Hans. OLG Hamburg, Beschl. 26.5.2020 - 12 WF 52/20

Getrenntleben trotz weiterhin angemeldeter Bedarfsgemeinschaft

Autor: RiAG a.D. Ralph Neumann, Brühl
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 01/2021
Zwar kann ein Auftreten gegenüber dem Jobcenter als Bedarfsgemeinschaft ein Indiz sein, das für das Bestehen einer häuslichen Gemeinschaft und gegen ein Getrenntleben der Ehegatten spricht. Dieses Indiz kann jedoch durch einen substantiierten Tatsachenvortrag widerlegt werden.

BGB § 1567; ZPO § 114

Das Problem

Die Antragstellerin war Anfang des Jahres aus der Ehewohnung in Hamburg mit ihren persönlichen Sachen ausgezogen und bei ihren Eltern in Süddeutschland eingezogen. Die Leistungen des Jobcenters Hamburg für die Eheleute liefen noch mindestens ein halbes Jahr fort. Erst ab Herbst bezog die Antragstellerin Leistungen des Jobcenters an ihrem Wohnort. Als sie gegen Ende des Jahrs die Scheidung einreichte und hierfür Verfahrenskostenhilfe beantragte, wies dies das FamG mangels hinreichender Erfolgsaussicht zurück, da ein längerdauerndes Getrenntleben i.S.d. § 1567 Abs. 1 BGB nicht vorliege, weil die Beteiligten noch mindestens ein halbes Jahr gegenüber dem Jobcenter in einer Bedarfsgemeinschaft gelebt hätten. Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde, da es sich bei dem Bestehen der Bedarfsgemeinschaft gegenüber dem Jobcenter lediglich um ein formales Kriterium handele, das an der tatsächlich vollzogenen räumlichen Trennung als Scheidungsvoraussetzung nichts ändere.

Die Entscheidung des Gerichts

Der Senat bewilligt der Antragstellerin die beantragte Verfahrenskostenhilfe, da ein Getrenntleben i.S.v. § 1567 Abs. 1 BGB seit mehr als einem Jahr gegeben sei. Die Antragstellerin sei mit ihren persönlichen Sachen und mit dem ausdrücklich geäußerten Willen ausgezogen, die eheliche Lebensgemeinschaft zu beenden. Durchgreifende Anhaltspunkte für eine gleichwohl fortbestehende Lebensgemeinschaft bestünden nicht, sie ergäben sich auch nicht aus dem Bezug von Leistungen als Bedarfsgemeinschaft nach SGB II. Zwar könne ein Auftreten gegenüber dem Jobcenter als Bedarfsgemeinschaft – insbesondere bei Getrenntleben innerhalb der Ehewohnung – ein Indiz dafür darstellen, das für das Bestehen einer häuslichen Gemeinschaft und gegen ein Getrenntleben der Ehegatten spricht. Dieses Indiz könne jedoch durch einen substantiierten Tatsachenvortrag widerlegt werden, zumal wenn – wie hier – der gemeinsame Fortbezug von Leistungen als Bedarfsgemeinschaft tatsächlich nicht berechtigt gewesen sei.


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