EuGH, Beschl. 27.3.2024 - C-639/23 P(R)
Kein vorläufiger Rechtsschutz hinsichtlich Veröffentlichung von Werbeverzeichnissen
Autor: RA Markus Rössel, LL.M. (Informationsrecht), Köln
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 05/2024
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 05/2024
Die Aussetzung des Benennungsbeschlusses gem. Art. 33 Abs. 4 DSA zur Einordnung des Amazon Stores als sehr große Onlineplattform bzgl. der Publikation eines Werbearchivs gem. Art. 39 DSA wird aufgehoben.
VO (EU) 2022/2065 Artt. 33 Abs. 4, 39
Kriterien des Eilverfahrens: Die Suspendierung eines Rechtsakts oder andere Interimslösungen könnten angeordnet werden, wenn nachgewiesen werde, dass diese prima facie in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gerechtfertigt und zur Abwendung eines ernsten und irreversiblen Schadens bei Abwarten der Hauptsacheentscheidung dringend geboten seien. Ggf. müssten auch die betroffenen Interessen abgewogen werden (Rz. 66).
Nicht offensichtliche Unbegründetheit: Eilschutz komme in Betracht, wenn zumindest einer der Klagegründe nicht als offensichtlich unbegründet erscheine, er also komplexe, nur im Hauptsacheverfahren zu klärende Rechtsfragen aufwerfe oder die Lösung eines bedeutenden Rechtsstreits nicht auf der Hand liege (Rz. 77 m.w.N.).
Zweifelhafte Zulässigkeit: Art. 277 AEUV ermögliche in Rechtsstreitigkeiten, die Nichtigerklärung von Rechtsakten allgemeiner Geltung beim EuGH zu beantragen, sofern sie direkt oder mittelbar im Rechtsstreit anwendbar seien. Dies gelte für Entscheidungsgrundlagen, aber auch, wenn die beanstandete Bestimmung explizit oder unerwähnt Teil der Begründung einer angefochtenen Entscheidung sei. Hieran fehle es u.U. zwischen Art. 39 DSA und dem Benennungsbeschluss. Allerdings solle Art. 277 AEUV nicht zu einer artifiziellen Trennung der verschiedenen Aspekte eines kohärenten Rechtsrahmens führen. Diese Frage bedürfe eingehender Prüfung (Rz. 79–91 m.w.N.).
Möglicher Grundrechtseingriff: Im Hauptsacheverfahren sei die Vereinbarkeit mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz sowie den Artt. 7, 16, 17 GRC zu prüfen. Art. 39 DSA verpflichte zur öffentlichen Zugänglichmachung eines Verzeichnisses über Werbeaktivitäten auf VLOP zu Werbetreibendem, Inhalt, Zeitraum, Hauptparametern von Targeted Advertising, veröffentlichter kommerzieller Kommunikationen oder Gesamtzahl der Werbeadressaten. Wegen der Offenlegung von insb. vertraulichen Kundenbeziehungen und Werbekampagnen könne ein Eingriff in Artt. 7, 16 GRC nicht ausgeschlossen werden (Rz. 92–97).
Anderweitige Veröffentlichungspflichten: Die Offenlegung von Werbetreibendem sei wohl nach Art. 6 lit. b ECRL und Art. 26 Abs. 1 lit. b DSA und die der Hauptparameter für Targeted Advertising nach Art. 15 Abs. 1 lit. b und h DSGVO, Art. 5 Abs. 1 P2B-VO und Art. 26 Abs. 1 lit. d DSA erforderlich. Die Veröffentlichung verdeckter kommerzieller Kommunikation könne unlautere Geschäftspraxis i.S.v. Art. 5 Abs. 5 und Nr. 11 Anh. I UGP-RL sein. Solche Verpflichtungen bezögen sich aber insb. nicht auf Werbezeitraum oder Empfängerzahl. Auch sei grundrechtlich relevant, ob die Offenlegung nur gegenüber Betroffenen oder der Öffentlichkeit zu erfolgen habe. Dass die Informationen i.S.v. Art. 39 Abs. 2 DSA auch aus kommerziellen Angeboten oder auf dem Markt angebotenen Analysen von Werbemetriken extrahiert werden könnten, sei nicht nachgewiesen. Dagegen sei von Amazon Schadensrisiko und Schutzwürdigkeit nicht nachzuweisen. Ein Grundrechtseingriff sei danach nicht ausgeschlossen (Rz. 100–106).
