Haftung für Suchwortergänzung
Autor: RA Markus Rössel, LL.M. (Informationsrecht), Kaldenbach & Taeter, Brühl
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 07/2013
Aus: IT-Rechtsberater, Heft 07/2013
Weist ein Betroffener den Betreiber einer Internetsuchmaschine auf eine rechtswidrige Verletzung seines Persönlichkeitsrechts durch Ergänzung persönlichkeitsrechtsverletzender Begriffe bei Eingabe des Namens als Suchwort hin, ist der Betreiber verpflichtet, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern.
BGH, Urt. v. 14.5.2013 - VI ZR 269/12
Vorinstanz: OLG Köln, Urt. v. 10.5.2012 - 15 U 199/11
Vorinstanz: LG Köln, Urt. v. 19.10.2011 - 28 O 116/11
ZPO § 32; EGBGB Art. 40 Abs. 1 Satz 2; BGB §§ 823 Abs. 1, 1004
Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung: Der mit dem Begriff „Scientology” in Verbindung mit dem Namen einer real existierenden Person zum Ausdruck gebrachte Aussagegehalt lasse sich hinreichend dahin spezifizieren, dass zwischen dieser Sekte, zu der im Verkehr nicht zuletzt durch eine vorangegangene Medienberichterstattung konkrete Vorstellungen existierten, und der namentlich erwähnten Person eine Verbindung bestehe. Ferner verbinde der Durchschnittsleser mit der Verwendung des Begriffs „Betrug” zumindest ein sittlich vorwerfbares Übervorteilen eines anderen und verleihe ihm damit einen hinreichend konkreten Aussagegehalt.
Keine bloße Wiedergabe des Nutzerverhaltens: Den Ergänzungssuchvorschlägen könne nicht lediglich die Aussage entnommen werden, dass andere vorherige Nutzer die gewählten Begriffskombinationen zur Recherche eingegeben hätten oder dass sich die Ergänzungssuchbegriffe in verlinktem Drittinhalt auffinden lasse (a.A. Härting, K&R 2012, 633). Das algorithmusgesteuerte Suchprogramm beziehe die schon gestellten Suchanfragen ein und präsentiere dem Internetnutzer als Ergänzungsvorschläge die Wortkombinationen, die zu dem fraglichen Suchbegriff am häufigsten eingegeben worden seien. Das geschehe in der in der Praxis oft bestätigten Erwartung, dass die mit dem Suchbegriff bereits verwendeten Wortkombinationen – je häufiger, desto eher – dem aktuell suchenden Internetnutzer hilfreich sein könnten, weil die zum Suchbegriff ergänzend angezeigten Wortkombinationen inhaltliche Bezüge widerspiegelten.
Zurechnung: Die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Internethändler sei Google wegen des eigens geschaffenen, das Nutzerverhalten auswertenden Computerprogramms auch unmittelbar zuzurechnen. Die Suchmaschine sei nicht bereits nach § 10 TMG von der Verantwortlichkeit für den Inhalt der von ihr betriebenen Website befreit. Denn sie halte mit den Ergebnissen des Autocomplete-Hilfsprogramms eigene Informationen zur Nutzung bereit und sei deshalb gem. § 7 Abs. 1 TMG nach den allgemeinen Gesetzen – mithin auch nach §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB – verantwortlich (vgl. BGH, Urt. v. 23.6.2009 – VI ZR 196/08 – spickmich.de, CR 2009, 593 = ITRB 2009, 195 – Rz. 13).
Interessenabwägung: Zwar zögen die Nutzer der Suchmaschine aus der Suchwortergänzungsfunktion den Vorteil einer begriffsorientierten Suche nach Daten und Informationen. Aufseiten des Betroffenen sei für die Abwägung entscheidend, dass die verknüpften Begriffe einen unwahren und deshalb nicht hinzunehmenden Aussagegehalt hätten, weil der Internethändler – wovon nach seinem Vortrag revisionsrechtlich auszugehen sei – weder in Verbindung mit einem Betrug gebracht werden könne noch Scientology auch nur nahe stehe (vgl. etwa BGH, Urt. v. 30.10.2012 – VI ZR 4/12 – Gazprom- Manager, CR 2013, 27 – Rz. 12).
Kein Hostingprivileg: Die Tätigkeit des Suchmaschinenbetreibers sei nicht nur rein technischer, automatischer und passiver Art (vgl. EuGH, Urt. v. 23.3.2010 – Rs. C-236/08, Rs. C-237/08, Rs. C-238/08– Google France/Louis Vuitton, CR 2010, 318 = ITRB 2010, 123 – Rz. 114). Google verarbeite vielmehr die Abfragedaten der Nutzer in einem eigenen Programm, das Begriffsverbindungen bilde. Dem Betreiber könne grundsätzlich vorgeworfen werden, keine hinreichenden Vorkehrungen getroffen zu haben, um zu verhindern, dass die von der Software generierten Suchvorschläge Rechte Dritter verletzten.
