Gewerberechtliche Anzeigepflicht eines Softwareentwicklers
Autor: RA, FAArbR, Mediator Bahram Aghamiri, WZR Wülfing Zeuner Rechel, Hamburg
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 04/2013
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 04/2013
Softwareentwickler sind verpflichtet, ihre Tätigkeit nach § 14 GewO anzuzeigen. Ein Softwareentwickler übt keinen freien Beruf aus.
OVG Niedersachsen, Urt. v. 16.5.2012 - 7 LC 15/10 (rkr.)
Vorinstanz: VG Lüneburg, Urt. v. 9.12.2009 - 5 A 27/08
GewO §§ 6 Abs. 1 Satz 1, 14 Abs. 1; EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1; PartGG § 1 Abs. 2 Satz 2
Gewerbebegriff: Ein Gewerbe liege nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn es sich um eine erlaubte, auf Gewinnerzielung gerichtete und auf Dauer angelegte selbständige Tätigkeit handle, die nicht den Bereich der Urproduktion, den freien Berufen oder der bloßen Verwaltung eigenen Vermögens zuzurechnen sei (BVerwG, Urt. v. 1.7.1987 – 1 C 25.85).
Gesetzliche Normierung: § 6 Abs. 1 GewO lege den gesetzlichen Anwendungsbereich fest und bilde keine (Negativ-)Definition des Gewerbebegriffs. Berufe wie der des Softwareentwicklers/Diplom-Wirtschaftsinformatiker würden in diesem enumerativen Katalog nicht genannt. Der Gesetzgeber habe bislang keinen Anlass gesehen, auch diese Berufsgruppen von der GewO freizustellen. Auch § 1 Abs. 2 Satz 2 PartGG sei nur für die dort abschließend aufgezählten freien Berufe anwendbar. Im Gegensatz dazu enthalte § 18 EStG eine Öffnungsklausel für „ähnliche Berufe” und habe der BFH mehrfach entschieden, dass eine selbständige Tätigkeit im Bereich der IT als ingenieurähnliche Tätigkeit und damit als freiberuflich anzusehen sei. Die Qualifizierung im Steuerrecht habe jedoch für die gewerberechtliche Bewertung wegen fehlender Übertragbarkeit keine Bindungs-, sondern allenfalls Indizwirkung (OVG Niedersachsen, Urt. v. 29.8.2007 – 7 LC 125/06). Auch sei es nicht nach Sinn und Zweck des § 14 GewO geboten ist, Softwareentwickler von der Gewerbeordnung auszunehmen. Die Norm diene primär der statistischen Erfassung und der Gefahrenabwehr.
Kein freier Beruf: Für den freien Beruf existiere kein eindeutiger allgemeiner Rechtsbegriff, sondern nur ein soziologischer Begriff (BVerfG, Beschl. v. 25.2.1960 – 1 BvR 239/52). Ein freier Beruf habe im Allgemeinen auf der Grundlage besonderer beruflicher Qualifikation oder schöpferischer Begabung die persönliche, eigenverantwortliche und fachlich unabhängige Erbringung von Dienstleistungen höherer Art im Interesse der Auftraggeber und der Allgemeinheit zum Inhalt. Die Tätigkeit müsse eine höhere Bildung, d.h. grundsätzlich ein abgeschlossenes Hochschul- oder Fachhochschulstudium, erfordern, wobei es nicht auf die individuelle formale Qualifikation, sondern auf die objektiven Anforderungen der Tätigkeit ankomme. Dieses Kriterium sei vorliegend nicht erfüllt; auch Autodidakten können sich das nötige Wissen problemlos aneignen. Zwar sei der Aspekt des persönlichen Einsatzes bei der Arbeitsleistung erfüllt. Zweifel ergäben sich jedoch hinsichtlich eines besonderen Vertrauensverhältnisses, das zumindest teilweise gefordert werde (Scholz in Maunz/Dürig, GG, Stand 11/2006, Art. 12 Rz. 269; Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, 1997, S. 80). Der Beruf des Softwareentwicklers liege an der Grenzlinie zwischen gewerblichem und freiem Beruf; die Bewertung hänge entscheidend von den jeweils zu administrierenden Daten ab. Im Ergebnis sei das erforderliche Vertrauensverhältnis aber nicht mit dem eines Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers vergleichbar. Der Freiberufler entscheide kraft überlegenen Wissens über die Erfüllung der gestellten Aufgabe (OVG Niedersachsen, Urt. v. 29.8.2007 – 7 LC 125/06). Das brächten auch die berufsrechtlichen Gesetze für die entsprechenden Berufsträger zum Ausdruck. Derartige Regelungen existierten aber für den Beruf des Softwareentwicklers nicht. Das zu erreichende Ergebnis und die jeweiligen Zwischenresultate würden hier vom Auftraggeber konkret vorgegeben. Die Tätigkeit ähnele daher einem Handwerker oder sonstigem Gewerbetreibenden. Sie liege darüber hinaus nicht zugleich im Allgemeininteresse.
OVG Niedersachsen, Urt. v. 16.5.2012 - 7 LC 15/10 (rkr.)
