EuGH, Urt. 8.9.2016 - Rs. C-160/15
Hyperlink-Setzung auf urheberrechtsverletzende Inhalte bei Handeln mit Gewinnerzielungsabsicht
Autor: Rechtsanwalt Prof. Dr. Elmar Schuhmacher, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht LLS Lungerich Lenz Schuhmacher, Köln
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 12/2016
Aus: IP-Rechtsberater, Heft 12/2016
Ob das Setzen von Hyperlinks auf eine Website zu geschützten Werken, die auf einer anderen Website ohne Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers frei zugänglich sind, eine „öffentliche Wiedergabe” i.S.v. Art. 3 Abs. 1 der RL 2001/29/EG darstellt, hängt davon ab, ob die Links ohne Gewinnerzielungsabsicht durch jemanden, der die Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung der Werke auf der anderen Website nicht kannte oder vernünftigerweise nicht kennen konnte, bereitgestellt wurden oder ob die Links vielmehr mit Gewinnerzielungsabsicht bereitgestellt wurden, wobei im letzteren Fall diese Kenntnis zu vermuten ist.
EuGH, Urt. v. 8.9.2016 - Rs. C-160/15
Vorinstanz: Hoge Raad der Nederlanden, Vorabentscheidungsersuchen v. 3.4.2015
RL 2001/29/EG Art. 3 Abs. 1
Erlaubte Zugänglichmachung: Das Gericht verweist auf seine Rechtsprechung zu den Tatbestandsmerkmalen der „öffentlichen Wiedergabe”. Danach stelle das Setzen von Hyperlinks auf eine Website zu Werken, die auf einer anderen Website frei zugänglich sind, grundsätzlich keine „öffentliche Wiedergabe” dar. Mit seinem dies entsprechend feststellenden Urteil vom 13.2.2014, habe man sich jedoch nur zum Setzen von Hyperlinks zu solchen Werken geäußert, die auf der verlinkten Website mit Erlaubnis des Rechtsinhabers frei zugänglich gemacht wurden (EuGH, Urt. 13.2.2014 – Rs. C-466/12, AfP 2014, 243 = IPRB 2014, 99). In diesem Fall der erlaubten Zugänglichmachung für alle Internetnutzer sei das Werk durch die Verlinkung nicht an ein neues Publikum gerichtet worden.
Beurteilungskriterien: Hyperlinks würden zum Funktionieren des Internets und zum Meinungs- und Informationsaustausch im Internet beitragen. Für Einzelpersonen, die solche Links setzen wollen, könne es sich als schwierig erweisen, zu überprüfen, ob die Website, zu der diese Links führen sollen, Zugang zu geschützten Werken geben, und ggf., ob die Inhaber der Urheberrechte an diesen Werken deren Veröffentlichung im Internet erlaubt haben. Dies sei erst recht dann schwer zu ermitteln, wenn für diese Rechte Unterlizenzen erteilt worden sind. Auch könne der Inhalt einer Website, zu der ein Hyperlink-Zugang besteht, nach der Platzierung des Links unter Aufnahme geschützter Werke geändert werden, ohne dass sich derjenige, der den Link geschaffen hat, dessen notwendig bewusst sein muss.
Handeln ohne Gewinnerzielungsabsicht: Zum Zweck der individuellen Beurteilung des Vorliegens einer „öffentlichen Wiedergabe” müsse daher, wenn das Setzen eines Hyperlinks zu einem auf einer anderen Website frei zugänglichen Werk von jemandem vorgenommen wird, der dabei keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgt, berücksichtigt werden, dass der Betreffende nicht weiß und vernünftigerweise nicht wissen kann, dass dieses Werk im Internet ohne Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers veröffentlicht wurde. Er handle im Allgemeinen auch nicht in voller Kenntnis der Folgen seines Tuns, um Kunden Zugang zu einem rechtswidrig im Internet veröffentlichten Werk zu verschaffen. Sei dagegen erwiesen, dass der Betreffende wusste oder hätte wissen müssen, dass der von ihm gesetzte Hyperlink Zugang zu einem unbefugt im Internet veröffentlichten Werk verschaffe – weil er bspw. von dem Urheberrechtsinhaber darauf hingewiesen wurde –, so sei die Bereitstellung dieses Links als eine „öffentliche Wiedergabe” anzusehen.
Handeln mit Gewinnerzielungsabsicht: Würden Hyperlinks jedoch mit Gewinnerzielungsabsicht gesetzt, könne von demjenigen, der sie gesetzt hat, erwartet werden, dass er die erforderlichen Nachprüfungen vornimmt, um sich zu vergewissern, dass das betroffene Werk auf der Website, zu der die Hyperlinks führen, nicht unbefugt veröffentlicht wurde, so dass zu vermuten sei, dass ein solches Setzen von Hyperlinks in voller Kenntnis der Geschütztheit des Werks und der etwaig fehlenden Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber zu seiner Veröffentlichung im Internet vorgenommen wurde. Unter solchen Umständen stelle daher, sofern diese widerlegliche Vermutung nicht entkräftet werde, das Setzen eines Hyperlinks zu einem unbefugt im Internet veröffentlichten Werk, eine „öffentliche Wiedergabe” dar.
