EuGH, Urt. 17.10.2024 - C-159/23

Urheberrechtliche Zulässigkeit von Cheat-Software

Autor: RA Nicolas Kötter, CSW Rechtsanwälte, München
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 01/2025
Der durch Art. 1 Abs. 1-3 RL 2009/24/EG gewährte Schutz erfasst nicht den Inhalt von variablen Daten, die ein geschütztes Computerprogramm im Arbeitsspeicher eines Computers angelegt hat und im Ablauf des Programms verwendet, soweit dieser Inhalt nicht die Vervielfältigung oder spätere Entstehung eines solchen Programms ermöglicht.

RL 2009/24/EG Art. 1 Abs. 1–3

Das Problem

Das Unternehmen Datel Design und Development Ltd. bot Software wie Action Replay und Tilt FX an, die es Spielern ermöglichte, unautorisierte Optionen – sog. Cheats – in Playstation-Spielen der Sony Computer Entertainment Europe Ltd. zu nutzen. Die Nutzer konnten sich so durch „Schummeln“ Vorteile beim Spielen verschaffen.

Streitentscheidend war die Frage, ob in den Schutzbereich eines Computerprogramms nach Art. 1 Abs. 1-3 Software-RL (umgesetzt in § 69a UrhG) eingegriffen wird, wenn ein gleichzeitig mit dem geschützten Computerprogramm (dem Playstation-Spiel) ablaufendes anderes Programm (die Cheat-Software) den Inhalt von Variablen verändert, die das geschützte Computerprogramm im Arbeitsspeicher angelegt hat und im Ablauf des Programms verwendet (Vorlagefrage 1 des BGH). Zudem, ob eine solche Handlung eine unzulässige Umarbeitung der Spiele-Software darstellt (Vorlagefrage 2 des BGH).

Das LG Hamburg hatte teilweise zugunsten von Sony entschieden und untersagte die Nutzung bestimmter Funktionen von Datels Software. Das OLG Hamburg hob dieses Urteil auf und wies die Klage vollständig ab, da es die von Sony geltend gemachte Urheberrechtsverletzung nicht bestätigte. Der BGH legte dem EuGH die obigen Vorlagefragen vor (BGH v. 23.2.2023 – I ZR 157/21, GRUR 2023, 577 m. Anm. Antoine = CR 2023, 323 = ITRB 2023, 115 [Rössel]).

Die Entscheidung des Gerichts

Der EuGH entschied, dass temporäre Daten im Arbeitsspeicher, wie Zwischenergebnisse, Benutzereingaben oder Spielstände, die durch Datels Software verändert wurden, keine Ausdrucksform i.S.d. Richtlinie sind und deshalb nicht unter den urheberrechtlichen Schutz eines Computerprogramms fallen. Die zweite Vorlagefrage habe sich daher bereits erübrigt, weil eine Umarbeitung nur denkbar sei, wenn zunächst der Schutzbereich eröffnet sei.

Ausdrucksform: Ausdrucksformen seien jene Elemente eines Programms, die jeweils eine Folge von Befehlen darstellten, nach denen der Computer die vom Urheber des Programms vorgesehenen Aufgaben ausführen solle (Rz. 38). Als Ausdrucksform vom Schutzbereich umfasst seien daher nur Elemente, die eine Vervielfältigung in verschiedenen Programmiersprachen ermöglichten, etwa der Quell- oder Objektcode. Die im Arbeitsspeicher abgelegten Variablen seien hingegen nur eine nicht schutzfähige Funktionalität des Programms (Rz. 34).

Abgrenzung des Schutzbereichs: Bezugnehmend auf „SAS Institute“ (EuGH v. 2.5.2012 – C-406/10, GRUR 2012, 814 = CR 2012, 428 = ITRB 2012, 147 [Kartheuser]) sei hervorzuheben, dass weder die Funktionalität eines Programms noch genutzte Programmiersprachen oder Dateiformate von der Software-RL geschützt seien. Durch diese Abgrenzung des Schutzbereichs sollten der technische Fortschritt und Innovationen gefördert werden, da durch übermäßige Schutzregelungen neue Entwicklungen behindert werden könnten, indem Ideen monopolisiert würden. Variableninhalte im Arbeitsspeicher, die nur während der Programmausführung eine Rolle bei der Bereitstellung der Funktionalität spielten, fielen daher nicht in den Schutzbereich.


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