Unklare Rechtfertigung: Ein Eingriff in Artt. 7, 16 GRC durch Art. 39 DSA sei bei Verletzung von Art. 52 Abs. 1 GRC rechtswidrig. Erforderlich sei danach eine gesetzliche Grundlage, Wesensgehaltsachtung, Verhältnismäßigkeit und die Entsprechung von anerkannten Gemeinwohlzielen oder dem Schutz von Individualrechten. Zu berücksichtigen seien insb. der Beitrag von Art. 39 DSA zur Erreichung der gesetzlichen Ziele, weniger belastende Alternativen oder die Eingriffsschwere. Die Lösung der Frage des Überschreitens des Ermessensspielraums des Gesetzgebers liege nicht auf der Hand, so dass nach summarischer Prüfung der Einwand der Rechtswidrigkeit von Art. 39 DSA nicht offensichtlich unbegründet sei (Rz. 107–112).
Dringlichkeit: Es genüge, dass aufgrund nachzuweisender Tatsachen der unmittelbare Schaden mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorhersehbar sei. Das von Amazon vorgelegte Sachverständigengutachten enthalte keine Bewertung der Wahrscheinlichkeit von Schwierigkeiten der Kundenrückgewinnung und damit keinen Nachweis irreversiblen Schadens in Form eines Marktanteilverlusts. Wenn aber Geschäftsgeheimnisse behauptet würden, sei von ihrer Betroffenheit im Fall nicht offensichtlicher Unbegründetheit bei der Prüfung der Dringlichkeit ohne weiteres auszugehen. Dies sei zumindest teilweise bzgl. Art. 39 Abs. 2 DSA der Fall (Rz. 120–128 m.w.N.).
Drohende Schäden: Nichtvermögensrechtliche Schäden seien nicht dargelegt worden. Ökonomische Einbußen könnten sich aber aus der Werbezurückhaltung von Drittanbietern und dem Umstand ergeben, dass sie die Plattform verließen, sowie aus den Vorteilen der Wettbewerber von Amazon aus der Kenntnis von Werbestrategien. Wegen der in Rede stehenden Informationsvielfalt müsse der drohende Schaden als ernst i.S.d. EuGH-Judikatur betrachtet werden (Rz. 129 ff. m.w.N.).
Unbestimmbares Schadensausmaß: Ein irreversibler finanzieller Schaden liege i.d.R. wegen des Schadensersatzanspruchs (Artt. 268, 340 AEUV) trotz der Unsicherheit seiner Durchsetzung nicht vor. Anders sei dies, wenn bei Prüfung des einstweiligen Rechtsschutzes die mangelnde Quantifizierbarkeit des Schadens feststehe. Der Schaden für Amazon durch Offenlegung seiner Geschäftsgeheimnisse variiere unbestimmbar in Umfang und Ausmaß je nach Informationsempfänger (Kunden, Wettbewerber, Finanzanalysten oder Öffentlichkeit). Die unmögliche Präzisierung mache die Schadensfolgen unvorhersehbar, so dass Dringlichkeit vorliege (Rz. 132–137 m.w.N.).
Nicht vorweggenommene Offenlegung: Durch eine vorläufige Veröffentlichung des Werbeverzeichnisses würde die Wirkung einer späteren Nichtigerklärung des Benennungsbeschlusses nicht aufgehoben. Der Verlust der Vertraulichkeit sei angesichts der Notwendigkeit fortlaufender Aktualisierung gem. Art. 39 Abs. 1 DSA nur vorübergehend. Eine Nichtigerklärung würde es daher ermöglichen, Werbetreibende zu einer attraktiveren Geschäftsumgebung zurückzubringen und neue vertrauliche Werbestrategien zu entwickeln. Somit liege kein Fall der Vorwegnahme der Hauptsache wegen finaler Offenlegung durch temporäre Anordnung vor (Rz. 143–148 m.w.N.).
