EuGH, Urt. 25.11.2021 - C-102/20

Einwilligungserfordernis für Inbox-Werbung

Autor: RA Dr. Niclas Kunczik, Köln
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 03/2022
Inbox-Werbung stellt eine Verwendung elektronischer Post für die Zwecke der Direktwerbung i.S.d. Richtlinie 2002/58 dar, die grundsätzliche einwilligungsbedürftig ist.

RL 2002/58 Art. 2 Buchst. h und Art. 13 Abs. 1; RL 2005/29 Anhang I Nr. 26; UWG § 7 Abs. 2 Nr. 1 u. Nr. 3

Das Problem

Ein Energieunternehmen veranlasste über eine Agentur, dass zufällig ausgewählte Kunden eines unentgeltlichen E‑Mail-Diensts in ihrem Posteingang Werbung des Energieunternehmens angezeigt bekamen. Die Anzeigen wurden nach dem Login automatisiert von Adservern geladen. Sie glichen zwar optisch regulären E‑Mails und wurden neben diesen im Posteingang angezeigt, waren aber grau hinterlegt, wiesen keinen Absender oder Datum aus, waren zudem als „Anzeige“ gekennzeichnet und konnten durch die Auswahl eines Kästchens weggeklickt werden. Wählte ein Nutzer eine solche „Anzeige-Nachricht“ aus, wurde er auf die Seite des werbenden Energieunternehmens weitergeleitet.

Ein anderes Energieunternehmen sah hierin eine wettbewerbswidrige Übersendung elektronischer Post (§ 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG) sowie ein hartnäckiges, unerwünschtes Ansprechen (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG) und klagte auf Unterlassung. Nachdem das LG Nürnberg-Fürth der Klage stattgegeben hatte, wies das OLG Nürnberg sie ab. Der sodann angerufene BGH setzte das Revisionsverfahren aus, so dass der EuGH insb. darüber zu entscheiden hatte, ob es sich bei dieser Form der Inbox-Werbung um eine „Verwendung elektronischer Post für die Zwecke der Direktwerbung“ i.S.d. Richtlinie 2002/58 handelte.

Die Entscheidung des Gerichts

Der EuGH bejahte vorliegend, dass diese Art der Inbox-Werbung die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 1 RL RL 2002/58/EG erfüllt.

Verwendung elektronischer Post: Die Aufzählung der Kommunikationsmittel in Art. 13 Abs. 1 RL 2002/58/EG sei nicht abschließend. Vielmehr sei das Ziel des Schutzes der Privatsphäre unabhängig von der zugrunde liegenden Technologie sicherzustellen. Aufgrund der Einbettung der Werbenachrichten in die Liste der privaten Nachrichten der Nutzer – was zudem eine Verwechslungsgefahr begründe – seien diese wie „Spam“-Mails und damit als elektronische Post zu behandeln. Da diese Nachrichten über die Postfächer der Nutzer übermittelt würden, stelle dies eine Verwendung elektronischer Post dar. Eine andere Wertung ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Adressaten dieser Werbenachrichten nach einem Zufallsprinzip ausgewählt würden, da die Einblendung der Nachrichten am Ende des Prozesses der Authentifizierung erfolge.

Einwilligungserfordernis: Die zufällig ausgewählten Werbenachrichten verfolgten einen kommerziellen Zweck, so dass es grundsätzlich einer Einwilligung bedürfe, die ohne Zwang, für den konkreten Fall und in Kenntnis der Sachlage erfolgen müsse.

Belästigung: Zudem bedürfe es keiner über eine bloße Belästigung hinausgehenden Belastung. Wie bei Spam-Nachrichten reiche vorliegend die Belastung aus, dass Nutzern der Zugang zu ihren E‑Mails erschwert werde.

Hartnäckiges Ansprechen: Abschließend sei zu bejahen, dass Inbox-Werbung zudem den Tatbestand des „hartnäckigen und unerwünschten Ansprechens“ i.S.v. Anh. I Nr. 26 der RL 2005/29 erfüllen könne, wenn die Einblendung dieser Werbenachrichten zum einen so häufig und regelmäßig sei, dass sie als „hartnäckiges“ Ansprechen und zum anderen bei Fehlen einer von diesem Nutzer zuvor erteilten Einwilligung als „unerwünschtes“ Ansprechen eingestuft werden könne.


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