BGH, Urt. v. 14.5.2013 - VI ZR 269/12
Vorinstanz: OLG Köln, Urt. v. 10.5.2012 - 15 U 199/11
Vorinstanz: LG Köln, Urt. v. 19.10.2011 - 28 O 116/11
ZPO § 32; EGBGB Art. 40 Abs. 1 Satz 2; BGB §§ 823 Abs. 1, 1004
Das Problem:
Ein Internethändler stellte fest, dass sich bei Eingabe seines Namens ein Fenster für die „Autocomplete”-Funktion von Google öffnete, in dem als automatisierte Suchvorschläge („Predictions”) die Wortkombinationen „[Name] Scientology” und „[Name] Betrug” erschienen, obwohl tatsächlich weder in den Suchergebnissen noch in sonstiger Weise eine Verbindung der Begriffe mit dem Internethändler bestand. Die im Rahmen dieser Suchergänzungsfunktion angezeigten Suchvorschläge werden auf der Basis eines Algorithmus' ermittelt, der u.a. die Anzahl der von anderen Nutzern eingegebenen Suchanfragen einbezieht.Die Entscheidung des Gerichts:
Die Unterlassungs-, Kostenerstattungs- und Geldentschädigungsklage werde an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das Berufungsgericht habe einen Unterlassungsanspruch des Internethändlers entsprechend §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB i.V.m. Artt. 1, 2 GG gegen den Betreiber der Internetsuchmaschine rechtsfehlerhaft verneint.Persönlichkeitsrechtsbeeinträchtigung: Der mit dem Begriff „Scientology” in Verbindung mit dem Namen einer real existierenden Person zum Ausdruck gebrachte Aussagegehalt lasse sich hinreichend dahin spezifizieren, dass zwischen dieser Sekte, zu der im Verkehr nicht zuletzt durch eine vorangegangene Medienberichterstattung konkrete Vorstellungen existierten, und der namentlich erwähnten Person eine Verbindung bestehe. Ferner verbinde der Durchschnittsleser mit der Verwendung des Begriffs „Betrug” zumindest ein sittlich vorwerfbares Übervorteilen eines anderen und verleihe ihm damit einen hinreichend konkreten Aussagegehalt.
Keine bloße Wiedergabe des Nutzerverhaltens: Den Ergänzungssuchvorschlägen könne nicht lediglich die Aussage entnommen werden, dass andere vorherige Nutzer die gewählten Begriffskombinationen zur Recherche eingegeben hätten oder dass sich die Ergänzungssuchbegriffe in verlinktem Drittinhalt auffinden lasse (a.A. Härting, K&R 2012, 633). Das algorithmusgesteuerte Suchprogramm beziehe die schon gestellten Suchanfragen ein und präsentiere dem Internetnutzer als Ergänzungsvorschläge die Wortkombinationen, die zu dem fraglichen Suchbegriff am häufigsten eingegeben worden seien. Das geschehe in der in der Praxis oft bestätigten Erwartung, dass die mit dem Suchbegriff bereits verwendeten Wortkombinationen – je häufiger, desto eher – dem aktuell suchenden Internetnutzer hilfreich sein könnten, weil die zum Suchbegriff ergänzend angezeigten Wortkombinationen inhaltliche Bezüge widerspiegelten.
Zurechnung: Die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Internethändler sei Google wegen des eigens geschaffenen, das Nutzerverhalten auswertenden Computerprogramms auch unmittelbar zuzurechnen. Die Suchmaschine sei nicht bereits nach § 10 TMG von der Verantwortlichkeit für den Inhalt der von ihr betriebenen Website befreit. Denn sie halte mit den Ergebnissen des Autocomplete-Hilfsprogramms eigene Informationen zur Nutzung bereit und sei deshalb gem. § 7 Abs. 1 TMG nach den allgemeinen Gesetzen – mithin auch nach §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB – verantwortlich (vgl. BGH, Urt. v. 23.6.2009 – VI ZR 196/08 – spickmich.de, CR 2009, 593 = ITRB 2009, 195 – Rz. 13).
Interessenabwägung: Zwar zögen die Nutzer der Suchmaschine aus der Suchwortergänzungsfunktion den Vorteil einer begriffsorientierten Suche nach Daten und Informationen. Aufseiten des Betroffenen sei für die Abwägung entscheidend, dass die verknüpften Begriffe einen unwahren und deshalb nicht hinzunehmenden Aussagegehalt hätten, weil der Internethändler – wovon nach seinem Vortrag revisionsrechtlich auszugehen sei – weder in Verbindung mit einem Betrug gebracht werden könne noch Scientology auch nur nahe stehe (vgl. etwa BGH, Urt. v. 30.10.2012 – VI ZR 4/12 – Gazprom- Manager, CR 2013, 27 – Rz. 12).
Kein Hostingprivileg: Die Tätigkeit des Suchmaschinenbetreibers sei nicht nur rein technischer, automatischer und passiver Art (vgl. EuGH, Urt. v. 23.3.2010 – Rs. C-236/08, Rs. C-237/08, Rs. C-238/08– Google France/Louis Vuitton, CR 2010, 318 = ITRB 2010, 123 – Rz. 114). Google verarbeite vielmehr die Abfragedaten der Nutzer in einem eigenen Programm, das Begriffsverbindungen bilde. Dem Betreiber könne grundsätzlich vorgeworfen werden, keine hinreichenden Vorkehrungen getroffen zu haben, um zu verhindern, dass die von der Software generierten Suchvorschläge Rechte Dritter verletzten.