Geringeres Aussetzungsinteresse: Es sei nicht dargelegt worden, dass die vorläufige Anwendung des Art. 39 DSA auf Amazon Store über die Kriterien der Dringlichkeit hinaus die Existenz oder die langfristige Entwicklung gefährden würde. Das Risiko einer Geschäftseinstellung sei nicht behauptet und das eines erheblichen und dauerhaften Risikos eines Marktanteilverlusts nicht nachgewiesen worden. Die Einnahmen aus Werbeaktivitäten beliefen sich nur auf 7 % der Gesamteinnahmen. Somit hätte die Beschränkung der Entwicklungsmöglichkeit von Werbestrategien nur begrenzte Auswirkung, zumal die Erheblichkeit indirekter Auswirkungen auf andere Aktivitäten von Amazon nicht bewiesen sei (Rz. 150–154 m.w.N.).
Überwiegendes Vollzugsinteresse: Die Nichtanwendung bestimmter Verpflichtungen würde entgegen den gewichtigen Zielen i.S.d. Erwgrd. 155 des DSA zu einer u.U. jahrelangen, sich fortentwickelnden Grundrechtsbedrohung führen. Aus Erwgrd. 75, 76, 95 des DSA ergebe sich, dass der Unionsgesetzgeber nach einer Bewertung davon ausgegangen sei, dass von VLOP im Allgemeinen und von deren Werbesystemen im Speziellen besondere Risiken ausgingen, die regulatorischer Aufsicht unterliegen müssten. Immerhin solle der DSA für VLOP nach Artt. 92, 93 Abs. 2 DSA vorzeitig zur Anwendung kommen. Die Aussetzung des Benennungsbeschlusses hätte weder Auswirkungen auf die Verpflichtungen aller Vermittlungsdienste noch die anderer eingestufter VLOP. Dies führe zur Wettbewerbsverzerrung (Rz. 155–165).
VO (EU) 2022/2065 Artt. 33 Abs. 4, 39
Das Problem
Amazon Services Europe S.a.r.l. (i.F. Amazon) klagt im Hauptsacheverfahren (EuG – T-367/23) auf Nichtigerklärung des Benennungsbeschlusses der EU-Kommission v. 25.4.2023 – C(2023) 2746 final zur Einordnung von Amazon Store als sehr große Onlineplattform (VLOP) wegen Unvereinbarkeit der Artt. 33 Abs. 4, 38, 39 DSA mit Grundrechten und Gleichbehandlungsgrundsatz. Erstinstanzlich wurde Eilrechtsschutz im Hinblick auf Pflichten zur Implementierung von Empfehlungssystemen auch ohne Profiling und eines Werbearchivs versagt (Artt. 38, 39 DSA). Aber die Pflicht zu dessen Veröffentlichung wurde vorläufig ausgesetzt.Die Entscheidung des Gerichts
Auch bzgl. der Veröffentlichung des Werbearchivs komme kein vorläufiger Rechtsschutz in Betracht.Kriterien des Eilverfahrens: Die Suspendierung eines Rechtsakts oder andere Interimslösungen könnten angeordnet werden, wenn nachgewiesen werde, dass diese prima facie in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gerechtfertigt und zur Abwendung eines ernsten und irreversiblen Schadens bei Abwarten der Hauptsacheentscheidung dringend geboten seien. Ggf. müssten auch die betroffenen Interessen abgewogen werden (Rz. 66).
Nicht offensichtliche Unbegründetheit: Eilschutz komme in Betracht, wenn zumindest einer der Klagegründe nicht als offensichtlich unbegründet erscheine, er also komplexe, nur im Hauptsacheverfahren zu klärende Rechtsfragen aufwerfe oder die Lösung eines bedeutenden Rechtsstreits nicht auf der Hand liege (Rz. 77 m.w.N.).
