EuGH, Urt. 18.10.2018 - C-149/17
Sekundäre Darlegungslast bei Filesharing über Familienanschluss
Autor: RA Markus Rössel, LL.M. (Informationsrecht), Köln
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 12/2018
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 12/2018
Dem Inhaber eines Familien-Internetanschlusses obliege es zur Abwehr einer Haftung für Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing, nähere Einzelheiten zu Zeitpunkt und Art der Nutzung des Anschlusses durch ein anderes Familienmitglied mitzuteilen.
EuGH, Urt. v. 18.10.2018 - C-149/17 „Bastei-Lübbe”
Vorinstanz: LG München I, Beschl. v. 17.3.2017 - 21 S 24454/14
Vorinstanz: AG München, Urt. v. 5.11.2014 - 262 C 21484/13
RL 2001/29/EG Art. 8 Abs. 1, Abs. 2, Art. 3 Abs. 1; RL 2004/48/EG Art. 3 Abs. 2
Hohes urheberrechtliches Schutzniveau: Erwgrd. 9 RL 2001/29/EG verlange ein hohes urheberrechtliches Schutzniveau zur Absicherung des geistigen Schaffens. Daher seien nach Art. 8 Abs. 1 RL 2001/29/EG i.V.m. Erwgrd. 58 wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen und Rechtsbehelfe vorzusehen. Entsprechendes gelte nach Art. 3 Abs. 2 RL 2004/48/EG.
Widerlegung der tatsächlichen Vermutung: Die Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers nach deutschem Recht werde widerlegt, wenn andere Personen als der Anschlussinhaber Zugriff auf den Anschluss gehabt hätten. Außerdem könne sich dieser Inhaber, wenn ein Familienmitglied eine Zugriffsmöglichkeit gehabt habe, wegen des Grundrechts auf Schutz des Familienlebens durch die bloße Angabe dieses Familienmitglieds seiner Haftung entziehen, ohne dass er verpflichtet wäre, nähere Einzelheiten zu Zeitpunkt und Art der Nutzung des Internetanschlusses durch das Familienmitglied mitzuteilen.
Beweismittelerlangung: Nach Art. 6 Abs. 1 RL 2004/48/EG sei sicherzustellen, dass die zuständigen Gerichte auf Antrag einer Partei, die alle vernünftigerweise verfügbaren Beweismittel zur hinreichenden Begründung ihrer Ansprüche vorlege und die in der Verfügungsgewalt der gegnerischen Partei befindlichen Beweismittel zur Begründung ihrer Ansprüche bezeichne, die Vorlage dieser Beweismittel durch die gegnerische Partei anordnen könnten, sofern der Schutz vertraulicher Informationen gewährleistet werde (vgl. auch Erwgrd. 20 RL 2004/48/EG zur Erlangung von Beweismitteln).
Schutz des Familienlebens: Das Recht des geistigen Eigentums nach Art. 17 Abs. 2 GRC sei vorliegend mit dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 7 GRC abzuwägen. Nach Art. 7 GRC könne den Mitgliedern derselben Familie ein besonderer Schutz zukommen, sich nicht gegenseitig belasten zu müssen, wenn eines von ihnen einer rechtswidrigen Handlung verdächtigt werde. Nach Art. 8 Abs. 1 und 2, Abs. 3 lit. d RL 2004/48/EG sei die Anwendung nationaler gesetzlicher Bestimmungen der Auskunftsverweigerung zum Schutz enger Verwandter nicht ausgeschlossen. Werde dadurch aber die Feststellung der Urheberrechtsverletzung und die Identifizierung ihres Täters unmöglich gemacht, würde nach Art. 52 Abs. 1 GRC unzulässig in den Wesensgehalt von Art. 17 Abs. 2 GRC eingegriffen (vgl. EuGH v. 16.7.2015 – C-580/13 – Coty Germany Rz. 41, CR 2016, 251 = ITRB 2015, 222).
Alternativer Rechtsbehelf: Anders verhalte es sich jedoch, wenn die Rechtsinhaber über einen anderen wirksamen Rechtsbehelf verfügen könnten, der es ihnen in diesem Fall ermögliche, die zivilrechtliche Haftung des Inhabers des betreffenden Internetanschlusses feststellen zu lassen. Letztlich sei es Sache des vorlegenden Gerichts zu prüfen, ob das betreffende nationale Recht ggf. andere Mittel, Verfahren oder Rechtsbehelfe enthält, die Urheberrechtsverletzung und die Identität des Zuwiderhandelnden feststellen zu lassen.
