Erschöpfungseinwand beim Austausch von Teilen eines patentierten Erzeugnisses

Autor: RA Christian Harmsen, Bird & Bird LLP, Düsseldorf
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 10/2012
Der Austausch von Teilen eines patentierten Erzeugnisses stellt keine Patentverletzung dar, wenn die Erzeugnisse mit Zustimmung des Patentinhabers in Verkehr gebracht wurden und wenn der Austausch der Teile zum bestimmungsgemäßen Gebrauch des patentierten Erzeugnisses gehört.

BGH, Urt. v. 17.7.2012 - X ZR 97/11 „Palettenbehälter II”

Vorinstanz: OLG München, Urt. v. 28.7.2011 - 6 U 3412/10
Vorinstanz: LG München I, Urt. v. 20.5.2010 - 7 O 14224/09

PatG § 9 Satz 2 Nr. 1

Das Problem:

Die Inhaberin eines ausschließlichen Nutzungsrechts an einem Patent betreffend einen Palettenbehälter nahm die Hersteller wiederaufgearbeiteter Paillettenbehälter der Inhaberin wegen Patentverletzung in Anspruch. Sie ist der Ansicht, dass die von den Herstellern durchgeführte Wiederaufarbeitung und Weiterveräußerung der von ihr produzierten und mit ihrer Zustimmung in Verkehr gebrachten Palettenbehälter eine Verletzung des Klagepatents darstelle. Das LG wies die Klage ab. Die Berufung blieb ebenfalls erfolglos. Das Berufungsgericht sah in der Wiederaufarbeitung – nämlich dem Austausch eines auf der Flachpalette angebrachten Innenbehälters – keine erneute Herstellung des erfindungsgemäßen Erzeugnisses, sondern vielmehr eine identitätswahrende Reparatur. Diese könne nicht unterbunden werden, da das Ausschließlichkeitsrecht insoweit erschöpft sei. Gegen diese Beurteilung wendete sich die Inhaberin des ausschließlichen Nutzungsrechts mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.

Die Entscheidung des Gerichts:

Nach Auffassung des BGH hält das Berufungsurteil der revisionsrechtlichen Prüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Er hebt das Urteil daher (teilweise) auf und verweist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.

Erschöpfung: Nach ständiger Rechtsprechung seien die Rechte aus einem Patent hinsichtlich solcher Exemplare des geschützten Erzeugnisses erschöpft, die vom Patentinhaber oder mit seiner Zustimmung in Verkehr gebracht wurden. Rechtmäßige Erwerber solcher Exemplare seien befugt, diese bestimmungsgemäß zu gebrauchen, an Dritte zu veräußern oder anzubieten. Zum bestimmungsgemäßen, d.h. zur Erschöpfung führenden Gebrauch gehöre dabei auch die Wiederherstellung, solange hierdurch die Identität des in Verkehr gebrachten Exemplars gewahrt bleibe. Abzugrenzen hiervon sei die (unzulässige) Neuherstellung des patentgemäßen Erzeugnisses. Beim Austausch von Teilen eines Erzeugnisses bedürfte die Frage, ob eine identitätswahrende Wiederherstellung oder eine Neuherstellung vorliegt, einer die Eigenart des patentgeschützten Erzeugnisses berücksichtigenden Abwägung der schutzwürdigen Interessen des Patentinhabers an der wirtschaftlichen Verwertung der Erfindung einerseits und des Abnehmers am ungehinderten Gebrauch des in den Verkehr gebrachten Erzeugnisses andererseits. Rechtsfehlerhaft habe sich das Berufungsgericht nur mit einem von mehreren für diese Abwägung relevanten Gesichtspunkten befasst, nämlich der Frage, ob gerade das ausgetauschte Teil (der Innenbehälter) die technischen Wirkungen der Erfindung widerspiegele. Diese Frage sei vom Berufungsgericht zwar mit nicht zu beanstandenden Erwägungen verneint worden. Es habe jedoch außer Acht gelassen, dass dieser Gesichtspunkt nur in bestimmten Fällen ausschlaggebend ist, nämlich dann, wenn mit dem Austausch des in Rede stehenden Teils während der Lebensdauer des geschützten Erzeugnisses üblicherweise zu rechnen sei.

Zurückverweisung: Das Vorliegen dieser Voraussetzung lasse sich den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht entnehmen. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren werde daher zu prüfen sein, ob der Austausch der Innenbehälter nach der überwiegenden Vorstellung der Abnehmer solcher Behälter als übliche Erhaltungsmaßnahme angesehen werde oder als erneute Herstellung des Palettenbehälters. Bei dieser Prüfung seien verschiedene (vom BGH aufgezählte) Gesichtspunkte zu beachten, z.B. wie groß der Anteil derjenigen Abnehmer ist, die gebrauchte Palettenbehälter (un)entgeltlich abgeben oder der Umstand, dass die Hersteller für das Inverkehrbringen der von ihnen aufgearbeiteten Behälter einer gesonderten behördlichen Genehmigung bedürfen.


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