Zweifelhafte Zulässigkeit: Art. 277 AEUV ermögliche in Rechtsstreitigkeiten, die Nichtigerklärung von Rechtsakten allgemeiner Geltung beim EuGH zu beantragen, sofern sie direkt oder mittelbar im Rechtsstreit anwendbar seien. Dies gelte für Entscheidungsgrundlagen, aber auch, wenn die beanstandete Bestimmung explizit oder unerwähnt Teil der Begründung einer angefochtenen Entscheidung sei. Hieran fehle es u.U. zwischen Art. 39 DSA und dem Benennungsbeschluss. Allerdings solle Art. 277 AEUV nicht zu einer artifiziellen Trennung der verschiedenen Aspekte eines kohärenten Rechtsrahmens führen. Diese Frage bedürfe eingehender Prüfung (Rz. 79–91 m.w.N.).
Möglicher Grundrechtseingriff: Im Hauptsacheverfahren sei die Vereinbarkeit mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz sowie den Artt. 7, 16, 17 GRC zu prüfen. Art. 39 DSA verpflichte zur öffentlichen Zugänglichmachung eines Verzeichnisses über Werbeaktivitäten auf VLOP zu Werbetreibendem, Inhalt, Zeitraum, Hauptparametern von Targeted Advertising, veröffentlichter kommerzieller Kommunikationen oder Gesamtzahl der Werbeadressaten. Wegen der Offenlegung von insb. vertraulichen Kundenbeziehungen und Werbekampagnen könne ein Eingriff in Artt. 7, 16 GRC nicht ausgeschlossen werden (Rz. 92–97).
Anderweitige Veröffentlichungspflichten: Die Offenlegung von Werbetreibendem sei wohl nach Art. 6 lit. b ECRL und Art. 26 Abs. 1 lit. b DSA und die der Hauptparameter für Targeted Advertising nach Art. 15 Abs. 1 lit. b und h DSGVO, Art. 5 Abs. 1 P2B-VO und Art. 26 Abs. 1 lit. d DSA erforderlich. Die Veröffentlichung verdeckter kommerzieller Kommunikation könne unlautere Geschäftspraxis i.S.v. Art. 5 Abs. 5 und Nr. 11 Anh. I UGP-RL sein. Solche Verpflichtungen bezögen sich aber insb. nicht auf Werbezeitraum oder Empfängerzahl. Auch sei grundrechtlich relevant, ob die Offenlegung nur gegenüber Betroffenen oder der Öffentlichkeit zu erfolgen habe. Dass die Informationen i.S.v. Art. 39 Abs. 2 DSA auch aus kommerziellen Angeboten oder auf dem Markt angebotenen Analysen von Werbemetriken extrahiert werden könnten, sei nicht nachgewiesen. Dagegen sei von Amazon Schadensrisiko und Schutzwürdigkeit nicht nachzuweisen. Ein Grundrechtseingriff sei danach nicht ausgeschlossen (Rz. 100–106).
Unklare Rechtfertigung: Ein Eingriff in Artt. 7, 16 GRC durch Art. 39 DSA sei bei Verletzung von Art. 52 Abs. 1 GRC rechtswidrig. Erforderlich sei danach eine gesetzliche Grundlage, Wesensgehaltsachtung, Verhältnismäßigkeit und die Entsprechung von anerkannten Gemeinwohlzielen oder dem Schutz von Individualrechten. Zu berücksichtigen seien insb. der Beitrag von Art. 39 DSA zur Erreichung der gesetzlichen Ziele, weniger belastende Alternativen oder die Eingriffsschwere. Die Lösung der Frage des Überschreitens des Ermessensspielraums des Gesetzgebers liege nicht auf der Hand, so dass nach summarischer Prüfung der Einwand der Rechtswidrigkeit von Art. 39 DSA nicht offensichtlich unbegründet sei (Rz. 107–112).
Dringlichkeit: Es genüge, dass aufgrund nachzuweisender Tatsachen der unmittelbare Schaden mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorhersehbar sei. Das von Amazon vorgelegte Sachverständigengutachten enthalte keine Bewertung der Wahrscheinlichkeit von Schwierigkeiten der Kundenrückgewinnung und damit keinen Nachweis irreversiblen Schadens in Form eines Marktanteilverlusts. Wenn aber Geschäftsgeheimnisse behauptet würden, sei von ihrer Betroffenheit im Fall nicht offensichtlicher Unbegründetheit bei der Prüfung der Dringlichkeit ohne weiteres auszugehen. Dies sei zumindest teilweise bzgl. Art. 39 Abs. 2 DSA der Fall (Rz. 120–128 m.w.N.).
