EuGH, Urt. 7.12.2023 - C-518/22
Persönliche Assistenz für Menschen mit Behinderung – Diskriminierung wegen des Alters
Autor: RA FAArbR Dr. Sascha Schewiola, Heuking Kühn Lüer Wojtek, Köln
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 01/2024
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 01/2024
Die Angabe einer Alterspanne in einer Stellenanzeige, mit der eine persönliche Assistenz für einen Menschen mit Behinderung gesucht wird, ist europarechtlich zulässig.
AGG §§ 8, 10, 15; SGB IX § 78; RL 2000/78/EG (Gleichbehandlungsrichtlinie) Art. 2 Abs. 5, Art. 4 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 7
Die damals 50-jährige Klägerin erhielt auf ihre Bewerbung eine Absage. Sie machte sodann einen Entschädigungsanspruch nach dem AGG wegen Altersdiskriminierung gerichtlich geltend. Der 8. Senat des BAG hat den Fall per Beschluss vom 24.2.2022 dem EuGH vorgelegt. Das BAG wollte vom EuGH wissen, ob in der vorliegenden Konstellation die Ungleichbehandlung wegen des Alters mit der Gleichbehandlungsrichtlinie (RL 2000/78/EG) und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) vereinbar ist.
Ausgangspunkt dabei sei die nationale Vorschrift des § 78 Abs. 1 SGB IX. Danach erhalten Menschen mit Behinderung zur selbstbestimmten und eigenständigen Bewältigung des Alltags Leistungen für eine Assistenz. Diese umfassen insbesondere Leistungen für allgemeine Erledigungen des Alltags. Nach § 8 Abs. 1 SGB IX seien bei der Auswahl der Assistenz die objektiv berechtigten Wünsche und subjektiven Bedürfnisse der schwerbehinderten Person Rechnung zu tragen.
Bei einer 28-jährigen behinderten Studentin, die eine Assistenz im Alltag benötige, werde zwangsläufig tief in deren Privat- und Intimsphäre eingegriffen. Der Wunsch der Studentin nach einer Assistenz in ihrem Alter sei letztlich auch Ausdruck ihrer Menschenwürde nach Art. 1 GRCh. Daher sei die Altersdiskriminierung europarechtlich gerechtfertigt.
AGG §§ 8, 10, 15; SGB IX § 78; RL 2000/78/EG (Gleichbehandlungsrichtlinie) Art. 2 Abs. 5, Art. 4 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 7
Das Problem
Die Beklagte ist ein Assistenzdienst, der Menschen mit Behinderung u.a. persönliche Assistenten vermittelt, die den schwerbehinderten Menschen in allen Belangen des Alltags unterstützen. Für eine 28-jährige schwerbehinderte Studentin suchte die Beklagte weibliche Assistentinnen in allen Lebensbereichen des Alltags, die nach der Vorstellung der Studentin – und so war die Stelle auch ausgeschrieben – „am besten zwischen 18 und 30 Jahren alt sein“ sollten.Die damals 50-jährige Klägerin erhielt auf ihre Bewerbung eine Absage. Sie machte sodann einen Entschädigungsanspruch nach dem AGG wegen Altersdiskriminierung gerichtlich geltend. Der 8. Senat des BAG hat den Fall per Beschluss vom 24.2.2022 dem EuGH vorgelegt. Das BAG wollte vom EuGH wissen, ob in der vorliegenden Konstellation die Ungleichbehandlung wegen des Alters mit der Gleichbehandlungsrichtlinie (RL 2000/78/EG) und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) vereinbar ist.
Die Entscheidung des Gerichts
Der EuGH bejaht im Ergebnis die Vorlagefrage des BAG. Nach Art. 2 Abs. 5 RL 2000/78/EG könne eine Ungleichbehandlung wegen des Alters zulässig sein, wenn diese im Sinne der Bestimmung zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sei Dies sei vorliegend der Fall.Ausgangspunkt dabei sei die nationale Vorschrift des § 78 Abs. 1 SGB IX. Danach erhalten Menschen mit Behinderung zur selbstbestimmten und eigenständigen Bewältigung des Alltags Leistungen für eine Assistenz. Diese umfassen insbesondere Leistungen für allgemeine Erledigungen des Alltags. Nach § 8 Abs. 1 SGB IX seien bei der Auswahl der Assistenz die objektiv berechtigten Wünsche und subjektiven Bedürfnisse der schwerbehinderten Person Rechnung zu tragen.
Bei einer 28-jährigen behinderten Studentin, die eine Assistenz im Alltag benötige, werde zwangsläufig tief in deren Privat- und Intimsphäre eingegriffen. Der Wunsch der Studentin nach einer Assistenz in ihrem Alter sei letztlich auch Ausdruck ihrer Menschenwürde nach Art. 1 GRCh. Daher sei die Altersdiskriminierung europarechtlich gerechtfertigt.