EuGH, Urt. 7.9.2016 - Rs. C-310/15

Hard-/Softwarebundling als unerlaubte Geschäftspraxis?

Autor: Dr. Anselm Brandi-Dohrn, maître en droit/FA für GewRS, von BOETTICHER Rechtsanwälte, Berlin
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 01/2017
Eine Geschäftspraxis, die im Verkauf eines Computers mit vorinstallierter Software besteht, ohne dass der Verbraucher die Möglichkeit hat, dasselbe Computermodell ohne vorinstallierte Software zu beziehen, stellt an sich keine unlautere Geschäftspraxis i.S.v. Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2005/29/EG (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) dar, es sei denn, eine solche Praxis widerspricht den Erfordernissen der beruflichen Sorgfaltspflicht und beeinflusst in Bezug auf dieses Erzeugnis das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers wesentlich oder ist dazu geeignet, es wesentlich zu beeinflussen; es ist Sache des nationalen Gerichts, dies unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Ausgangsverfahrens zu beurteilen. Im Rahmen eines im Verkauf eines Computers mit vorinstallierter Software bestehenden Kopplungsangebots stellt das Fehlen einer Preisangabe für die einzelnen vorinstallierten Programme keine irreführende Geschäftspraxis i.S.v. Art. 5 Abs. 4 Buchst. a und Art. 7 der Richtlinie 2005/29 dar.

EuGH, Urt. v. 7.9.2016 - Rs. C-310/15 „Deroo-Blanquart gg. Sony Europe Ltd.”

Richtlinie 2005/29/EG Art. 5, 7

Das Problem

Ein französischer Verbraucher hatte ein Sony-Laptop mit vorinstalliertem Betriebssystem MS-Vista Home-Premium-Edition erworben. Die beim erstmaligen Aufruf der Software angeforderte Zustimmung, das EULA zu akzeptieren, verweigerte er und verlangte von Sony Rückzahlung des Anteils des Kaufpreises, der wertmäßig dem auf dem Laptop installierten Software entsprach. Unstreitig war dem Käufer vor dem Kauf offenbar klar kommuniziert worden, dass es diesen Computer nur als Koppelungsangebot gebe, nicht ohne vorinstalliertes Betriebssystem. Sony lehnte das Begehren des Verbrauchers ab – da es sich um ein einheitliches Angebot handele, bot Sony vollständige Rückabwicklung des Kaufs an. Daraufhin klagte der Verbraucher auf Teilrückzahlung sowie pauschaliertem Schadensersatz wegen unerlaubter Geschäftspraktiken, in den Instanzen jeweils erfolglos. Die Cour de Cassation setzt aus und legt dem EuGH folgende Fragen vor:

(1) Sind die Art. 5 und 7 der Richtlinie 2005/29 dahin auszulegen, dass ein Kopplungsangebot, das aus dem Verkauf eines Computers mit vorinstallierter Software besteht, eine unlautere irreführende Geschäftspraxis darstellt, wenn der Hersteller des Computers über seinen Weiterverkäufer Informationen über jedes einzelne der vorinstallierten Programme bereitgestellt, nicht aber die Kosten jedes einzelnen Bestandteils angegeben hat?

(2) Ist Art. 5 der Richtlinie 2005/29 dahin auszulegen, dass ein Kopplungsangebot, das aus dem Verkauf eines Computers mit vorinstallierter Software besteht, eine unlautere Geschäftspraxis darstellt, wenn der Hersteller dem Verbraucher keine andere Wahl lässt, als diese Software zu akzeptieren oder die Rückgängigmachung des Verkaufs zu bewirken?

(3) Ist Art. 5 der Richtlinie 2005/29 dahin auszulegen, dass das Kopplungsangebot, das aus dem Verkauf eines Computers mit vorinstallierter Software besteht, eine unlautere Geschäftspraxis darstellt, wenn es dem Verbraucher nicht möglich ist, vom selben Hersteller einen Computer ohne vorinstallierte Software zu beziehen?

Die Entscheidung des Gerichts

Der EuGH entscheidet wie aus dem obigen Tenor ersichtlich:

Zur ersten Frage hält der EuGH fest: Aus Art. 7 Abs. 4 Buchst. c der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken ergebe sich zunächst die Verpflichtung, den Gesamtpreis anzugeben. Nach dem 14. Erwägungsgrund stellt aber auch eine Basisinformation, die der Verbraucher benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung treffen zu können, eine wesentliche Information dar. Hierzu können auch Einzelpreise zählen – aber nur, wenn das Fehlen dieser Angaben den Käufer an einer informierten Entscheidung hindern kann oder er zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst wird, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Dies sei im vorliegenden Fall aber ausgeschlossen, da dieser Computer ausschließlich gemeinsam mit dem vorinstallierten Betriebssystem angeboten wurde, die Einzelpreise daher keinen für eine geschäftliche Entscheidung nützlichen Informationswert gehabt hätten.

Zu den Fragen 2 und 3 bewegt sich der EuGH auf der Linie seiner bisherigen Rechtsprechung: Koppelungsangebote seien unter keine der in Anhang I der Richtlinie beschriebenen Fallgestaltungen zu subsumieren (vgl. schon EuGH, Urt. v. 23.4.2009 – Rs. C-261/07, Rs. C-299/07 – VTB-VAB und Galatea, Rz. 57, 62). Ebenso auf der Linie dieser Rechtsprechung liegt die Feststellung, dass Koppelungsangebote keine unlautere Geschäftspraxis darstellen, wenn (i) der Verbraucher zutreffend über diesen Umstand aufgeklärt wird, (ii) derartige Kopplungsangebote so üblich sind, dass ein wesentlicher Teil der Verbraucher dies als übliches Geschäftsmodell ansieht und (iii) der Verbraucher die Möglichkeit hat, den Kauf (insgesamt) zu widerrufen. Die Entscheidung der Frage, ob ein solches Angebot dennoch die Fähigkeit des Verbrauchers, eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, spürbar beeinträchtigt, überlässt der EuGH dem vorlegenden Gericht.


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