EuGH, Urt. 20.1.2022 - C-90/20

Vertragsstrafen aus Unterlassungsverträgen umsatzsteuerpflichtig?

Autor: Dr. Anselm Brandi-Dohrn, maître en droit/FA für GewRS, von BOETTICHER Rechtsanwälte, Berlin
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 04/2022
Art. 2 Abs. 1 der MwSt-Richtlinie 2006/112/EG ist dahin auszulegen, dass „Kontrollgebühren“, die ein Parkplatzbetreiber bei Nichtbeachtung der Parkplatznutzungsbedingungen erhebt, umsatzsteuerpflichtig sind, auch wenn die Kontrollgebühr nach nationalem Recht als „Bußgeld“ qualifiziert wird.

Richtlinie 2006/112/EG Art. 2 Abs. 1 lit. c.

Das Problem

Apcoa Parking Danmark betreibt Parkplätze und erhebt – neben den vertraglich vereinbarten Parkgebühren – für den Fall (jeder Art) von Verstößen gegen die Nutzungsbedingungen eine pauschale „Kontrollgebühr“ (die einen Anteil von rund 35 % an den Gesamteinnahmen der Apcoa ausmacht). Apcoa hatte hierauf ursprünglich auch Umsatzsteuer abgeführt, beantragte aber nachträglich deren Rückerstattung. Das Finanzministerium und die dänischen Gerichte qualifizieren diese Kontrollgebühr als umsatzsteuerpflichtig, da sie eine Gegenleistung für den in Anspruch genommenen Parkplatz darstelle und ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Parkdienstleistung und der Zahlung der Kontrollgebühr für Verstöße gegen die Nutzungsbedingungen darstelle.

Die Entscheidung des Gerichts

Der EuGH bestätigt die Auffassung der dänischen Gerichte: Eine Leistung sei umsatzsteuerpflichtig, wenn es sich (i) um „gegenseitige Leistungen“ aus einem (hier: vertraglichen) Rechtsverhältnis handelt, (ii) es einen „unmittelbaren Zusammenhang“ zwischen der erbrachten und der erhaltenen Leistung gebe und (iii) der gezahlte Betrag die „tatsächliche Gegenleistung für eine bestimmbare Leistung“ darstelle. Diese Voraussetzungen lägen hier vor. Für einen „unmittelbaren Zusammenhang“ sei schon ausreichend, dass der Gesamtbetrag aus Parkgebühren und Kontrollgebühren der Gegenwert für die Inanspruchnahme der Parkdienstleistung sei. Dass der (pauschale) Betrag der Kontrollgebühr – wie von der Kommission geltend gemacht – gerade keine „tatsächliche Gegenleistung für eine bestimmbare Dienstleistung“ darstelle, sondern ein Bußgeld/Vertragsstrafe für einen Vertragsverstoß, sieht der EuGH nicht als maßgeblich an – es reiche aus, dass sich die beiden Leistungen gegenseitig bedingen, d.h. eine Leistung nur unter der Voraussetzung erbracht wird, dass auch die andere erbracht wird.


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