EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts 13.12.2018 - C-299/17
Schlussanträge zum Leistungsschutzrecht für Presseverleger
Autor: RAin Maria-Urania Dovas, SSW Schneider Schiffer Weihermüller, München
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 03/2019
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 03/2019
Nationale Vorschriften, die es ausschließlich gewerblichen Betreibern von Suchmaschinen und gewerblichen Anbietern von Diensten, die Inhalte aufbereiten, nicht aber sonstigen – auch gewerblichen – Nutzern verbieten, Presseerzeugnisse oder Teile hiervon (ausgenommen einzelne Wörter und kleinste Textausschnitte) öffentlich zugänglich zu machen, stellen Vorschriften dar, die speziell auf Dienste der Informationsgesellschaft abzielen. Diese Vorschriften sind eine technische Vorschrift, die der Übermittlungspflicht an die Europäische Kommission unterliegt.
EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts v. 13.12.2018 - C-299/17
RL 98/34/EG Art. 1 Nr. 11, 8 Abs. 1; UrhG §§ 87f, 87g, 87h
Geklagt hatte VG Media gegen Google auf Schadensersatz, weil Google seit dem 1.8.2013 für eigene Dienste unentgeltlich Textausschnitte, Bilder und Videos von Presse- und Medieninhalten genutzt hat, die von Mitgliedern von VG Media hergestellt worden sind. In Deutschland wurde am 1.8.2013 das Leistungsschutzrecht für Presseverleger eingeführt. Der Gesetzentwurf war der Europäischen Kommission nicht übermittelt worden.
Technische Vorschrift: Nationale Vorschriften, die lediglich Voraussetzungen für die Niederlassung oder die Erbringung von Leistungen durch Unternehmer vorsähen, wie Vorschriften, die die Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit von einer vorherigen Erlaubnis abhängig machten, stellten keine technischen Vorschriften dar. Auch Maßnahmen, die sich im Wesentlichen auf die Wiederholung oder Ersetzung bestehender technischen Vorschriften beschränkten, die der Kommission bereits notifiziert worden seien, müssten nicht notifiziert werden. §§ 87f Abs. 1 und 87g Abs. 4 UrhG kämen jedoch technischen Vorschriften gleich. Nach Letzterem sei die öffentliche Zugänglichmachung von Presseerzeugnissen oder Teilen hiervon zulässig, soweit sie nicht durch gewerbliche Anbieter von Suchmaschinen oder gewerbliche Anbieter von Diensten erfolge, die Inhalte entsprechend aufbereiteten. Dies sei kritisch, weil die Erbringung dieser Dienste durch Anbieter von Internetsuchmaschinen wirksam eingeschränkt oder begrenzt werde, indem die Dienste auf eine Urheberrechtsverletzung hinausliefen und den Anbieter der Möglichkeit einer Unterlassungsverfügung oder einer Geldforderung aussetze.
Wesentliche Beeinträchtigung von Internetdiensten: Unter Übertragung der Rechtsprechung des EuGH in der Sache Berlington Hungary (EuGH v. 11.6.2015 – C-98/14) sei davon auszugehen, dass die §§ 87f Abs. 1 und 87g Abs. 4 UrhG eine wesentliche Beeinträchtigung bewirken könnten, indem sie die Anbieter von Internetsuchmaschinen in den Fällen einer Verbotsanordnung oder einem Schadensersatzanspruch aussetzten, in denen mehr als ein paar Wörter oder ein sehr kleiner Ausschnitt aus dem Presseerzeugnis öffentlich zugänglich gemacht würden. Andere, insb. auch gewerbliche Anbieter unterlägen diesem Verbot oder Schadensersatzanspruch nicht. Die Regelung könne das Angebot von Diensten für Presseerzeugnisse beeinflussen und habe Auswirkungen auf die Dienstleistungsfreiheit.
Spezielles Abzielen auf Dienste der Informationsgesellschaft: Die fraglichen Vorschriften seien speziell, nämlich ausdrücklich und gezielt, auf Dienste der Informationsgesellschaft ausgerichtet, und zwar auch dann, wenn Zweck der nationalen Regelungen sei, die Rechte der Verleger an geistigem Eigentum zu schützen. Hauptziel und Gegenstand der nationalen Gesetzesänderungen sei gewesen, aufgrund der Tatsache, dass Medieninhalte zunehmend online gelesen würden, eine besondere urheberrechtliche Regelung für Onlinedienste in Bezug auf Presseerzeugnisse vorzusehen.
Notifizierungspflicht: Allein die Tatsache, dass das Geschäftsmodell von Zeitungen in der EU, insb. mit der Unterstützung leistungsstarker Suchmaschinen, durch den Onlinekonsum von Presseerzeugnissen in Gefahr gerate, führe nicht dazu, dass ein Mitgliedstaat die Notifizierungspflicht umgehen könne. Die Notifizierungspflicht lege auch keine Fehlerhaftigkeit oder einen Verstoß gegen die Regeln des Binnenmarkts nahe. Ziel sei es, dass die Europäische Kommission rechtzeitig von dem Gesetzgebungsvorhaben in Kenntnis gesetzt werde und möglichst früh Auswirkungen auf den Binnenmarkt untersuchen könne.
EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts v. 13.12.2018 - C-299/17
RL 98/34/EG Art. 1 Nr. 11, 8 Abs. 1; UrhG §§ 87f, 87g, 87h
Das Problem
Dem EuGH wurden in einem Rechtsstreit zwischen der VG Media und der Google LLC zwei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Dabei ging es darum, ob eine von einem Mitgliedstaat in sein Urheberrechtsgesetz eingefügte neue Vorschrift, wonach gewerbliche Betreiber einer Internetsuchmaschine ohne entsprechende Genehmigung nicht berechtigt sind, Ausschnitte von Text-, Bild- und Videoinhalten, die von Presseverlegern hergestellt sind, zur Verfügung zu stellen, der Europäischen Kommission notifiziert werden muss. Des Weiteren ging es um die Auslegung des Begriffs der „technischen Vorschrift”.Geklagt hatte VG Media gegen Google auf Schadensersatz, weil Google seit dem 1.8.2013 für eigene Dienste unentgeltlich Textausschnitte, Bilder und Videos von Presse- und Medieninhalten genutzt hat, die von Mitgliedern von VG Media hergestellt worden sind. In Deutschland wurde am 1.8.2013 das Leistungsschutzrecht für Presseverleger eingeführt. Der Gesetzentwurf war der Europäischen Kommission nicht übermittelt worden.
Die Schlussanträge des Generalanwalts
Es handle sich bei §§ 87f–87h UrhG um eine technische Vorschrift, die der Notifizierung bedürfe. Die Nichterfüllung der Notifizierungspflicht führe zu einer Unanwendbarkeit der betreffenden nationalen Regelung.Technische Vorschrift: Nationale Vorschriften, die lediglich Voraussetzungen für die Niederlassung oder die Erbringung von Leistungen durch Unternehmer vorsähen, wie Vorschriften, die die Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit von einer vorherigen Erlaubnis abhängig machten, stellten keine technischen Vorschriften dar. Auch Maßnahmen, die sich im Wesentlichen auf die Wiederholung oder Ersetzung bestehender technischen Vorschriften beschränkten, die der Kommission bereits notifiziert worden seien, müssten nicht notifiziert werden. §§ 87f Abs. 1 und 87g Abs. 4 UrhG kämen jedoch technischen Vorschriften gleich. Nach Letzterem sei die öffentliche Zugänglichmachung von Presseerzeugnissen oder Teilen hiervon zulässig, soweit sie nicht durch gewerbliche Anbieter von Suchmaschinen oder gewerbliche Anbieter von Diensten erfolge, die Inhalte entsprechend aufbereiteten. Dies sei kritisch, weil die Erbringung dieser Dienste durch Anbieter von Internetsuchmaschinen wirksam eingeschränkt oder begrenzt werde, indem die Dienste auf eine Urheberrechtsverletzung hinausliefen und den Anbieter der Möglichkeit einer Unterlassungsverfügung oder einer Geldforderung aussetze.
Wesentliche Beeinträchtigung von Internetdiensten: Unter Übertragung der Rechtsprechung des EuGH in der Sache Berlington Hungary (EuGH v. 11.6.2015 – C-98/14) sei davon auszugehen, dass die §§ 87f Abs. 1 und 87g Abs. 4 UrhG eine wesentliche Beeinträchtigung bewirken könnten, indem sie die Anbieter von Internetsuchmaschinen in den Fällen einer Verbotsanordnung oder einem Schadensersatzanspruch aussetzten, in denen mehr als ein paar Wörter oder ein sehr kleiner Ausschnitt aus dem Presseerzeugnis öffentlich zugänglich gemacht würden. Andere, insb. auch gewerbliche Anbieter unterlägen diesem Verbot oder Schadensersatzanspruch nicht. Die Regelung könne das Angebot von Diensten für Presseerzeugnisse beeinflussen und habe Auswirkungen auf die Dienstleistungsfreiheit.
Spezielles Abzielen auf Dienste der Informationsgesellschaft: Die fraglichen Vorschriften seien speziell, nämlich ausdrücklich und gezielt, auf Dienste der Informationsgesellschaft ausgerichtet, und zwar auch dann, wenn Zweck der nationalen Regelungen sei, die Rechte der Verleger an geistigem Eigentum zu schützen. Hauptziel und Gegenstand der nationalen Gesetzesänderungen sei gewesen, aufgrund der Tatsache, dass Medieninhalte zunehmend online gelesen würden, eine besondere urheberrechtliche Regelung für Onlinedienste in Bezug auf Presseerzeugnisse vorzusehen.
Notifizierungspflicht: Allein die Tatsache, dass das Geschäftsmodell von Zeitungen in der EU, insb. mit der Unterstützung leistungsstarker Suchmaschinen, durch den Onlinekonsum von Presseerzeugnissen in Gefahr gerate, führe nicht dazu, dass ein Mitgliedstaat die Notifizierungspflicht umgehen könne. Die Notifizierungspflicht lege auch keine Fehlerhaftigkeit oder einen Verstoß gegen die Regeln des Binnenmarkts nahe. Ziel sei es, dass die Europäische Kommission rechtzeitig von dem Gesetzgebungsvorhaben in Kenntnis gesetzt werde und möglichst früh Auswirkungen auf den Binnenmarkt untersuchen könne.