EuGH, Urt. 7.7.2022 - C-257/21 und C-258/21
Vereinbarkeit unterschiedlich hoher Nachtarbeitszuschläge mit dem EU-Recht
Autor: RA FAArbR Axel Groeger, Redeker Sellner Dahs, Bonn
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 08/2022
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 08/2022
Eine tarifvertragliche Regelung, die für unregelmäßige Nachtarbeit einen höheren Vergütungszuschlag vorsieht als für regelmäßige Nachtarbeit, fällt nicht unter die Richtlinie 2003/88/EG (Arbeitszeitrichtlinie), so dass insoweit kein Verstoß gegen Art. 20 GRCh vorliegt.
GRCh Art. 51 Abs. 1, Art. 20; AEUV Art. 153 Abs. 5; Richtlinie (RL) 2003/88/EG (Arbeitszeitrichtlinie) Art. 8 bis 13
Verstößt es gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 20 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) i.V.m. den Vorgaben der RL 2003/88/EG, wenn ein Tarifvertrag für regelmäßige Nachtarbeit geringere Zuschläge vorsieht als für unregelmäßige Nachtarbeit?
Zwar regelt die Richtlinie 2003/88/EG auch die Nachtarbeit. Dies gilt jedoch nur für deren Dauer und Rhythmus (Art. 8 und 13 RL 2003/88/EG), den Gesundheitsschutz und die Sicherheit der Nachtarbeiter (Art. 9, 10 und 12 RL 2003/88/EG) sowie die Unterrichtung der zuständigen Behörden (Art. 11 RL 2003/88/EG). Sie regelt also nicht das Entgelt der Arbeitnehmer für Nachtarbeit und erlegt den Mitgliedstaaten folglich in Bezug auf die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Sachverhalte keine spezifische Verpflichtung auf.
Auch aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 8 des IAO-Übereinkommens über Nachtarbeit i.V.m. dem 6. Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/88/EG ergeben sich für die Mitgliedstaaten in Bezug auf den Vergütungszuschlag der Arbeitnehmer für Nachtarbeit keine spezifischen unionsrechtlichen Verpflichtungen. Zwar sieht Art. 3 Abs. 1 des IAO-Übereinkommens über Nachtarbeit vor, dass besondere, durch die Art der Nachtarbeit gebotene Maßnahmen zugunsten der Arbeitnehmer zu treffen sind, einschließlich der Gewährung angemessener Entschädigungen. Art. 8 des IAO-Übereinkommens über Nachtarbeit bestimmt überdies, dass der Ausgleich für Nachtarbeiter in Form von Arbeitszeit, Entgelt oder ähnlichen Vergünstigungen der Natur der Nachtarbeit Rechnung zu tragen hat. Jedoch kommt diesem Übereinkommen in der Unionsrechtsordnung keine rechtliche Verbindlichkeit zu. Die EU hat es nicht ratifiziert, so dass auch der 6. Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/88/EG dem Übereinkommen keine verbindliche Wirkung verleiht.
Im Übrigen gilt Art. 153 AEUV nicht für das Arbeitsentgelt, das Koalitionsrecht, das Streikrecht sowie das Aussperrungsrecht (Art. 153 Abs. 5 AEUV). Der Grund hierfür ist, dass die Festsetzung des Lohn- und Gehaltsniveaus der Vertragsautonomie der Sozialpartner auf nationaler Ebene und der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet unterliegt.
GRCh Art. 51 Abs. 1, Art. 20; AEUV Art. 153 Abs. 5; Richtlinie (RL) 2003/88/EG (Arbeitszeitrichtlinie) Art. 8 bis 13
Das Problem
Das BAG ersuchte den EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV (BAG, Beschl. v. 9.12.2020 – 10 AZR 332/20 (A), ArbRB 2021, 164 [Einfeldt]) um Antwort auf die folgende Frage:Verstößt es gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 20 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) i.V.m. den Vorgaben der RL 2003/88/EG, wenn ein Tarifvertrag für regelmäßige Nachtarbeit geringere Zuschläge vorsieht als für unregelmäßige Nachtarbeit?
Die Entscheidung des Gerichts
Der EuGH hat eine Prüfung des unionsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes gem. Art. 20 GRCh abgelehnt, weil die tarifliche Zuschlagsregelung schon nicht in den Anwendungsbereich der Arbeitszeitrichtlinie fällt und hiermit folglich die Richtlinie nicht i.S.v. Art. 51 GRCh durchgeführt wird.Zwar regelt die Richtlinie 2003/88/EG auch die Nachtarbeit. Dies gilt jedoch nur für deren Dauer und Rhythmus (Art. 8 und 13 RL 2003/88/EG), den Gesundheitsschutz und die Sicherheit der Nachtarbeiter (Art. 9, 10 und 12 RL 2003/88/EG) sowie die Unterrichtung der zuständigen Behörden (Art. 11 RL 2003/88/EG). Sie regelt also nicht das Entgelt der Arbeitnehmer für Nachtarbeit und erlegt den Mitgliedstaaten folglich in Bezug auf die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Sachverhalte keine spezifische Verpflichtung auf.
Auch aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 8 des IAO-Übereinkommens über Nachtarbeit i.V.m. dem 6. Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/88/EG ergeben sich für die Mitgliedstaaten in Bezug auf den Vergütungszuschlag der Arbeitnehmer für Nachtarbeit keine spezifischen unionsrechtlichen Verpflichtungen. Zwar sieht Art. 3 Abs. 1 des IAO-Übereinkommens über Nachtarbeit vor, dass besondere, durch die Art der Nachtarbeit gebotene Maßnahmen zugunsten der Arbeitnehmer zu treffen sind, einschließlich der Gewährung angemessener Entschädigungen. Art. 8 des IAO-Übereinkommens über Nachtarbeit bestimmt überdies, dass der Ausgleich für Nachtarbeiter in Form von Arbeitszeit, Entgelt oder ähnlichen Vergünstigungen der Natur der Nachtarbeit Rechnung zu tragen hat. Jedoch kommt diesem Übereinkommen in der Unionsrechtsordnung keine rechtliche Verbindlichkeit zu. Die EU hat es nicht ratifiziert, so dass auch der 6. Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/88/EG dem Übereinkommen keine verbindliche Wirkung verleiht.
Im Übrigen gilt Art. 153 AEUV nicht für das Arbeitsentgelt, das Koalitionsrecht, das Streikrecht sowie das Aussperrungsrecht (Art. 153 Abs. 5 AEUV). Der Grund hierfür ist, dass die Festsetzung des Lohn- und Gehaltsniveaus der Vertragsautonomie der Sozialpartner auf nationaler Ebene und der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet unterliegt.