EuGH, Urt. v. 18.10.2018 - C-149/17 „Bastei-Lübbe”
Vorinstanz: LG München I, Beschl. v. 17.3.2017 - 21 S 24454/14
Vorinstanz: AG München, Urt. v. 5.11.2014 - 262 C 21484/13
RL 2001/29/EG Art. 8 Abs. 1, Abs. 2, Art. 3 Abs. 1; RL 2004/48/EG Art. 3 Abs. 2
Das Problem
Ein Hörbuch wurde über einen Internetanschluss per Internet-Tauschbörse angeboten. Der Anschlussinhaber bestreitet, die Urheberrechtsverletzung selbst begangen zu haben, und trägt vor, sein Anschluss sei hinreichend gesichert gewesen. Neben ihm hätten auch seine im selben Haus wohnenden Eltern Zugriff auf den Anschluss gehabt.Die Entscheidung des Gerichts
Dem Anschlussinhaber obliege es, nähere Einzelheiten zu Zeitpunkt und Art der Nutzung des Anschlusses durch ein Familienmitglied mitzuteilen.Hohes urheberrechtliches Schutzniveau: Erwgrd. 9 RL 2001/29/EG verlange ein hohes urheberrechtliches Schutzniveau zur Absicherung des geistigen Schaffens. Daher seien nach Art. 8 Abs. 1 RL 2001/29/EG i.V.m. Erwgrd. 58 wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen und Rechtsbehelfe vorzusehen. Entsprechendes gelte nach Art. 3 Abs. 2 RL 2004/48/EG.
Widerlegung der tatsächlichen Vermutung: Die Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers nach deutschem Recht werde widerlegt, wenn andere Personen als der Anschlussinhaber Zugriff auf den Anschluss gehabt hätten. Außerdem könne sich dieser Inhaber, wenn ein Familienmitglied eine Zugriffsmöglichkeit gehabt habe, wegen des Grundrechts auf Schutz des Familienlebens durch die bloße Angabe dieses Familienmitglieds seiner Haftung entziehen, ohne dass er verpflichtet wäre, nähere Einzelheiten zu Zeitpunkt und Art der Nutzung des Internetanschlusses durch das Familienmitglied mitzuteilen.
Beweismittelerlangung: Nach Art. 6 Abs. 1 RL 2004/48/EG sei sicherzustellen, dass die zuständigen Gerichte auf Antrag einer Partei, die alle vernünftigerweise verfügbaren Beweismittel zur hinreichenden Begründung ihrer Ansprüche vorlege und die in der Verfügungsgewalt der gegnerischen Partei befindlichen Beweismittel zur Begründung ihrer Ansprüche bezeichne, die Vorlage dieser Beweismittel durch die gegnerische Partei anordnen könnten, sofern der Schutz vertraulicher Informationen gewährleistet werde (vgl. auch Erwgrd. 20 RL 2004/48/EG zur Erlangung von Beweismitteln).
Schutz des Familienlebens: Das Recht des geistigen Eigentums nach Art. 17 Abs. 2 GRC sei vorliegend mit dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 7 GRC abzuwägen. Nach Art. 7 GRC könne den Mitgliedern derselben Familie ein besonderer Schutz zukommen, sich nicht gegenseitig belasten zu müssen, wenn eines von ihnen einer rechtswidrigen Handlung verdächtigt werde. Nach Art. 8 Abs. 1 und 2, Abs. 3 lit. d RL 2004/48/EG sei die Anwendung nationaler gesetzlicher Bestimmungen der Auskunftsverweigerung zum Schutz enger Verwandter nicht ausgeschlossen. Werde dadurch aber die Feststellung der Urheberrechtsverletzung und die Identifizierung ihres Täters unmöglich gemacht, würde nach Art. 52 Abs. 1 GRC unzulässig in den Wesensgehalt von Art. 17 Abs. 2 GRC eingegriffen (vgl. EuGH v. 16.7.2015 – C-580/13 – Coty Germany Rz. 41, CR 2016, 251 = ITRB 2015, 222).
Alternativer Rechtsbehelf: Anders verhalte es sich jedoch, wenn die Rechtsinhaber über einen anderen wirksamen Rechtsbehelf verfügen könnten, der es ihnen in diesem Fall ermögliche, die zivilrechtliche Haftung des Inhabers des betreffenden Internetanschlusses feststellen zu lassen. Letztlich sei es Sache des vorlegenden Gerichts zu prüfen, ob das betreffende nationale Recht ggf. andere Mittel, Verfahren oder Rechtsbehelfe enthält, die Urheberrechtsverletzung und die Identität des Zuwiderhandelnden feststellen zu lassen.