Vorinstanz: VG Lüneburg, Urt. v. 9.12.2009 - 5 A 27/08
GewO §§ 6 Abs. 1 Satz 1, 14 Abs. 1; EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1; PartGG § 1 Abs. 2 Satz 2
Das Problem:
Ein Diplom-Wirtschaftsinformatiker (FH), der konkret-individuell zugeschnittene Software für wechselnde Auftraggeber entwickelt, wendet sich gegen einen Bescheid der Stadtverwaltung, die Verlegung seines Gewerbebetriebs gewerberechtlich anzuzeigen.Die Entscheidung des Gerichts:
Der Softwareentwickler unterliege der gewerberechtlichen Anzeigepflicht. Die Gesamtbetrachtung ergebe, dass es sich um den Betrieb eines Gewerbes, nicht um eine freiberufliche Tätigkeit, handle.Gewerbebegriff: Ein Gewerbe liege nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn es sich um eine erlaubte, auf Gewinnerzielung gerichtete und auf Dauer angelegte selbständige Tätigkeit handle, die nicht den Bereich der Urproduktion, den freien Berufen oder der bloßen Verwaltung eigenen Vermögens zuzurechnen sei (BVerwG, Urt. v. 1.7.1987 – 1 C 25.85).
Gesetzliche Normierung: § 6 Abs. 1 GewO lege den gesetzlichen Anwendungsbereich fest und bilde keine (Negativ-)Definition des Gewerbebegriffs. Berufe wie der des Softwareentwicklers/Diplom-Wirtschaftsinformatiker würden in diesem enumerativen Katalog nicht genannt. Der Gesetzgeber habe bislang keinen Anlass gesehen, auch diese Berufsgruppen von der GewO freizustellen. Auch § 1 Abs. 2 Satz 2 PartGG sei nur für die dort abschließend aufgezählten freien Berufe anwendbar. Im Gegensatz dazu enthalte § 18 EStG eine Öffnungsklausel für „ähnliche Berufe” und habe der BFH mehrfach entschieden, dass eine selbständige Tätigkeit im Bereich der IT als ingenieurähnliche Tätigkeit und damit als freiberuflich anzusehen sei. Die Qualifizierung im Steuerrecht habe jedoch für die gewerberechtliche Bewertung wegen fehlender Übertragbarkeit keine Bindungs-, sondern allenfalls Indizwirkung (OVG Niedersachsen, Urt. v. 29.8.2007 – 7 LC 125/06). Auch sei es nicht nach Sinn und Zweck des § 14 GewO geboten ist, Softwareentwickler von der Gewerbeordnung auszunehmen. Die Norm diene primär der statistischen Erfassung und der Gefahrenabwehr.
Kein freier Beruf: Für den freien Beruf existiere kein eindeutiger allgemeiner Rechtsbegriff, sondern nur ein soziologischer Begriff (BVerfG, Beschl. v. 25.2.1960 – 1 BvR 239/52). Ein freier Beruf habe im Allgemeinen auf der Grundlage besonderer beruflicher Qualifikation oder schöpferischer Begabung die persönliche, eigenverantwortliche und fachlich unabhängige Erbringung von Dienstleistungen höherer Art im Interesse der Auftraggeber und der Allgemeinheit zum Inhalt. Die Tätigkeit müsse eine höhere Bildung, d.h. grundsätzlich ein abgeschlossenes Hochschul- oder Fachhochschulstudium, erfordern, wobei es nicht auf die individuelle formale Qualifikation, sondern auf die objektiven Anforderungen der Tätigkeit ankomme. Dieses Kriterium sei vorliegend nicht erfüllt; auch Autodidakten können sich das nötige Wissen problemlos aneignen. Zwar sei der Aspekt des persönlichen Einsatzes bei der Arbeitsleistung erfüllt. Zweifel ergäben sich jedoch hinsichtlich eines besonderen Vertrauensverhältnisses, das zumindest teilweise gefordert werde (Scholz in Maunz/Dürig, GG, Stand 11/2006, Art. 12 Rz. 269; Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, 1997, S. 80). Der Beruf des Softwareentwicklers liege an der Grenzlinie zwischen gewerblichem und freiem Beruf; die Bewertung hänge entscheidend von den jeweils zu administrierenden Daten ab. Im Ergebnis sei das erforderliche Vertrauensverhältnis aber nicht mit dem eines Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers vergleichbar. Der Freiberufler entscheide kraft überlegenen Wissens über die Erfüllung der gestellten Aufgabe (OVG Niedersachsen, Urt. v. 29.8.2007 – 7 LC 125/06). Das brächten auch die berufsrechtlichen Gesetze für die entsprechenden Berufsträger zum Ausdruck. Derartige Regelungen existierten aber für den Beruf des Softwareentwicklers nicht. Das zu erreichende Ergebnis und die jeweiligen Zwischenresultate würden hier vom Auftraggeber konkret vorgegeben. Die Tätigkeit ähnele daher einem Handwerker oder sonstigem Gewerbetreibenden. Sie liege darüber hinaus nicht zugleich im Allgemeininteresse.