EuGH, Urt. v. 8.9.2016 - Rs. C-160/15
Vorinstanz: Hoge Raad der Nederlanden, Vorabentscheidungsersuchen v. 3.4.2015
RL 2001/29/EG Art. 3 Abs. 1
Das Problem
Die Verlegerin der Zeitschrift Playboy ist Inhaberin exklusiver Rechte an Fotos, die in einer anstehenden Ausgabe erscheinen sollen. Ein populäres niederländisches Nachrichtenportal erhält Kenntnis von einer australischen Website, auf der sich ein Link zu einer Datei mit diesen Fotos befindet. Die Veröffentlichung auf der australischen Seite erfolgte ohne Genehmigung der Verlegerin. Das niederländische Nachrichtenportal veröffentlicht sodann einen Artikel über die Fotos und setzt einen Link zu der australischen Website. Durch die Verlegerin werden das Nachrichtenportal und der australische Webseitenbetreiber dazu aufgefordert, den jeweiligen Link zu entfernen. Dem kommt das Nachrichtenportal nicht nach, wohingegen der australische Webseitenbetreiber den Link entfernt. Daraufhin veröffentlicht das Nachrichtenportal einen neuen Artikel, in dem über die Auseinandersetzung mit der Verlegerin berichtet und der mit einem Link zu einer anderen Website versehen wird, auf der die Fotos ebenfalls ohne Genehmigung veröffentlicht sind. Nachdem die Fotos auch dort nicht mehr veröffentlicht werden, setzen Nutzer im Forum des Nachrichtenportals Links zu anderen Websites, auf denen die Fotos weiterhin genehmigungslos veröffentlicht sind. Daraufhin erhebt die Verlegerin Unterlassungsklage gegen das Nachrichtenportal, welches sodann erst- und zweitinstanzlich verurteilt wird, wogegen es sich dagegen dann vor dem Hoge Raad der Nederlanden wendet. Im Hinblick auf die Frage einer „öffentlichen Wiedergabe” legt dieser die Angelegenheit dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.Die Entscheidung des Gerichts
Der EuGH stellt fest, dass das Setzen der Links vorliegend eine „öffentliche Wiedergabe” i.S.v. Art. 3 Abs. 1 RL 2001/29/EG dargestellt haben dürfte.Erlaubte Zugänglichmachung: Das Gericht verweist auf seine Rechtsprechung zu den Tatbestandsmerkmalen der „öffentlichen Wiedergabe”. Danach stelle das Setzen von Hyperlinks auf eine Website zu Werken, die auf einer anderen Website frei zugänglich sind, grundsätzlich keine „öffentliche Wiedergabe” dar. Mit seinem dies entsprechend feststellenden Urteil vom 13.2.2014, habe man sich jedoch nur zum Setzen von Hyperlinks zu solchen Werken geäußert, die auf der verlinkten Website mit Erlaubnis des Rechtsinhabers frei zugänglich gemacht wurden (EuGH, Urt. 13.2.2014 – Rs. C-466/12, AfP 2014, 243 = IPRB 2014, 99). In diesem Fall der erlaubten Zugänglichmachung für alle Internetnutzer sei das Werk durch die Verlinkung nicht an ein neues Publikum gerichtet worden.
Beurteilungskriterien: Hyperlinks würden zum Funktionieren des Internets und zum Meinungs- und Informationsaustausch im Internet beitragen. Für Einzelpersonen, die solche Links setzen wollen, könne es sich als schwierig erweisen, zu überprüfen, ob die Website, zu der diese Links führen sollen, Zugang zu geschützten Werken geben, und ggf., ob die Inhaber der Urheberrechte an diesen Werken deren Veröffentlichung im Internet erlaubt haben. Dies sei erst recht dann schwer zu ermitteln, wenn für diese Rechte Unterlizenzen erteilt worden sind. Auch könne der Inhalt einer Website, zu der ein Hyperlink-Zugang besteht, nach der Platzierung des Links unter Aufnahme geschützter Werke geändert werden, ohne dass sich derjenige, der den Link geschaffen hat, dessen notwendig bewusst sein muss.
Handeln ohne Gewinnerzielungsabsicht: Zum Zweck der individuellen Beurteilung des Vorliegens einer „öffentlichen Wiedergabe” müsse daher, wenn das Setzen eines Hyperlinks zu einem auf einer anderen Website frei zugänglichen Werk von jemandem vorgenommen wird, der dabei keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgt, berücksichtigt werden, dass der Betreffende nicht weiß und vernünftigerweise nicht wissen kann, dass dieses Werk im Internet ohne Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers veröffentlicht wurde. Er handle im Allgemeinen auch nicht in voller Kenntnis der Folgen seines Tuns, um Kunden Zugang zu einem rechtswidrig im Internet veröffentlichten Werk zu verschaffen. Sei dagegen erwiesen, dass der Betreffende wusste oder hätte wissen müssen, dass der von ihm gesetzte Hyperlink Zugang zu einem unbefugt im Internet veröffentlichten Werk verschaffe – weil er bspw. von dem Urheberrechtsinhaber darauf hingewiesen wurde –, so sei die Bereitstellung dieses Links als eine „öffentliche Wiedergabe” anzusehen.
Handeln mit Gewinnerzielungsabsicht: Würden Hyperlinks jedoch mit Gewinnerzielungsabsicht gesetzt, könne von demjenigen, der sie gesetzt hat, erwartet werden, dass er die erforderlichen Nachprüfungen vornimmt, um sich zu vergewissern, dass das betroffene Werk auf der Website, zu der die Hyperlinks führen, nicht unbefugt veröffentlicht wurde, so dass zu vermuten sei, dass ein solches Setzen von Hyperlinks in voller Kenntnis der Geschütztheit des Werks und der etwaig fehlenden Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber zu seiner Veröffentlichung im Internet vorgenommen wurde. Unter solchen Umständen stelle daher, sofern diese widerlegliche Vermutung nicht entkräftet werde, das Setzen eines Hyperlinks zu einem unbefugt im Internet veröffentlichten Werk, eine „öffentliche Wiedergabe” dar.