EuGH, Urt. 16.3.2023 - C-339/21
Pauschalierte Kostenerstattung für Überwachungsmaßnahmen durch Telekommunikationsdiensteanbieter
Autor: RA, FA IT-Recht Dr. Kay Oelschlägel, Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Hamburg
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 08/2023
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 08/2023
Art. 13 i.V.m. Art. 3 RL (EU) 2018/1972 steht nationalen Regelungen nicht entgegen, die keine vollständige Erstattung der Kosten vorschreiben, die den Anbietern elektronischer Kommunikationsdienste bei der Ermöglichung der rechtmäßigen Überwachung der elektronischen Kommunikation durch die zuständigen nationalen Behörden tatsächlich entstanden sind, sofern diese Regelung nicht diskriminierend, verhältnismäßig und transparent ist.
RL (EU) 2018/1972 Art. 3, 13
Die Telekommunikationsbetreiber beantragten mit separaten Klagen beim Regionalen VG die Nichtigkeitserklärung dieses Dekrets, weil die festgeschriebenen Vergütungen die Kosten der angeordneten Überwachungen nicht vollständig decken würden.
In seiner Vorlagefrage möchte das italienische Gericht nun wissen, ob die Art. 18, 26, 49, 54 und 55 AEUV, Art. 3 und 13 RL (EU) 2018/1972 sowie Art. 16 und 52 GRC einer nationalen Regelung entgegenstehen, die Telekommunikationsbetreibern für verpflichtend durchzuführende Überwachungstätigkeiten im Telekommunikationsverkehr auf Ersuchen von Justizbehörden lediglich allgemeine Pauschalgebühren zusichert und die Verwaltungsbehörde verpflichtet, gegenüber früheren Kriterien für die Berechnung Kosten einzusparen.
Ermessensspielraum: Nach Art. 13 der RL (EU) 2018/1972 könne die Allgemeingenehmigung für die Bereitstellung elektronischer Kommunikationsnetze oder -dienste nur an die in Anh. I der Richtlinie genannten Bedingungen, die nicht diskriminierend, verhältnismäßig und transparent sein müssen, geknüpft werden. Aus dem Wortlaut der dortigen Bestimmungen ergebe sich, dass der Unionsgesetzgeber weder vorgeschrieben noch ausgeschlossen habe, dass die Mitgliedstaaten Kosten erstatteten, die den Telekommunikationsbetreibern entstünden, wenn sie rechtmäßige Überwachungen entsprechend den Bedingungen des Art. 13, Teil A des Anh. I der RL (EU) 2018/1972 durchführten. Daraus folge ein Ermessensspielraum für die nationalen Gesetzgeber und keine Verpflichtung, die tatsächlich entstandenen Kosten zu ersetzen. Eine solche Pflicht könne auch nicht aus den allgemeinen Zielen in Art. 3 der RL (EU) 2018/1972 hergeleitet werden. Von dem Ermessensspielraum müsse unter Beachtung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung, der Verhältnismäßigkeit und der Transparenz Gebrauch gemacht werden. Die nationale Regelung sei mit dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung vereinbar, da sie für alle Betreiber von Kommunikationsdiensten vergleichbar seien. Die Sätze müssten unter Berücksichtigung des technologischen Fortschritts und des Umstands berechnet werden, dass die Leistungen für allgemeine Zwecke des öffentlichen Interesses wesentlich seien. Dadurch, dass die Sätze in einem förmlichen Verwaltungsakt festgesetzt würden, der frei einsehbar veröffentlicht werde, sei die Regelung auch transparent. Eine abschließende Prüfung obliege jedoch dem vorlegenden Gericht.
Senkung der Erstattung: Die RL (EU) 2018/1972 stehe auch keiner nationalen Regelung entgegen, die die Höhe der früher gewährten Erstattungen im Bereich von telekommunikationsdienstlichen Überwachungen absenken könne, um Einsparungen bei den öffentlichen Ausgaben zu erzielen. Voraussetzung sei lediglich, dass die nationale Regelung nicht diskriminierend, verhältnismäßig und transparent sei.
