EuGH, Urt. 2.4.2020 - C-567/18
Der Besitz zum Zweck des Angebots oder Inverkehrbringens ist nur dann rechtsverletzend, wenn der Besitzer selbst diese Zwecke verfolgt
Autor: Dr. Oliver Stöckel, FA für GewRS,von BOETTICHER Rechtsanwälte, München
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 06/2020
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 06/2020
Wer als Dienstleister für einen Händler markenverletzende Ware lagert und versendet, ohne von der Verletzung Kenntnis zu haben (hier: „Verkauf durch X, Versand durch Amazon“), besitzt die Waren nicht zum Zweck des Angebots oder Inverkehrbringens, weil der Besitz als Verletzungshandlung voraussetzt, dass der Besitzer die Ware selbst aktiv anbieten und/oder in Verkehr bringen will.
Art. 9 Abs. 3 lit. b UMV
Coty Germany GmbH (kurz: Coty) hält eine Lizenz an der Unionsmarke „DAVIDOFF“, die u.a. für Parfums geschützt ist. Coty nimmt Amazon Services Europe Sàrl und Amazon FC Graben GmbH aufgrund des „Versands durch Amazon“ von markenverletzender Ware eines Händlers, nämlich im EWR nicht erschöpfter Parfums der Marke „DAVIDOFF Hot Water“, in Anspruch.
Die „Benutzung“ einer Marke i.S.v. Art. 9 UMV setze stets ein aktives Verhalten und eine unmittelbare oder mittelbare Herrschaft über die Benutzungshandlung voraus. Wer hingegen nur eine Plattform, Infrastruktur, technische Hilfsdienste oder eben die bloße Dienstleistung der Lagerhaltung für Kunden bereitstelle, ohne die Waren selbst anzubieten oder in Verkehr zu bringen, der verfolge diese Zwecke nicht selbst im Sinne eines aktiven Verhaltens und benutze deshalb die Marke nicht. In der Folge scheide eine Markenverletzung durch Amazon FC Graben GmbH aus. Amazon Services Europe Sàrl habe laut Darstellung des vorlegenden Gerichts die markenverletzenden Parfums ebenfalls weder selbst angeboten noch in Verkehr gebracht noch zu solchen (eigenen) Zwecken besessen, so dass auch dieser Gesellschaft keine relevante Verletzungshandlung vorzuwerfen sei.
Die Kritik von Coty, die Rolle von Amazon FC Graben GmbH als Amazon-Konzerngesellschaft ginge über die eines bloßen Lagerhalters hinaus, weshalb sich die Vorlagefrage des BGH im Übrigen auch unzulässiger Weise auf einen hypothetischen Sachverhalt beziehe, weist der EuGH zurück. Er sei an die Sachverhaltsfeststellung des vorlegenden Gerichts gebunden und könne abweichende Sachverhaltsansichten einer Partei deshalb nicht berücksichtigen. Die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage werde vermutet, weshalb deren Beantwortung nur bei offensichtlichem Fehlen jeglichen Zusammenhangs zur Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits verweigert werden dürfe. Das sei hier nicht der Fall.
Art. 9 Abs. 3 lit. b UMV
Das Problem
Amazon Services Europe Sàrl betreibt den „Amazon Marketplace“ unter www.amazon.de und ermöglicht Händlern, auf dieser Plattform ihre Produkte zum Verkauf anzubieten. Die Händler können dabei das Angebot „Versand durch Amazon“ nutzen. In diesem Fall lagert eine Amazon-Logistikgesellschaft (hier: Amazon FC Graben GmbH) die Ware für die Händler und veranlasst bei deren Verkauf den Versand über einen externen Dienstleister.Coty Germany GmbH (kurz: Coty) hält eine Lizenz an der Unionsmarke „DAVIDOFF“, die u.a. für Parfums geschützt ist. Coty nimmt Amazon Services Europe Sàrl und Amazon FC Graben GmbH aufgrund des „Versands durch Amazon“ von markenverletzender Ware eines Händlers, nämlich im EWR nicht erschöpfter Parfums der Marke „DAVIDOFF Hot Water“, in Anspruch.
Die Entscheidung des Gerichts
Der EuGH entscheidet auf die entsprechende Vorlagefrage des BGH, dass die Lagerung von Markenware nur dann als Markenbenutzung durch Besitz zum Zweck des Angebots und/oder Inverkehrbringens anzusehen ist, wenn das Lagerunternehmen selbst diese Ware anbieten bzw. in Verkehr bringen will.Die „Benutzung“ einer Marke i.S.v. Art. 9 UMV setze stets ein aktives Verhalten und eine unmittelbare oder mittelbare Herrschaft über die Benutzungshandlung voraus. Wer hingegen nur eine Plattform, Infrastruktur, technische Hilfsdienste oder eben die bloße Dienstleistung der Lagerhaltung für Kunden bereitstelle, ohne die Waren selbst anzubieten oder in Verkehr zu bringen, der verfolge diese Zwecke nicht selbst im Sinne eines aktiven Verhaltens und benutze deshalb die Marke nicht. In der Folge scheide eine Markenverletzung durch Amazon FC Graben GmbH aus. Amazon Services Europe Sàrl habe laut Darstellung des vorlegenden Gerichts die markenverletzenden Parfums ebenfalls weder selbst angeboten noch in Verkehr gebracht noch zu solchen (eigenen) Zwecken besessen, so dass auch dieser Gesellschaft keine relevante Verletzungshandlung vorzuwerfen sei.
Die Kritik von Coty, die Rolle von Amazon FC Graben GmbH als Amazon-Konzerngesellschaft ginge über die eines bloßen Lagerhalters hinaus, weshalb sich die Vorlagefrage des BGH im Übrigen auch unzulässiger Weise auf einen hypothetischen Sachverhalt beziehe, weist der EuGH zurück. Er sei an die Sachverhaltsfeststellung des vorlegenden Gerichts gebunden und könne abweichende Sachverhaltsansichten einer Partei deshalb nicht berücksichtigen. Die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage werde vermutet, weshalb deren Beantwortung nur bei offensichtlichem Fehlen jeglichen Zusammenhangs zur Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits verweigert werden dürfe. Das sei hier nicht der Fall.