Drohende Schäden: Nichtvermögensrechtliche Schäden seien nicht dargelegt worden. Ökonomische Einbußen könnten sich aber aus der Werbezurückhaltung von Drittanbietern und dem Umstand ergeben, dass sie die Plattform verließen, sowie aus den Vorteilen der Wettbewerber von Amazon aus der Kenntnis von Werbestrategien. Wegen der in Rede stehenden Informationsvielfalt müsse der drohende Schaden als ernst i.S.d. EuGH-Judikatur betrachtet werden (Rz. 129 ff. m.w.N.).
Unbestimmbares Schadensausmaß: Ein irreversibler finanzieller Schaden liege i.d.R. wegen des Schadensersatzanspruchs (Artt. 268, 340 AEUV) trotz der Unsicherheit seiner Durchsetzung nicht vor. Anders sei dies, wenn bei Prüfung des einstweiligen Rechtsschutzes die mangelnde Quantifizierbarkeit des Schadens feststehe. Der Schaden für Amazon durch Offenlegung seiner Geschäftsgeheimnisse variiere unbestimmbar in Umfang und Ausmaß je nach Informationsempfänger (Kunden, Wettbewerber, Finanzanalysten oder Öffentlichkeit). Die unmögliche Präzisierung mache die Schadensfolgen unvorhersehbar, so dass Dringlichkeit vorliege (Rz. 132–137 m.w.N.).
Nicht vorweggenommene Offenlegung: Durch eine vorläufige Veröffentlichung des Werbeverzeichnisses würde die Wirkung einer späteren Nichtigerklärung des Benennungsbeschlusses nicht aufgehoben. Der Verlust der Vertraulichkeit sei angesichts der Notwendigkeit fortlaufender Aktualisierung gem. Art. 39 Abs. 1 DSA nur vorübergehend. Eine Nichtigerklärung würde es daher ermöglichen, Werbetreibende zu einer attraktiveren Geschäftsumgebung zurückzubringen und neue vertrauliche Werbestrategien zu entwickeln. Somit liege kein Fall der Vorwegnahme der Hauptsache wegen finaler Offenlegung durch temporäre Anordnung vor (Rz. 143–148 m.w.N.).
Geringeres Aussetzungsinteresse: Es sei nicht dargelegt worden, dass die vorläufige Anwendung des Art. 39 DSA auf Amazon Store über die Kriterien der Dringlichkeit hinaus die Existenz oder die langfristige Entwicklung gefährden würde. Das Risiko einer Geschäftseinstellung sei nicht behauptet und das eines erheblichen und dauerhaften Risikos eines Marktanteilverlusts nicht nachgewiesen worden. Die Einnahmen aus Werbeaktivitäten beliefen sich nur auf 7 % der Gesamteinnahmen. Somit hätte die Beschränkung der Entwicklungsmöglichkeit von Werbestrategien nur begrenzte Auswirkung, zumal die Erheblichkeit indirekter Auswirkungen auf andere Aktivitäten von Amazon nicht bewiesen sei (Rz. 150–154 m.w.N.).
Überwiegendes Vollzugsinteresse: Die Nichtanwendung bestimmter Verpflichtungen würde entgegen den gewichtigen Zielen i.S.d. Erwgrd. 155 des DSA zu einer u.U. jahrelangen, sich fortentwickelnden Grundrechtsbedrohung führen. Aus Erwgrd. 75, 76, 95 des DSA ergebe sich, dass der Unionsgesetzgeber nach einer Bewertung davon ausgegangen sei, dass von VLOP im Allgemeinen und von deren Werbesystemen im Speziellen besondere Risiken ausgingen, die regulatorischer Aufsicht unterliegen müssten. Immerhin solle der DSA für VLOP nach Artt. 92, 93 Abs. 2 DSA vorzeitig zur Anwendung kommen. Die Aussetzung des Benennungsbeschlusses hätte weder Auswirkungen auf die Verpflichtungen aller Vermittlungsdienste noch die anderer eingestufter VLOP. Dies führe zur Wettbewerbsverzerrung (Rz. 155–165).