RL (EU) 2018/1972 Art. 3, 13
Das Problem
Nach Art. 96 des italienischen Gesetzbuchs über die elektronische Kommunikation sind Telekommunikationsbetreiber auf Verlangen von Justizbehörden verpflichtet, Maßnahmen zur Überwachung des Fernmeldeverkehrs gegen eine jährliche Pauschalgebühr durchzuführen. Nach Art. 96 Abs. 2 wurden die Beträge, die die Telekommunikationsbetreiber hierfür erhielten, durch ein interministerielles Dekret v. 28.12.2017 geändert. Danach wurde die Erstattung der Kosten für die verpflichtend durchzuführenden Überwachungen elektronischer Kommunikation um mindestens 50 % gekürzt.Die Telekommunikationsbetreiber beantragten mit separaten Klagen beim Regionalen VG die Nichtigkeitserklärung dieses Dekrets, weil die festgeschriebenen Vergütungen die Kosten der angeordneten Überwachungen nicht vollständig decken würden.
In seiner Vorlagefrage möchte das italienische Gericht nun wissen, ob die Art. 18, 26, 49, 54 und 55 AEUV, Art. 3 und 13 RL (EU) 2018/1972 sowie Art. 16 und 52 GRC einer nationalen Regelung entgegenstehen, die Telekommunikationsbetreibern für verpflichtend durchzuführende Überwachungstätigkeiten im Telekommunikationsverkehr auf Ersuchen von Justizbehörden lediglich allgemeine Pauschalgebühren zusichert und die Verwaltungsbehörde verpflichtet, gegenüber früheren Kriterien für die Berechnung Kosten einzusparen.
Die Entscheidung des Gerichts
Das Vorabentscheidungsverfahren ist bzgl. der Auslegung der Art. 18, 26, 49, 54 und 55 AEUV sowie der Art. 16 und 52 der GRC unzulässig, da in der Vorlagefrage keine Verbindung dieser Regelungen zu dem in Rede stehenden Ausgangsverfahren dargelegt wurde. Art. 13 i.V.m. Art. 3 RL (EU) 2018/1972 stehe nationalen Regelungen nicht entgegen, die pauschalierte Erstattungen für Überwachungsmaßnahmen durch Telekommunikationsdiensteanbieter vorsähen.Ermessensspielraum: Nach Art. 13 der RL (EU) 2018/1972 könne die Allgemeingenehmigung für die Bereitstellung elektronischer Kommunikationsnetze oder -dienste nur an die in Anh. I der Richtlinie genannten Bedingungen, die nicht diskriminierend, verhältnismäßig und transparent sein müssen, geknüpft werden. Aus dem Wortlaut der dortigen Bestimmungen ergebe sich, dass der Unionsgesetzgeber weder vorgeschrieben noch ausgeschlossen habe, dass die Mitgliedstaaten Kosten erstatteten, die den Telekommunikationsbetreibern entstünden, wenn sie rechtmäßige Überwachungen entsprechend den Bedingungen des Art. 13, Teil A des Anh. I der RL (EU) 2018/1972 durchführten. Daraus folge ein Ermessensspielraum für die nationalen Gesetzgeber und keine Verpflichtung, die tatsächlich entstandenen Kosten zu ersetzen. Eine solche Pflicht könne auch nicht aus den allgemeinen Zielen in Art. 3 der RL (EU) 2018/1972 hergeleitet werden. Von dem Ermessensspielraum müsse unter Beachtung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung, der Verhältnismäßigkeit und der Transparenz Gebrauch gemacht werden. Die nationale Regelung sei mit dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung vereinbar, da sie für alle Betreiber von Kommunikationsdiensten vergleichbar seien. Die Sätze müssten unter Berücksichtigung des technologischen Fortschritts und des Umstands berechnet werden, dass die Leistungen für allgemeine Zwecke des öffentlichen Interesses wesentlich seien. Dadurch, dass die Sätze in einem förmlichen Verwaltungsakt festgesetzt würden, der frei einsehbar veröffentlicht werde, sei die Regelung auch transparent. Eine abschließende Prüfung obliege jedoch dem vorlegenden Gericht.
Senkung der Erstattung: Die RL (EU) 2018/1972 stehe auch keiner nationalen Regelung entgegen, die die Höhe der früher gewährten Erstattungen im Bereich von telekommunikationsdienstlichen Überwachungen absenken könne, um Einsparungen bei den öffentlichen Ausgaben zu erzielen. Voraussetzung sei lediglich, dass die nationale Regelung nicht diskriminierend, verhältnismäßig und transparent sei.