EuGH, Urt. 30.3.2023 - C-34/21
Anwendung der DSGVO auf Beschäftigte im öffentlichen Dienst
Autor: RA, FAArbR, Datenschutzbeauftragter (TÜV) Bahram Aghamiri, BROOK Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Hamburg
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 07/2023
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 07/2023
Der Anwendungsbereich nach Art. 2 Abs. 1 DSGVO erfasst Beschäftigte unabhängig davon, ob diese im öffentlichen Dienst oder in der freien Wirtschaft tätig sind. Art. 88 Abs. 1 DSGVO ist dahingehend auszulegen, dass eine „spezifischere Vorschrift“ des nationalen Rechts nur vorliegt, wenn diese den Anforderungen des Art. 88 Abs. 2 DSGVO genügt.Genügt eine nationale Vorschrift diesen Anforderungen nicht, darf sie von nationalen Gerichten nicht angewandt werden, es sei denn, die Vorschrift stellt nach Art. 6 Abs. 3 DSGVO eine taugliche Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung dar.
DSGVO Art. 2 Abs. 1, Art. 6 Abs. 3, Art. 88 Abs. 1, 2
Spezifischere Vorschrift: Eine solche Rechtsgrundlage könne in einer „spezifischeren Vorschrift“ i.S.d. Art. 88 Abs. 1 DSGVO für den Beschäftigungskontext auch und insb. im öffentlichen Dienst durch den nationalen Gesetzgeber normiert werden. Damit eine solche Rechtsgrundlage ausreichend sein könne, um die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung zu begründen, müsse die Vorschrift den Anforderungen des Art. 88 Abs. 2 DSGVO genügen. Demnach muss die Vorschrift als Ausgleich für die mittels günstigerer Rechtsgrundlage erleichterte Datenverarbeitung geeignete und besondere Maßnahmen zur Wahrung der Interessen der Betroffenen vorsehen. Ob die in Rede stehenden Vorschriften der § 86 HBG und § 23 HDSIG diesen Anforderungen genüge, habe das nationale Gericht zu prüfen. Sei dies nicht der Fall, dürfe die Vorschrift grundsätzlich wegen Verstoßes gegen Unionsrecht nicht zur Anwendung kommen.
Ausnahme: Eine Ausnahme gelte nur dann, wenn die Vorschriften nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. c und e, Abs. 3 DSGVO eine taugliche Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung darstellen könnten. Auch dies sei von dem nationalen Gericht zu prüfen, wobei die Vorschriften dann den Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 3 Satz 2 DSGVO entsprechen müssten.
DSGVO Art. 2 Abs. 1, Art. 6 Abs. 3, Art. 88 Abs. 1, 2
Sachverhalt
Der Hauptpersonalrat der Lehrerinnen und Lehrer in Hessen klagt gegen den hessischen Kulturminister. Dieser hatte im Zug der Corona-Pandemie im Jahr 2020 mit zwei Erlassen den rechtlichen und organisatorischen Rahmen für die Durchführung von Online-Unterricht geregelt. Dabei war eine Einwilligung der Lehrerinnen und Lehrer in die Datenverarbeitung durch Videoaufzeichnung nicht vorgesehen. Die Entscheidung, eine solche Einwilligung nicht einzuholen, stützte das Ministerium auf § 86 HBG (Hessisches Beamtengesetz) und § 23 HDSIG (Hessisches Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetz), die jeweils „spezifischere Vorschriften“ i.S.d. Art. 88 Abs. 2 DSGVO seien.Die Entscheidung des Gerichts
Anwendung der DSGVO: Die DSGVO finde grundsätzlich auch auf das Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst Anwendung, da ein umfassender Schutz personenbezogener Daten nur erreicht werden könne, wenn die DSGVO auf alle Beschäftigungsverhältnisse Anwendung finde. Die DSGVO unterscheide in ihrem Anwendungsbereich in Art. 2 Abs. 1 DSGVO gerade nicht zwischen privatem und öffentlichem Sektor. Entsprechend bedürfe es zur Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Lehrkräfte durch die Videoaufzeichnung im Rahmen des Online-Unterrichts einer Rechtsgrundlage nach der DSGVO.Spezifischere Vorschrift: Eine solche Rechtsgrundlage könne in einer „spezifischeren Vorschrift“ i.S.d. Art. 88 Abs. 1 DSGVO für den Beschäftigungskontext auch und insb. im öffentlichen Dienst durch den nationalen Gesetzgeber normiert werden. Damit eine solche Rechtsgrundlage ausreichend sein könne, um die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung zu begründen, müsse die Vorschrift den Anforderungen des Art. 88 Abs. 2 DSGVO genügen. Demnach muss die Vorschrift als Ausgleich für die mittels günstigerer Rechtsgrundlage erleichterte Datenverarbeitung geeignete und besondere Maßnahmen zur Wahrung der Interessen der Betroffenen vorsehen. Ob die in Rede stehenden Vorschriften der § 86 HBG und § 23 HDSIG diesen Anforderungen genüge, habe das nationale Gericht zu prüfen. Sei dies nicht der Fall, dürfe die Vorschrift grundsätzlich wegen Verstoßes gegen Unionsrecht nicht zur Anwendung kommen.
Ausnahme: Eine Ausnahme gelte nur dann, wenn die Vorschriften nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. c und e, Abs. 3 DSGVO eine taugliche Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung darstellen könnten. Auch dies sei von dem nationalen Gericht zu prüfen, wobei die Vorschriften dann den Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 3 Satz 2 DSGVO entsprechen müssten.