Interessengegensatz zwischen Eltern und Kind im Vaterschaftsanfechtungsverfahren

Autor: RiAG Dr. Jürgen Schmid, w.aufsf. Ri., München
Aus: Familien-Rechtsberater, Heft 09/2014
Begehrt der nichteheliche Vater die Feststellung, dass das Kind nicht sein Kind sei, so legt es die indizierte Konfliktlage nahe, der allein sorgeberechtigten Mutter die gesetzliche Vertretungsmacht im Verfahren zu entziehen und einen Ergänzungspfleger zu bestellen. (amtlicher Leitsatz)

OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.4.2014 - 16 WF 56/14

Vorinstanz: AG Göppingen, Beschl. v. 13.3.2014 - 10 F 967/13

BGB §§ 1795, 1796

Das Problem:

Der mit der Mutter nicht verheiratete Vater erhob am 25.9.2013 einen Vaterschaftsanfechtungsantrag, dass das im August 2012 geborene Kind, dessen Vaterschaft er am 19.7.2012 anerkannt hatte, nicht sein Kind sei. Die allein sorgeberechtigte Mutter trat auch als Vertreterin des Kindes diesem Antrag entgegen, da der vom Vater vorgebrachte Mehrverkehrsverdacht ins Blaue hinein geäußert und verleumderisch sei. Mit Beschluss vom 13.3.2014 ordnete das AG Ergänzungspflegschaft für die Vertretung des Kindes im Abstammungsverfahren an, wogegen sich die Mutter form- und fristgerecht beschwerte.

Die Entscheidung des Gerichts:

Das OLG weist die Beschwerde zurück. Nach der Rechtsprechung des BGH (BGH v. 21.3.2012 – XII ZB 510/10, FamRZ 2012, 859 = FamRB 2012, 212) folge aus der notwendigen Beteiligung der Mutter am Abstammungsverfahren kein Ausschluss von der Vertretung des Kindes nach §§ 1629, 1795 BGB, allerdings sei die mit dem Vater verheiratete Mutter im Anfechtungsverfahren bei Vorliegen einer Interessenkollision nach § 1796 BGB von der Vertretung des Kindes im Anfechtungsverfahren ausgeschlossen. Bei gemeinsamer elterlicher Sorge sei ferner nach der Rechtsprechung des BGH (BGH v. 18.2.2009 – XII ZR 156/07, FamRZ 2009, 861 = FamRB 2009, 206) auch die nicht mit dem Vater verheiratete Mutter von der Vertretung des Kindes im Anfechtungsverfahren ausgeschlossen. Schließlich sei nach der Rechtsprechung des BGH (BGH v. 27.3.2002 – XII ZR 203/99, FamRZ 2002, 880) die allein sorgeberechtigte nicht mit dem Vater verheiratete Mutter auch dann von der Vertretung des Kindes im Anfechtungsverfahren ausgeschlossen, wenn die Mutter selbst die Vaterschaft anficht. Im vorliegenden Fall sei die allein sorgeberechtigte, mit dem (die Vaterschaft anfechtenden) Vater nicht verheiratete Mutter nach §§ 1629 Abs. 2 Satz 3, 1796 Abs. 1 BGB von der Vertretung des Kindes im Anfechtungsverfahren ausgeschlossen, da diese Konstellation das Bestehen gegenläufiger Interessen von Eltern und Kind indiziere. Der erhebliche Interessengegensatz ergebe sich im vorliegenden Fall schon daraus, dass die Mutter den vom Vater geäußerten Mehrverkehrsverdacht für verleumderisch halte, so dass ihr Interesse, ihre persönliche Ehre zu verteidigen, mit dem Interesse des Kindes, Gewissheit über seinen Vater zu erlangen, in konkretem Gegensatz stehe und somit die vom AG angeordnete Ergänzungspflegschaft rechtmäßig sei.


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