EuGH, Urt. 9.9.2021 - C-107/19
Wann sind Ruhepausen Arbeitszeit?
Autor: RA FAArbR Dr. Artur Kühnel, Vahle Kühnel Becker FAeArbR, Hamburg
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 10/2021
Aus: Arbeits-Rechtsberater, Heft 10/2021
Ob eine während der täglichen Arbeitszeit gewährte Ruhepause, in der ein Arbeitnehmer – wenn nötig – binnen zwei Minuten einsatzbereit sein muss, Arbeitszeit i.S.d. Arbeitszeit-Richtlinie ist, hängt von einer Gesamtwürdigung der Umstände ab. Eine Ruhepause stellt Arbeitszeit dar, wenn die dem Arbeitnehmer währenddessen auferlegten Einschränkungen von solcher Art sind, dass sie objektiv gesehen ganz erheblich seine Möglichkeit beschränken, die Ruhepause frei zu gestalten und sie seinen eigenen Interessen zu widmen.
Richtlinie (RL) 2003/88/EG Art. 2, 4, 17 Abs. 3 Buchst. c)
Der Kläger habe während seiner Pausen einer Bereitschaftsregelung unterlegen. Bereitschaft umfasse allgemein sämtliche Zeiträume, in denen der Arbeitnehmer zur Verfügung stehe, um auf Verlangen des Arbeitgebers Arbeitsleistung erbringen zu können.
Eine Zeitspanne, in der ein Arbeitnehmer tatsächlich keine Tätigkeit ausübe, stelle nicht zwangsläufig eine Ruhezeit dar. Bereitschaftszeiten, während derer dem Arbeitnehmer Einschränkungen von solcher Art auferlegt würden, dass sie seine Möglichkeit, die Zeit, in der seine beruflichen Leistungen nicht in Anspruch genommen werden, frei zu gestalten und sie seinen eigenen Interessen zu widmen, objektiv gesehen ganz erheblich beeinträchtigen, seien Arbeitszeit.
Maßgeblich sei insoweit eine Gesamtwürdigung der relevanten Umstände durch das nationale Gericht. Wenn die Frist für die Aufnahme der Arbeit nur wenige Minuten betrage, liege grds. Arbeitszeit vor, da der Arbeitnehmer weitgehend davon abgehalten werde, irgendeine auch nur kurzzeitige Freizeitaktivität zu planen. Auch eine im Durchschnitt seltene Inanspruchnahme während der Bereitschaftszeit rechtfertige dann regelmäßig keine andere Bewertung. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die aus der Unvorhersehbarkeit möglicher Unterbrechungen der Ruhepausen ergebende Ungewissheit den Arbeitnehmer in Daueralarmbereitschaft versetzen könne.
Richtlinie (RL) 2003/88/EG Art. 2, 4, 17 Abs. 3 Buchst. c)
Das Problem
Die Parteien streiten um die Vergütung von Ruhepausen eines im Schichtdienst tätigen Betriebsfeuerwehrmanns. Das vorlegende Gericht fragt insbesondere, ob Art. 2 RL 2003/88/EG dahin auszulegen ist, dass eine während der täglichen Arbeitszeit gewährte Ruhepause, in der ein Arbeitnehmer – wenn nötig – binnen zwei Minuten einsatzbereit sein muss, als Arbeits- oder als Ruhezeit einzustufen ist und ob der gelegentliche und unvorhersehbare Charakter sowie die Häufigkeit von Einsatzfahrten während dieser Ruhepause einen Einfluss hierauf haben.Die Entscheidung des Gerichts
Der EuGH weist darauf hin, dass Vergütungsfragen grds. nicht unter die RL 2003/88/EG fallen. Mittelbar anders sei dies aber, wenn – wie hier – die Frage der Vergütung von Ruhezeiten davon abhänge, ob diese als Arbeits- oder Ruhezeit i.S.d. RL 2003/88/EG einzustufen seien.Der Kläger habe während seiner Pausen einer Bereitschaftsregelung unterlegen. Bereitschaft umfasse allgemein sämtliche Zeiträume, in denen der Arbeitnehmer zur Verfügung stehe, um auf Verlangen des Arbeitgebers Arbeitsleistung erbringen zu können.
Eine Zeitspanne, in der ein Arbeitnehmer tatsächlich keine Tätigkeit ausübe, stelle nicht zwangsläufig eine Ruhezeit dar. Bereitschaftszeiten, während derer dem Arbeitnehmer Einschränkungen von solcher Art auferlegt würden, dass sie seine Möglichkeit, die Zeit, in der seine beruflichen Leistungen nicht in Anspruch genommen werden, frei zu gestalten und sie seinen eigenen Interessen zu widmen, objektiv gesehen ganz erheblich beeinträchtigen, seien Arbeitszeit.
Maßgeblich sei insoweit eine Gesamtwürdigung der relevanten Umstände durch das nationale Gericht. Wenn die Frist für die Aufnahme der Arbeit nur wenige Minuten betrage, liege grds. Arbeitszeit vor, da der Arbeitnehmer weitgehend davon abgehalten werde, irgendeine auch nur kurzzeitige Freizeitaktivität zu planen. Auch eine im Durchschnitt seltene Inanspruchnahme während der Bereitschaftszeit rechtfertige dann regelmäßig keine andere Bewertung. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die aus der Unvorhersehbarkeit möglicher Unterbrechungen der Ruhepausen ergebende Ungewissheit den Arbeitnehmer in Daueralarmbereitschaft versetzen könne.