachlassangelegenheiten kann Sie ein Fachanwalt für Erbrecht kompetent beraten und vertreten.
(Ma)