Familienunterhaltsanspruch bei Heimunterbringung eines der Ehegatten
Autor: RAin Dr. Uta Roessink, FAinFamR, Köln
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 08/2016
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 08/2016
Bei stationärer Pflegebedürftigkeit eines Ehegatten richtet sich sein Familienunterhaltsanspruch ausnahmsweise auf Zahlung einer Geldrente. Voraussetzung ist die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners, dem ein Eigenbedarf zu belassen ist, dessen Höhe in zulässiger Weise nach dem sog. eheangemessenen Selbstbehalt bemessen werden kann.
BGH, Beschl. v. 27.4.2016 - XII ZB 485/14
Vorinstanz: OLG Hamm, Beschl. v. 12.8.2014 - II-7 UF 55/14
BGB §§ 1360, 1360a
Die Höhe dieser Geldrente richte sich zunächst nach den ehelichen Lebensverhältnissen, wobei in den Fällen des Zusammenlebens der Ehegatten der Halbteilungsgrundsatz nicht gelte und die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen keine Voraussetzung des Unterhaltsanspruches sei (vgl. BGH v. 12.4.2006 – XII ZB 31/04, FamRZ 2006, 1010). Deshalb könne der Verpflichtete im Verhältnis zu seinem Partner seinen Beitrag zum Familienunterhalt nicht unter Hinweis darauf verweigern, er sei ohne Gefährdung seines Eigenbedarfs zur Unterhaltsleistung nicht in der Lage. Von diesem Regelfall familiären Zusammenlebens in einer häuslichen Gemeinschaft unterscheide sich der Fall einer bei einem Ehegatten aufgetretenen Pflegebedürftigkeit jedoch wesentlich. Wegen der individuellen besonderen Bedürfnisse dieses Ehegatten auf Unterhalt zu dessen gesonderter Verwendung sei die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen auch beim Familienunterhalt zu beachten. Dem Unterhaltspflichtigen müsse der angemessene eigene Unterhalt als Selbstbehalt belassen werden. Die Heranziehung des sog. Ehegattenselbstbehalts nach der Düsseldorfer Tabelle und den Unterhaltsrichtlinien begegne keinen Bedenken.
BGH, Beschl. v. 27.4.2016 - XII ZB 485/14
Vorinstanz: OLG Hamm, Beschl. v. 12.8.2014 - II-7 UF 55/14
BGB §§ 1360, 1360a
Das Problem
Die aufgrund einer schweren Erkrankung pflegebedürftige Ehefrau lebt in einem Pflegezentrum. Die monatlichen Pflegekosten von 3.923,59 € werden im Wesentlichen aus Sozialhilfeleistungen bestritten. Nicht abgedeckt ist ein aus dem sozialhilferechtlich einbezogenen Einkommen des Ehemannes berechneter Eigenanteil der Ehefrau von monatlich 132,56 €. Die Betreuerin der Ehefrau macht diesen Betrag als Familienunterhalt gegenüber dem Ehemann geltend, der über eine monatliche Rente von 1.042,82 € netto verfügt. Das AG hat dem Antrag entsprochen, das OLG auf die Beschwerde des Ehemanns den Unterhaltsanspruch auf monatlich 43 € herabgesetzt. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Ehefrau.Die Entscheidung des Gerichts
Der BGH bestätigt die Entscheidung der Vorinstanz und weist die Rechtsbeschwerde zurück. Die Ehefrau habe gegen ihren Ehemann einen Anspruch auf Familienunterhalt gem. § 1360 BGB aus einer bestehenden ehelichen Lebensgemeinschaft. Die dauerhafte Aufnahme zur stationären Pflege eines Ehegatten in einem Pflegeheim führe für sich allein genommen nicht zu einer Trennung der Ehegatten. Ein darüber hinausgehender Trennungswille zumindest eines der Ehegatten, der unmissverständlich den Willen zum Ausdruck bringt, die eheliche Lebensgemeinschaft nicht weiterführen zu wollen, sei vorliegend nicht erkennbar. Grundsätzlich sei, anders als der Trennungsunterhaltsanspruch, der Anspruch auf Familienunterhalt nicht auf Zahlung einer für den Empfänger frei verfügbaren Geldrente gerichtet. Wenn bei einem Ehegatten jedoch ein besonderer, existenznotwendiger persönlicher Bedarf vor allem durch die anfallenden Heim- und Pflegekosten entstehe, richte sich der Familienunterhaltsanspruch ausnahmsweise auch auf Zahlung einer Geldrente.Die Höhe dieser Geldrente richte sich zunächst nach den ehelichen Lebensverhältnissen, wobei in den Fällen des Zusammenlebens der Ehegatten der Halbteilungsgrundsatz nicht gelte und die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen keine Voraussetzung des Unterhaltsanspruches sei (vgl. BGH v. 12.4.2006 – XII ZB 31/04, FamRZ 2006, 1010). Deshalb könne der Verpflichtete im Verhältnis zu seinem Partner seinen Beitrag zum Familienunterhalt nicht unter Hinweis darauf verweigern, er sei ohne Gefährdung seines Eigenbedarfs zur Unterhaltsleistung nicht in der Lage. Von diesem Regelfall familiären Zusammenlebens in einer häuslichen Gemeinschaft unterscheide sich der Fall einer bei einem Ehegatten aufgetretenen Pflegebedürftigkeit jedoch wesentlich. Wegen der individuellen besonderen Bedürfnisse dieses Ehegatten auf Unterhalt zu dessen gesonderter Verwendung sei die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen auch beim Familienunterhalt zu beachten. Dem Unterhaltspflichtigen müsse der angemessene eigene Unterhalt als Selbstbehalt belassen werden. Die Heranziehung des sog. Ehegattenselbstbehalts nach der Düsseldorfer Tabelle und den Unterhaltsrichtlinien begegne keinen Bedenken.