EuGH, Urt. 9.2.2023 - C-453/21
Abberufung eines Datenschutzbeauftragten nur aus wichtigem Grund möglich
Autor: Dipl.-Jur. Johannes ZhouRA FAArbR Tim Wybitul, beide Latham & Watkins LLP, Frankfurt/M.
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 04/2023
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 04/2023
Die Abberufung eines Datenschutzbeauftragten ist gem. § 6 Abs. 4 Satz 1 BDSG nur aus wichtigem Grund i.S.d. § 626 BGB möglich. Diese Vorschrift ist mit der DSGVO vereinbar, sofern sie die Verwirklichung der Ziele der DSGVO nicht beeinträchtigt. Einem Datenschutzbeauftragten dürfen keine Aufgaben oder Pflichten übertragen werden, die die Festlegung der Zwecke und Mittel der Verarbeitung personenbezogener Daten beim datenschutzrechtlichen Verantwortlichen oder seinem Auftragsverarbeiter umfasst. Anderenfalls kann ein Interessenkonflikt i.S.d. Art. 38 Abs. 6 DSGVO vorliegen. Das nationale Gericht muss das Vorliegen eines Interessenkonflikts im Einzelfall überprüfen.
AEUV Art. 267; BDSG § 6 Abs. 4, § 38 Abs. 1 u. 2; DSGVO Art. 38 Abs. 2 u. 6
Das beklagte Unternehmen begründete die Abberufung des Klägers damit, dass aufgrund dessen Stellung als Betriebsratsvorsitzender und Datenschutzbeauftragter die Gefahr eines Interessenkonflikts bestehe. Diese beiden Ämter seien nicht miteinander vereinbar. Es liege daher ein wichtiger Grund für die Abberufung als Datenschutzbeauftragter vor. Der Kläger erhob dagegen Klage auf Feststellung, dass er nach wie vor Datenschutzbeauftragter der Beklagten ist.
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben.
Das BAG hat dem EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens gem. Art. 267 AEUV die Frage vorgelegt, ob die Abberufung des Datenschutzbeauftragten durch den datenschutzrechtlichen Verantwortlichen gem. § 38 Abs. 1, Abs. 2 i.V.m. § 6 Abs. 4 Satz 1 BDSG im Hinblick auf Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DSGVO nur aus wichtigem Grund zulässig ist. Darüber hinaus hat das BAG die Frage vorgelegt, ob ein Interessenkonflikt i.S.v. Art. 38 Abs. 6 Satz 2 DSGVO vorliegt, wenn der Datenschutzbeauftragte zugleich das Amt des Vorsitzenden des in der verantwortlichen Stelle gebildeten Betriebsrats innehat.
Eine nationale Vorschrift, wonach ein Datenschutzbeauftragter nur aus wichtigem Grund abberufen werden könne, stehe Art. 38 Abs. 2 Satz 3 DSGVO nicht entgegen. Dabei komme es nicht darauf an, ob die Abberufung mit der Erfüllung seiner Aufgaben zusammenhänge. Voraussetzung sei, dass die nationale Regelung des jeweiligen Mitgliedstaats die Verwirklichung der Ziele der DSGVO nicht beeinträchtige.
Des Weiteren geht der EuGH in abstrakter Form auf die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Interessenkonflikts gem. Art. 38 Abs. 6 DSGVO ein. Ein solcher könne vorliegen, wenn einem Datenschutzbeauftragten andere Aufgaben oder Pflichten übertragen werden, die die Festlegung der Zwecke und Mittel der Verarbeitung personenbezogener Daten umfasse. Dies folge aus der funktionellen Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten, der u.a. die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorgaben überwache.
Der EuGH betont zudem, dass das nationale Gericht einzelfallabhängig prüfen muss, ob tatsächlich ein Interessenkonflikt vorliegt.
AEUV Art. 267; BDSG § 6 Abs. 4, § 38 Abs. 1 u. 2; DSGVO Art. 38 Abs. 2 u. 6
Das Problem
Im Ausgangsverfahren streiten die Parteien um die Frage der Abberufung des Klägers als Datenschutzbeauftragten im Unternehmen der Beklagten. Der Kläger übte bei der Beklagten neben dem Amt des Datenschutzbeauftragten auch das Amt des Betriebsratsvorsitzenden aus.Das beklagte Unternehmen begründete die Abberufung des Klägers damit, dass aufgrund dessen Stellung als Betriebsratsvorsitzender und Datenschutzbeauftragter die Gefahr eines Interessenkonflikts bestehe. Diese beiden Ämter seien nicht miteinander vereinbar. Es liege daher ein wichtiger Grund für die Abberufung als Datenschutzbeauftragter vor. Der Kläger erhob dagegen Klage auf Feststellung, dass er nach wie vor Datenschutzbeauftragter der Beklagten ist.
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben.
Das BAG hat dem EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens gem. Art. 267 AEUV die Frage vorgelegt, ob die Abberufung des Datenschutzbeauftragten durch den datenschutzrechtlichen Verantwortlichen gem. § 38 Abs. 1, Abs. 2 i.V.m. § 6 Abs. 4 Satz 1 BDSG im Hinblick auf Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DSGVO nur aus wichtigem Grund zulässig ist. Darüber hinaus hat das BAG die Frage vorgelegt, ob ein Interessenkonflikt i.S.v. Art. 38 Abs. 6 Satz 2 DSGVO vorliegt, wenn der Datenschutzbeauftragte zugleich das Amt des Vorsitzenden des in der verantwortlichen Stelle gebildeten Betriebsrats innehat.
Die Entscheidung des Gerichts
Der EuGH stellt klar, dass es den Mitgliedstaaten freisteht, in Ausübung ihrer Zuständigkeit strengere Vorschriften für die Abberufung eines Datenschutzbeauftragten als nach EU-Recht zu erlassen.Eine nationale Vorschrift, wonach ein Datenschutzbeauftragter nur aus wichtigem Grund abberufen werden könne, stehe Art. 38 Abs. 2 Satz 3 DSGVO nicht entgegen. Dabei komme es nicht darauf an, ob die Abberufung mit der Erfüllung seiner Aufgaben zusammenhänge. Voraussetzung sei, dass die nationale Regelung des jeweiligen Mitgliedstaats die Verwirklichung der Ziele der DSGVO nicht beeinträchtige.
Des Weiteren geht der EuGH in abstrakter Form auf die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Interessenkonflikts gem. Art. 38 Abs. 6 DSGVO ein. Ein solcher könne vorliegen, wenn einem Datenschutzbeauftragten andere Aufgaben oder Pflichten übertragen werden, die die Festlegung der Zwecke und Mittel der Verarbeitung personenbezogener Daten umfasse. Dies folge aus der funktionellen Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten, der u.a. die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorgaben überwache.
Der EuGH betont zudem, dass das nationale Gericht einzelfallabhängig prüfen muss, ob tatsächlich ein Interessenkonflikt vorliegt.