Hans. OLG Hamburg, Beschl. 25.8.2022 - 12 UF 98/22

Keine Umdeutung des Antrags auf Zurückweisung verfrühten Scheidungsantrags in Feststellungsantrag

Autor: RiAG Niels Bauer, Lörrach
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 11/2022
Ein Antrag, mit dem ein verfrühter Ehescheidungsantrag zurückgewiesen werden soll, ist nicht als Feststellungsantrag auszulegen, da die Voraussetzungen für eine Ehescheidung derzeit nicht vorliegen.

BGB § 1565, § 1567; FamFG § 130

Das Problem

Die beteiligten Eheleute sind seit dem 1.9.2018 verheiratet. Die Trennung wurde durch Auszug der Antragsgegnerin am 9.7.2021 vollzogen. Am 4.2.2022 und damit noch vor Ende des Trennungsjahrs wurde beim FamG durch den Antragsteller der Scheidungsantrag eingereicht. Es wurden Härtefallgründe vorgebracht, die für die Entscheidung allerdings nicht relevant sind. Die Antragsgegnerin trat dem Antrag entgegen, da das Trennungsjahr noch nicht abgelaufen war.

In der mündlichen Verhandlung am 2.5.2022 gab der Antragstellervertreter die folgende Erklärung ab: „Es soll in dieser Sache hier heute kein Antrag gestellt werden; es würde begrüßt werden, wenn die Gegenseite auch keinen Antrag stellt, sodass das Verfahren ruhend gestellt werden kann.“ Der Antragsgegnerinvertreter erwiderte sodann zu Protokoll: „Aus unserer Sicht ist der Antrag hier verfrüht gestellt, es wird also beantragt, im Sinne einer Antragszurückweisung zu entscheiden.“ Das AG erließ sodann einen Beschluss, in dem festgestellt wird, „dass die Voraussetzungen für eine Scheidung der Ehe zum Heiratseintragsnummer [...] zum derzeitigen Zeitpunkt nicht vorliegen.“ Zusätzlich wurden dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens auferlegt.

Über die hiergegen eingelegte Beschwerde hatte das OLG zu entscheiden.

Die Entscheidung des Gerichts

Das OLG hebt den Beschluss des AG auf und verweist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück.

Zwar sei es zutreffend, dass ein Antrag wie jede Prozesserklärung der Auslegung zugänglich sei. Der anzuwendende Maßstab ist jedoch die Erforschung des wirklichen Willens der Beteiligten. Im Zweifel sei dasjenige gewollt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (das OLG verweist hierbei zutreffend auf BGH v. 16.5.2017 – XI ZR 586/15, MDR 2017, 887). Nach Ansicht des OLG sei der Antrag der Antragsgegnerinseite „[...] im Sinne einer Antragszurückweisung zu entscheiden“, nicht als Feststellungsantrag auszulegen. Weder sei dies mit dem Wortlaut noch der Vernunft oder der wohlverstandenen Interessenlage der Antragsgegnerin in Einklang zu bringen.

Im Übrigen zweifelt das OLG an, ob es sich überhaupt um eine Ehesache handelt, da nach der gesetzlichen Konzeption der §§ 126, 121 FamFG nur drei Arten von Ehesachen vorgesehen sind: die Ehescheidung (§ 121 Nr. 1 FamFG), die Aufhebung der Ehe (§ 121 Nr. 2 FamFG) und das Bestehen oder Nichtbestehen der Ehe (§ 121 Nr. 3 FamFG).

Außerdem fehle es am notwendigen Rechtsschutzinteresse der Antragsgegnerin, denn eine Zurückweisung des Antrags wäre ausreichend gewesen.


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