Fristlose Kündigung wegen des Betriebs eines „Headshops”
Autor: RA Mark Bittner, Hamburg
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 06/2014
Aus: Miet-Rechtsberater, Heft 06/2014
1. Der Verkauf von Zubehör für den Konsum von Cannabis, ohne selbst Drogen zu verkaufen (sog. „Headshop”), verstößt nicht gegen den vertraglich vereinbarten Mietzweck „Infocenter-Ticketcenter-Fanshop-Einzelhandel”.2. „Gewissensnot” des Vermieters führt grundsätzlich nicht zu einer nachträglichen Änderung des Vertrages.
OLG Hamburg, Urt. v. 17.8.2012 - 4 U 8/12
Vorinstanz: LG Hamburg - 333 O 12/11
BGB §§ 123, 566
Sodann sei auch nicht ersichtlich, weshalb der Klägerin die Fortsetzung des Mietverhältnisses aufgrund des Headshops nicht mehr zumutbar sein sollte. Bei der im Rahmen des § 543 Abs. 1 BGB anzustellenden umfassenden Interessenabwägung sei insbesondere zu berücksichtigen, dass sich das Mietobjekt auf der Hamburger Reeperbahn befinde, wo eine Vielzahl von Geschäftsbetrieben vorhanden sei, welche nicht immer dem bürgerlichen Normverständnis entsprächen. Demnach zöge der Betrieb eines Headshops auch keine negative Aufmerksamkeit auf sich, so dass etwa eine Wertminderung des Grundstücks oder sonstige Nachteile der Klägerin auszuschließen seien. Schließlich könne auch „Gewissensnot” nicht zu einer nachträglichen Veränderung des Mietvertrages führen, wie auch der BGH im Falle des Übergangs von einer Damenboutique zu einem Sexshop dargelegt habe (BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 237/82, MDR 1984, 571).
OLG Hamburg, Urt. v. 17.8.2012 - 4 U 8/12
Vorinstanz: LG Hamburg - 333 O 12/11
BGB §§ 123, 566
Das Problem:
Die Klägerin ist Erwerberin eines auf der Hamburger Reeperbahn belegenen gewerblichen Mietobjektes. Die Voreigentümerin hatte zuvor mit der Beklagten als Mieterin einen Geschäftsraummietvertrag geschlossen. In den Mietvertragsverhandlungen hatte die Beklagte ein Konzept vorgelegt, wonach sie einen auf das Wacken Open Air Hardrock Festival bezogenen „Wacken Store” zu eröffnen beabsichtigte. In § 2 des Mietvertrages ist als Mietzweck der Betrieb von „Infocenter – Ticketcenter – Fanshop – Einzelhandel” vereinbart. Die Beklagte setzte das Konzept des „Wacken Stores” jedoch nicht um, sondern bot u.a. Zubehör für den Cannabis-Konsum an, ohne dort jedoch selbst Drogen zu verkaufen (sog. „Headshop”). Die Voreigentümerin mahnte die Beklagte wegen vertragswidriger Nutzung ab. Nach erfolgter Grundbucheintragung ließ die Klägerin die Beklagte erneut abmahnen und die Anfechtung des Mietvertrages wegen arglistiger Täuschung sowie vorsorglich die außerordentliche Kündigung wegen Nichteinhaltung des vereinbarten Vertragszwecks erklären. Zur Begründung bezog sich die Klägerin auch darauf, dass ihre Gesellschafter aus Gewissensgründen keinen Headshop in ihrem Geschäftshaus haben wollten. Das LG gab der Räumungsklage wegen wirksamer Arglistanfechtung statt, wogegen die Beklagte Berufung einlegte.Die Entscheidung des Gerichts:
Das OLG gab der Berufung der Beklagten statt. Zunächst sei die erklärte Arglistanfechtung unwirksam (s. vorstehende Besprechung). Sodann seien auch die wegen Verstoßes gegen den vereinbarten Mietzweck erklärten außerordentlichen fristlosen Kündigungen unbegründet. Es sei nicht erkennbar, dass der Betrieb eines Headshops gegen den im Mietvertrag vereinbarten Mietzweck verstoße. In § 2 des Mietvertrages sei u.a. vereinbart, dass die Beklagte dort einen „Einzelhandel” betreiben dürfe. Der Begriff des Einzelhandels sei umfassend und beschreibe allgemein die Verkaufstätigkeit an Endverbraucher. Je allgemeiner die Umschreibung des Vertragszweckes im Mietvertrag gehalten sei, desto freier sei der Mieter in der Bestimmung seines Geschäftszweigs. Wenn die Vermieterseite den Mietzweck näher hätte konkretisieren wollen – z.B. auf den Betrieb des besagten „Wacken Stores” – hätte dies im Mietvertrag auch so festgehalten werden müssen. Da dies nicht geschehen sei, sei die Beklagte in der Gestaltung ihrer Geschäftsausübung frei.Sodann sei auch nicht ersichtlich, weshalb der Klägerin die Fortsetzung des Mietverhältnisses aufgrund des Headshops nicht mehr zumutbar sein sollte. Bei der im Rahmen des § 543 Abs. 1 BGB anzustellenden umfassenden Interessenabwägung sei insbesondere zu berücksichtigen, dass sich das Mietobjekt auf der Hamburger Reeperbahn befinde, wo eine Vielzahl von Geschäftsbetrieben vorhanden sei, welche nicht immer dem bürgerlichen Normverständnis entsprächen. Demnach zöge der Betrieb eines Headshops auch keine negative Aufmerksamkeit auf sich, so dass etwa eine Wertminderung des Grundstücks oder sonstige Nachteile der Klägerin auszuschließen seien. Schließlich könne auch „Gewissensnot” nicht zu einer nachträglichen Veränderung des Mietvertrages führen, wie auch der BGH im Falle des Übergangs von einer Damenboutique zu einem Sexshop dargelegt habe (BGH v. 11.1.1984 – VIII ZR 237/82, MDR 1984, 571).